Superstar Andreas Caminada hat einen. Spitzenkoch Markus Arnold auch. Und Gault Millau widmete ihm 2020 ein Ranking. – Eben noch brachte man den Burger mit jungen Menschen in Verbindung, die im Neonlicht einer Fastfoodkette in das kaloriendichte Vergnügen beissen, während ihnen Ketchup in den Ärmel tropft. Und nun: Spitzengastronomie und Gault Millau. Was ist passiert? «Sorgfältig und mit guten Produkten hergestellt, kann ein Burger wunderbar sein – das haben die jungen Chefs entdeckt. Vor allem in den Bars und Hallen der Luxushotellerie feiert er ein verblüffendes Comeback», sagt Urs Heller, Chefredaktor von Gault Millau.

Ja, aber weshalb ausgerechnet Burger und nicht etwa Pizza oder Hotdog? Darauf hat der Berner Gastroberater Urs Messerli eine Antwort: «Burger lassen sich gut skalieren und personalisieren – jeder Spitzenkoch kann seinen eigenen ‹Signature Burger› erschaffen.» Daniela Kimmich, Kommunikationsspezialistin bei Gastrosuisse, bestätigt das: «Hamburger sind in der Gastronomie ein Trendprodukt, weil sie sich vielfältig und kreativ zusammenbauen lassen. Mit exklusiven Zutaten wie Angus- oder Wagyu-Beef finden sie sich auch in der Spitzengastronomie, dort aber eher bei den jungen, wilden Starköchen als in klassischen Betrieben.»

Die Erfinderfrage: Hamburg(er), Amerika und Obama
Wer hats erfunden? – «Wir!», rufen die Hamburger gerne und verweisen auf den Namen. Aber nicht nur. Schliesslich enterten die Auswanderer einst in der Hansestadt das Schiff Richtung Amerika und verspeisten auf der Reise mindestens eine Frikadelle mit Bratensauce auf Weizenbrötchen, ein sogenanntes «Rundstück warm», das war gut und günstig. «Wir!», erschallt es aber auch in Übersee, wo bis heute mehrere Namen als Hamburger-Erfinder im Rennen sind. Verbrieft indes ist allein dies: An der Weltausstellung 1904 verkaufte der Texaner Fletcher Davis den «Hamburg» – ein Patty aus Hackfleisch zwischen zwei Brötchenhälften, damals schon mit Gurke, Senf und Zwiebeln. Ein gutes Jahrhundert später wurde Barack Obama unfreiwillig zum Burger-Botschafter: Seine Lunch-Bestellung für das ganze Team in einer «Five Guys»-Filiale in Washington DC ging viral. Seither wird sein damals georderter Cheeseburger auch «Obamas Liebling» genannt. (fh)

Möglichst frisch und regional
Food-Journalist Nicolas Bollinger beobachtet den Boom schon länger: «Der Burger hat in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren einen gewaltigen Image-Wandel vom Fast- zum Slowfood erfahren». Das sei wenig überraschend: «Damit folgt der Burger lediglich einem grösseren Foodtrend: Möglichst alles selber herstellen, möglichst frisch, mit hochwertigen Zutaten, die natürlich von kleinen, regionalen Produzenten stammen.» Wer hätte das gedacht, als McDonald’s 1976 in Genf die erste Schweizer Filiale eröffnete?

Gut drei Jahrzehnte später beugte sich Thomas Hirschberger in München über ein Gegenkonzept zu den bisherigen Burger-Angeboten, die seiner Meinung nach einen zu männlichen Touch hatten. Ergo richtete er die Einrichtung am weiblichen Geschmack aus und entwarf «Hans im Glück» – einen Burgergrill mit stimmungsvoller Atmosphäre wie im Birkenwald, gesunden Zutaten und knackigen Salaten.

Erfolgreichster Neustart
2010 ging er mit dem ersten Lokal im Münchner Stadtteil Neuhausen an den Start, drei Monate später erwirtschaftete er bereits Gewinn. «Hans im Glück» war der erfolgreichste gastronomische System-Neustart in Deutschland 2010. Hirschbergers Konzept funktioniert bis heute, davon zeugen rund 90 Restaurants bis nach Singapur: «Wir freuen uns, dass 60 Prozent unserer Gäste Frauen sind, haben aber den Anspruch, mit unserem Angebot alle anzusprechen, unabhängig von Geschlecht oder Ernährungsweise», sagt Peter Prislin, Director Marketing Strategy and Communication.

Auf dem Platz Bern war «Kung Fu Burger» 2013 das erste Restaurant, das sich auf hochwertige Hamburger spezialisiert hatte – und den Gästen erklären musste, weshalb Fleisch vom Evolèner Rind, Speck aus Schöpfen und Käse aus Gysenstein mehr kosten als ein Big Mac. 2015 zog Zürich mit «Burger Meister» nach. Der Name ist Programm: «Burger Meister» führt die besagte Gault-Millau-Liste an, ist mittlerweile mit insgesamt zehn Restaurants in Zürich, Basel und St. Gallen präsent und will weiter wachsen.

«Sorgfältig und mit guten Produkten hergestellt, kann ein Burger wunderbar sein – das haben die jungen Chefs entdeckt.»

Urs Heller, Gault Millau

 

Aufwind durch Pandemie
Die Pandemie befeuerte den Boom zusätzlich: Beim Lieferdienst Eat.ch schaffte es der Cheeseburger 2020 erstmals in die Top Ten. Im selben Jahr wuchs der Umsatz bei pflanzlichen Burgern gemäss Marktforschungsinstitut Nielsen um 228,4 Prozent gegenüber 2019. Bereits jeder sechste verkaufte Burger besteht nicht aus Fleisch, heisst es im Fleischersatz-Report.

«Unmeat», das erste komplett fleischlose Burgerrestaurant hierzulande, lancierte im Dezember 2021 den klimaneutralen Burger, eine Premiere. CEO Theo Favetto hat noch mehr Pläne: «Bis Mitte Jahr werden alle unsere Produkte klimaneutral sein, in drei Jahren wollen wir klimapositiv werden.»

Ob mit oder ohne Fleisch: Angesichts des Booms bleibt die Frage, ob die Beliebtheit des Burgers finanziell motiviert ist. Daniela Kimmich winkt ab: «Man kann nicht von einem Renditeprodukt sprechen.» Derweil hat «Twist Burger», ebenfalls vegan, sein erstes Pick-up-Lokal in Zürich eröffnet, Dessert inklusive: Burger mit Schokoladencreme und Haselnüssen.