Die drohende Strommangellage stellt die Hotellerie und andere touristische Dienstleister vor ein Dilemma: «Für den einzelnen Betrieb ist es schwierig, zu entscheiden, ob er trotz Stromknappheit die Weihnachtsbeleuchtung einschalten soll. Macht er es, und der Nachbar nicht, heisst es womöglich, er sei ein Verschwender. Möglicherweise steht aber auch der Nachbar als geizig und unfeierlich da», sagte kürzlich Myriam Schlatter, Direktorin des 4-Sterne-Hotels Reine Victoria in St. Moritz und neu gewähltes Verbandsleitungsmitglied von HotellerieSuisse, im Interview mit der htr hotelrevue. Hier brauche es gesamtheitliche Wegweisungen.

Einige Betriebe sind bereits im Herbst an die Öffentlichkeit getreten. Das Hotel Al Ponte in Wangen an der Aare etwa, das sich mit seiner Weihnachtsdeko einen Namen gemacht hat und in normalen Jahren mit 65 000 Lichtlein von der Autobahn A1 aus nicht zu übersehen ist, hat bereits im September entschieden, dieses Jahr auf die Beleuchtung zu verzichten. Nur schon wegen der Vorlaufzeit habe er den Entscheid so früh fällen müssen, sagt Hoteldirektor Frank Walker. Denn mit der Montage der Dekoration seien zwei Personen rund eine Woche lang beschäftigt. Zudem habe der Sturm im Frühling die Linde, die jeweils mit 25 000 Lämpchen geschmückt wurde, umgeweht – damit hätte das Prunkstück der Weihnachtsdeko so oder so gefehlt. Nicht zuletzt habe er mit dem Entscheid auch einer negativen Debatte vorbeugen wollen, sagt Walker.

«Die meisten finden es schade, haben aber Verständnis für den Entscheid.»

Frank Walker
Direktor des Hotels Al Ponte in Wangen an der Aare

Seitens der Gäste gebe es nur vereinzelt Rückmeldungen zur fehlenden Beleuchtung. Die meisten fänden es schade, hätten aber Verständnis für den Entscheid. Letztlich sei es ihm vor allem darum gegangen, ein Zeichen zu setzen und deutlich zu machen, dass das Hotel seinen Beitrag leiste zum Stromsparen.

Gleich viel Strom wie ein Staubsauger

Ein Zeichen setzen, sich solidarisch zeigen, diese Aussagen hört man immer wieder. Die Rückmeldungen aus der Branche machen zwei Dinge offensichtlich: LED hat sich als Standard durchgesetzt. Und kaum ein Hotel kommt diesen Winter darum herum, die Weihnachtsbeleuchtung einzuschränken. Einige reduzieren die Zahl der Lampen, andere schalten die Beleuchtung später ein oder früher wieder aus. Und wieder andere kombinieren beide Massnahmen: Das Grand Resort Bad Ragaz etwa verzichtet dieses Jahr auf die bekannte Lichtershow und die Beleuchtung des Kurparks – auch der Mammutbaum im Park wird ausnahmsweise nicht zum grössten lebenden Weihnachtsbaum in der Schweiz wie in anderen Jahren. Die Beleuchtung in der Auffahrt zum Resort wird zudem nur während der eigentlichen Feiertage in Betrieb genommen.

Andere touristische Dienstleister tun es den Hotels gleich. Die Jungfraubahnen etwa haben die Beleuchtungszeiten für die Weihnachtsdekoration in der Talstation Grindelwald Terminal an die Geschäftszeiten angepasst. Das bedeute gegenüber dem Vorjahr eine Reduktion der Betriebsdauer um 50 Prozent.

Zurück in die Grundversorgung

Lange waren die Strompreise am freien Markt günstiger als in der Grundversorgung, ganz zur Freude von rund 30 000 Grossverbrauchern. Doch dieses Jahr hat sich das Blatt gewendet, und ein Zurück in die Grundversorgung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Um den Grossverbrauchern entgegenzukommen, hat der Bundesrat unlängst ein Hintertürchen geöffnet: Wenn sie einen «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» bilden, gelten sie als neuer Kunde und können den Strom wieder aus der Grundversorgung beziehen. Doch damit sind Auflagen verbunden. Erstens muss der Zusammenschluss selbst Strom produzieren. Zweitens müssen die Partner untereinander mit Stromleitungen verbunden sein. Und drittens verpflichten sie sich, mindestens sieben Jahre in der Grundversorgung zu bleiben. Fachleute rechnen deshalb nicht damit, dass es nun massenhaft Wechsel geben wird.

Auch unter den touristischen Städten und Gemeinden haben sich einige dazu entschlossen, die Weihnachtsbeleuchtung einzusparen oder nur reduziert einzuschalten. «Lucy», der bekannte Sternenhimmel über der Zürcher Bahnhofstrasse, wird dieses Jahr beispielsweise pro Tag dreieinhalb Stunden weniger lang leuchten als in den vergangenen Jahren. Und in Grindelwald haben die Gemeinde und der Tourismusverein beschlossen, auf die Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten, wie Stefan Grossniklaus, Gastgeber im 4-Sterne-Hotel Aspen und Präsident von HotellerieSuisse Berner Oberland, erklärt. Einzig mitten im Dorf steht ein grosser, beleuchteter Tannenbaum. Ein Plakat klärt die Touristen darüber auf, dass dieser während der Betriebszeit gleich viel Strom verbraucht wie ein Staubsauger.

Bloss keine negativen Reaktionen provozieren

Das Rechenbeispiel verdeutlicht: Die Massnahmen bei der Weihnachtsbeleuchtung haben vor allem symbolischen Charakter. Der eigentliche Hebel zum Energiesparen liege beim Heizen und Lüften, hält Matthias Beyeler, General Manager der Accor-Hotels am Berner Guisanplatz und neuer Präsident von HotellerieSuisse Bern + Mittelland, fest. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass jeder Betrieb die Weihnachtsbeleuchtung so handhaben solle, wie es für das jeweilige Konzept am besten sei. Trotzdem habe man das Thema im Verband am Rande angesprochen. Er gehe davon aus, dass die meisten Mitglieder die Beleuchtung in irgendeiner Form reduzierten, sagt Beyeler, allein deshalb, um keine negativen Reaktionen zu provozieren.

«Selbstverständlich sprechen wir uns mit unseren Kollegen und Kolleginnen aus den anderen Häusern ab.»

Astrid Hüni
Mediensprecherin Grand Resort Bad Ragaz

Die von Myriam Schlatter gewünschte einheitliche Wegweisung gibt es zwar nicht. Doch in einzelnen Regionen oder Kooperationen tauschen sich die Hotels informell aus: «Selbstverständlich sprechen wir uns – wie auch in vielen anderen Themen – mit unseren Kollegen und Kolleginnen aus den anderen Häusern [im Ort] ab», sagt Astrid Hüni, Medien-sprecherin Grand Resort Bad Ragaz. Und insbesondere auch innerhalb der Vereinigung der Swiss Deluxe Hotels, der 39 Häuser angehören.

Sollen mit den Energiekosten auch die Preise steigen?

Die hohen Energiepreise schlagen zu Buche. Wie gehen Betriebe mit diesem höheren Aufwand um? Sollen nun auch die Zimmer- und Restaurationspreise steigen? Ja, findet eine grosse Mehrheit in einer Umfrage von HotellerieSuisse: 75 Prozent der befragten Betriebe gaben an, sie würden die Preise auf die Wintersaison anheben – in den Bergen verlangen sogar 83 Prozent der Hotels höhere Preise. Neben der allgemeinen Teuerung sind die gestiegenen Energiekosten der Hauptgrund für diese Erhöhungen.

Einfach die Preise anzuheben, ist für Jan Stiller, Direktor des 5-Sterne-Superior-Hotels Lenkerhof, aus mehreren Gründen keine Lösung: «Wir haben viele Reservationen angenommen oder Übernachtungsgutscheine verkauft, noch bevor die Energiepreise gestiegen sind. Da können wir nicht im Nachhinein höhere Preise verlangen.» Zudem: «Wenn die Preise zu stark steigen und ein Gast deswegen nur vier statt fünf Tage kommt, verlieren wir wertvollen Umsatz – nicht nur wegen der einen Übernachtung. Vielleicht hätte der Gast auch noch eine Wellnessbehandlung gebucht oder im Restaurant zu Mittag gegessen.»

Zahlungsbereitschaft der Gäste ist hoch
Stiller setzt stattdessen auf die Solidarität der Gäste. Beim Check-in werden sie auf die Energiemehrkosten von geschätzten 500 000 Franken pro Jahr und einen freiwilligen Energieaufpreis von 5 Franken pro Erwachsenen und Nacht aufmerksam gemacht. Rund 20 Prozent der Gäste bezahlten diesen Betrag, sagt Stiller, der ungefähr auf diese Zahlungsbereitschaft gehofft hat.

Es gibt weitere Ansätze, wie Betriebe die Gäste zur Kasse bitten. Schweizweit für Schlagzeilen sorgte etwa die Gastgewerbegruppe Balance Familie, die im Herbst einen Energiezuschlag von 5 Prozent auf die Essensrechnung eingeführt hat. «Wir mussten diesen temporären Beitrag einführen, weil sich unsere Stromkosten von 5 Rappen pro Kilowattstunde auf 50 Rappen verzehnfacht haben. Die Stromkosten betragen nun ein Zehntel unserer Betriebskosten», sagte Unternehmer Felix Suhner damals zum «Blick».

In Deutschland diskutiert die Gastronomie derweil sogenannte Energieeintrittspreise. Mehrere Restaurants haben pauschale Beträge von 1 bis 2 Euro pro Gast eingeführt. Das mache dann Sinn, wenn die Betriebe in einem Gebiet einheitlich vorgingen, heisst es aus den entsprechenden Kreisen gegenüber deutschen Medien. Gut die Hälfte der befragten Personen hat in einer aktuellen Umfrage der Jade Hochschule in Wilhelmshaven erklärt, sie seien sicher oder eher bereit, im Restaurant 3 Euro für gestiegene Energiekosten zu bezahlen.

Bei all diesen Beiträgen müssen die Unternehmerinnen und Unternehmer die Mehrwertsteuer berücksichtigen.

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