Heute, am 1. Juli, wird die Branche mit einem Sonderpreis geehrt. Als Anerkennung für die Leistungen unter schwierigsten Umständen werden die HR-Mitarbeitenden in der Hotellerie und Gastronomie am Swiss HR Award ausgezeichnet. Doch wie schafft man gute Arbeitsbedingungen in einer Branche, die viel Flexibilität für wenig Lohn verlangt? Wir haben bei zwei Unternehmen nachgefragt, die dies unterschiedlich angehen: beim «Schweizerhof» in Luzern, einem Familienbetrieb, und bei der holländischen Lifestyle-Hotelkette Citizen M.

  • Persönlichkeiten statt Fachkräfte:

«Wir suchen Menschen, die unsere Werte teilen», sagt Ariane Clergue, Hotelmanagerin im «Citizen M Zurich». Ob sie aus der Hotellerie kämen, sei zweitrangig. Echt, überraschend und kontaktfreudig müssten sie sein, und das finde man am besten bei einem Kaffee oder in Gruppencastings heraus, die wie Workshops organisiert sind. «Wir lernen uns einen Tag lang gegenseitig kennen, und am Schluss matcht es oder eben nicht», so Clergue. Danach werden die Personen intern ausgebildet, wobei Soft Skills genauso gefördert werden wie Fachwissen. Die Devise bei Citizen M heisst Selbstmanagement: Die Mitarbeitenden entscheiden weitgehend selbst, wo sie sich verbessern wollen. Die Vorgesetzten fungieren dabei primär als deren Coaches.

  • Transparenz schaffen und wertschätzen:

Beim «Schweizerhof» in Luzern mit aktuell 120 teils sehr langjährigen Mitarbeitenden sind Wertschätzung und Transparenz das A und O. «Wir informieren unsere Leute regelmässig über die Zahlen und machen gute Leistungen des Personals für alle sichtbar», sagt Hoteldirektor Patrick Hauser. Die Mitarbeitenden sollen sich aber nicht nur in Worten, sondern auch in Taten ernst genommen fühlen. «Wir setzen immer wieder Inputs von der Basis um und haben einen Mitarbeiterfonds, aus dem wir gute Leistungen honorieren oder auch Lohnausfälle während der Kurzarbeit auffangen können», so Hauser.

  • Flexible Einsätze und kollegiales Arbeitsklima:

Bei der holländischen Hotelkette Citizen M können die Mitarbeitenden mitbestimmen, wie sie ihre Einsatzpläne gestalten. Die täglichen Schichten können nämlich flexibel eingeteilt werden. «Manche wollen lieber nur am Morgen arbeiten, andere ziehen es vor, drei Tage am Stück freizuhaben», sagt Ariane Clergue. Ausserdem werden alle Mitarbeitenden auf verschiedenen Posten eingesetzt, sei dies an der Réception oder an der Bar. «Den Turnus können die Leute gemeinsam im Team jeden Morgen selber festlegen.» Auch Patrick Hauser vom «Schweizerhof» legt viel Wert auf ein gutes Arbeitsklima. «Als Arbeitgeber muss man authentisch sein. Was man nach aussen darstellen will, muss man auch leben.» Die Kultur in seinem Familienbetrieb gehe über das übliche Verhältnis Mitarbeiter/Chef hinaus. «Wir interessieren uns für die Menschen auch ausserhalb ihrer Arbeit und gehen mit ihnen kollegial um.»

  • Weiterbildungen und Benefits motivieren:

Beruflich voranzukommen, ist für viele Mitarbeitende entscheidend. Der «Schweizerhof» unterstützt deshalb Weiterbildungen «über den GAV hinaus», sagt Hauser. Zudem versuche man, die Leute mit diversen Mitarbeiteranlässen oder Vergünstigungen für Kulturevents zum Bleiben zu motivieren. Bei der jungen Lifestyle-Hotelkette Citizen M läuft die Weiterbildung intern und über Partnerprogramme ab. Den Mitarbeitenden stehen zum Beispiel Onlinekurse von Good Habitz gratis zur Verfügung, bei denen man zum Beispiel Achtsamkeit trainieren oder seine Feedbackkultur optimieren kann.

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Personalmangel trotz 16 000 Arbeitslosen
Egal, ob in Restaurants oder Hotels: Überall im Gastgewerbe wird derzeit dringend Personal gesucht, die Inserate hängen sogar in den Gästetoiletten. Doch leider bleibt die Suche oft erfolglos. Die Krise, so der Tenor in der Branche, hat den Fachkräftemangel akzentuiert. Gleichzeitig waren im Mai gemäss Seco 15'600 Personen aus dem Gastgewerbe (4700 Hotellerie, 10'900 Gastronomie) arbeitslos gemeldet. Wie passt das zusammen?

Nicole Brändle, Leiterin Arbeit, Bildung und Politik bei HotellerieSuisse, geht davon aus, dass es unter den knapp 16 000 Arbeitslosen einige gibt, «die zwar im Gastgewerbe registriert sind, aber inzwischen in anderen Branchen nach einer Anstellung suchen». Diesen Eindruck bestätigt auch eine aktuelle Umfrage des Personalverleihers Coople: 13 Prozent der Befragten wollen nicht mehr ins Gastgewerbe zurückkehren. Zwei Drittel jener, die wegen der Pandemie ihren Job verloren haben, sind inzwischen in einer anderen Branche angestellt. Oft genannte Gründe sind: tiefe Löhne, unflexible Arbeitszeiten, wenig Autonomie. Und in der Krise kam zusätzlich auch noch die Jobunsicherheit hinzu.

Brändle vermutet zudem, dass vor allem weniger gut qualifizierte Personen derzeit arbeitslos gemeldet sind. «Hoteliers und Gastwirtinnen, die erfahrene Mitarbeitende suchen, haben es schon länger schwer, und aufgrund der Krise hat sich dieser Effekt noch verstärkt, auch weil viele ausländische Fachkräfte fehlen.»