Krieg in der Ukraine, marode französische Atomkraftwerke, Trockenheit in der Schweiz: Gründe dafür, dass Gas und Strom knapp werden könnten, gibt es viele. Nun sind Lösungen gefragt.


Dossier: Energiekrise
Geht der Schweiz der Saft aus?
Stromsparen
Die Weihnachtsbeleuchtung wird zur Zwickmühle

Die drohende Strommangellage stellt die Hotellerie und andere touristische Dienstleister vor ein Dilemma: «Für den einzelnen Betrieb ist es schwierig, zu entscheiden, ob er trotz Stromknappheit die Weihnachtsbeleuchtung einschalten soll. Macht er es, und der Nachbar nicht, heisst es womöglich, er sei ein Verschwender. Möglicherweise steht aber auch der Nachbar als geizig und unfeierlich da», sagte kürzlich Myriam Schlatter, Direktorin des 4-Sterne-Hotels Reine Victoria in St. Moritz und neu gewähltes Verbandsleitungsmitglied von HotellerieSuisse, im Interview mit der htr hotelrevue. Hier brauche es gesamtheitliche Wegweisungen.
Einige Betriebe sind bereits im Herbst an die Öffentlichkeit getreten. Das Hotel Al Ponte in Wangen an der Aare etwa, das sich mit seiner Weihnachtsdeko einen Namen gemacht hat und in normalen Jahren mit 65 000 Lichtlein von der Autobahn A1 aus nicht zu übersehen ist, hat bereits im September entschieden, dieses Jahr auf die Beleuchtung zu verzichten. Nur schon wegen der Vorlaufzeit habe er den Entscheid so früh fällen müssen, sagt Hoteldirektor Frank Walker. Denn mit der Montage der Dekoration seien zwei Personen rund eine Woche lang beschäftigt. Zudem habe der Sturm im Frühling die Linde, die jeweils mit 25 000 Lämpchen geschmückt wurde, umgeweht – damit hätte das Prunkstück der Weihnachtsdeko so oder so gefehlt. Nicht zuletzt habe er mit dem Entscheid auch einer negativen Debatte vorbeugen wollen, sagt Walker.
«Die meisten finden es schade, haben aber Verständnis für den Entscheid.»
Frank Walker
Direktor des Hotels Al Ponte in Wangen an der Aare
Seitens der Gäste gebe es nur vereinzelt Rückmeldungen zur fehlenden Beleuchtung. Die meisten fänden es schade, hätten aber Verständnis für den Entscheid. Letztlich sei es ihm vor allem darum gegangen, ein Zeichen zu setzen und deutlich zu machen, dass das Hotel seinen Beitrag leiste zum Stromsparen.
Gleich viel Strom wie ein Staubsauger
Ein Zeichen setzen, sich solidarisch zeigen, diese Aussagen hört man immer wieder. Die Rückmeldungen aus der Branche machen zwei Dinge offensichtlich: LED hat sich als Standard durchgesetzt. Und kaum ein Hotel kommt diesen Winter darum herum, die Weihnachtsbeleuchtung einzuschränken. Einige reduzieren die Zahl der Lampen, andere schalten die Beleuchtung später ein oder früher wieder aus. Und wieder andere kombinieren beide Massnahmen: Das Grand Resort Bad Ragaz etwa verzichtet dieses Jahr auf die bekannte Lichtershow und die Beleuchtung des Kurparks – auch der Mammutbaum im Park wird ausnahmsweise nicht zum grössten lebenden Weihnachtsbaum in der Schweiz wie in anderen Jahren. Die Beleuchtung in der Auffahrt zum Resort wird zudem nur während der eigentlichen Feiertage in Betrieb genommen.
Andere touristische Dienstleister tun es den Hotels gleich. Die Jungfraubahnen etwa haben die Beleuchtungszeiten für die Weihnachtsdekoration in der Talstation Grindelwald Terminal an die Geschäftszeiten angepasst. Das bedeute gegenüber dem Vorjahr eine Reduktion der Betriebsdauer um 50 Prozent.
Zurück in die Grundversorgung
Lange waren die Strompreise am freien Markt günstiger als in der Grundversorgung, ganz zur Freude von rund 30 000 Grossverbrauchern. Doch dieses Jahr hat sich das Blatt gewendet, und ein Zurück in die Grundversorgung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Um den Grossverbrauchern entgegenzukommen, hat der Bundesrat unlängst ein Hintertürchen geöffnet: Wenn sie einen «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» bilden, gelten sie als neuer Kunde und können den Strom wieder aus der Grundversorgung beziehen. Doch damit sind Auflagen verbunden. Erstens muss der Zusammenschluss selbst Strom produzieren. Zweitens müssen die Partner untereinander mit Stromleitungen verbunden sein. Und drittens verpflichten sie sich, mindestens sieben Jahre in der Grundversorgung zu bleiben. Fachleute rechnen deshalb nicht damit, dass es nun massenhaft Wechsel geben wird.
Auch unter den touristischen Städten und Gemeinden haben sich einige dazu entschlossen, die Weihnachtsbeleuchtung einzusparen oder nur reduziert einzuschalten. «Lucy», der bekannte Sternenhimmel über der Zürcher Bahnhofstrasse, wird dieses Jahr beispielsweise pro Tag dreieinhalb Stunden weniger lang leuchten als in den vergangenen Jahren. Und in Grindelwald haben die Gemeinde und der Tourismusverein beschlossen, auf die Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten, wie Stefan Grossniklaus, Gastgeber im 4-Sterne-Hotel Aspen und Präsident von HotellerieSuisse Berner Oberland, erklärt. Einzig mitten im Dorf steht ein grosser, beleuchteter Tannenbaum. Ein Plakat klärt die Touristen darüber auf, dass dieser während der Betriebszeit gleich viel Strom verbraucht wie ein Staubsauger.
Bloss keine negativen Reaktionen provozieren
Das Rechenbeispiel verdeutlicht: Die Massnahmen bei der Weihnachtsbeleuchtung haben vor allem symbolischen Charakter. Der eigentliche Hebel zum Energiesparen liege beim Heizen und Lüften, hält Matthias Beyeler, General Manager der Accor-Hotels am Berner Guisanplatz und neuer Präsident von HotellerieSuisse Bern + Mittelland, fest. Grundsätzlich sei er der Meinung, dass jeder Betrieb die Weihnachtsbeleuchtung so handhaben solle, wie es für das jeweilige Konzept am besten sei. Trotzdem habe man das Thema im Verband am Rande angesprochen. Er gehe davon aus, dass die meisten Mitglieder die Beleuchtung in irgendeiner Form reduzierten, sagt Beyeler, allein deshalb, um keine negativen Reaktionen zu provozieren.
«Selbstverständlich sprechen wir uns mit unseren Kollegen und Kolleginnen aus den anderen Häusern ab.»
Astrid Hüni
Mediensprecherin Grand Resort Bad Ragaz
Die von Myriam Schlatter gewünschte einheitliche Wegweisung gibt es zwar nicht. Doch in einzelnen Regionen oder Kooperationen tauschen sich die Hotels informell aus: «Selbstverständlich sprechen wir uns – wie auch in vielen anderen Themen – mit unseren Kollegen und Kolleginnen aus den anderen Häusern [im Ort] ab», sagt Astrid Hüni, Medien-sprecherin Grand Resort Bad Ragaz. Und insbesondere auch innerhalb der Vereinigung der Swiss Deluxe Hotels, der 39 Häuser angehören.
Sollen mit den Energiekosten auch die Preise steigen?
Die hohen Energiepreise schlagen zu Buche. Wie gehen Betriebe mit diesem höheren Aufwand um? Sollen nun auch die Zimmer- und Restaurationspreise steigen? Ja, findet eine grosse Mehrheit in einer Umfrage von HotellerieSuisse: 75 Prozent der befragten Betriebe gaben an, sie würden die Preise auf die Wintersaison anheben – in den Bergen verlangen sogar 83 Prozent der Hotels höhere Preise. Neben der allgemeinen Teuerung sind die gestiegenen Energiekosten der Hauptgrund für diese Erhöhungen.
Einfach die Preise anzuheben, ist für Jan Stiller, Direktor des 5-Sterne-Superior-Hotels Lenkerhof, aus mehreren Gründen keine Lösung: «Wir haben viele Reservationen angenommen oder Übernachtungsgutscheine verkauft, noch bevor die Energiepreise gestiegen sind. Da können wir nicht im Nachhinein höhere Preise verlangen.» Zudem: «Wenn die Preise zu stark steigen und ein Gast deswegen nur vier statt fünf Tage kommt, verlieren wir wertvollen Umsatz – nicht nur wegen der einen Übernachtung. Vielleicht hätte der Gast auch noch eine Wellnessbehandlung gebucht oder im Restaurant zu Mittag gegessen.»
Zahlungsbereitschaft der Gäste ist hoch
Stiller setzt stattdessen auf die Solidarität der Gäste. Beim Check-in werden sie auf die Energiemehrkosten von geschätzten 500 000 Franken pro Jahr und einen freiwilligen Energieaufpreis von 5 Franken pro Erwachsenen und Nacht aufmerksam gemacht. Rund 20 Prozent der Gäste bezahlten diesen Betrag, sagt Stiller, der ungefähr auf diese Zahlungsbereitschaft gehofft hat.
Es gibt weitere Ansätze, wie Betriebe die Gäste zur Kasse bitten. Schweizweit für Schlagzeilen sorgte etwa die Gastgewerbegruppe Balance Familie, die im Herbst einen Energiezuschlag von 5 Prozent auf die Essensrechnung eingeführt hat. «Wir mussten diesen temporären Beitrag einführen, weil sich unsere Stromkosten von 5 Rappen pro Kilowattstunde auf 50 Rappen verzehnfacht haben. Die Stromkosten betragen nun ein Zehntel unserer Betriebskosten», sagte Unternehmer Felix Suhner damals zum «Blick».
In Deutschland diskutiert die Gastronomie derweil sogenannte Energieeintrittspreise. Mehrere Restaurants haben pauschale Beträge von 1 bis 2 Euro pro Gast eingeführt. Das mache dann Sinn, wenn die Betriebe in einem Gebiet einheitlich vorgingen, heisst es aus den entsprechenden Kreisen gegenüber deutschen Medien. Gut die Hälfte der befragten Personen hat in einer aktuellen Umfrage der Jade Hochschule in Wilhelmshaven erklärt, sie seien sicher oder eher bereit, im Restaurant 3 Euro für gestiegene Energiekosten zu bezahlen.
Bei all diesen Beiträgen müssen die Unternehmerinnen und Unternehmer die Mehrwertsteuer berücksichtigen.
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Fotovoltaik
Was die Fotovoltaik Bergbahnen bringt
Die Zermatt Bergbahnen AG investiert seit 2002 in Solarenergie. Bei neuen Projekten, aber auch bei Um- und Erweiterungsbauten werde mit einer Machbarkeitsstudie geprüft, ob sich der Bau einer Fotovoltaikanlage lohne, sagt Kommunikationsmanager Marc Lagger.
Bereits gibt es mehrere Anlagen an den Bauten der Bergbahnen. Stattliche 270 000 Kilowattstunden jährlich produzieren die Solar-Module an der Talstation Trockener Steg. Insgesamt produzieren die Zermatt Bergbahnen laut Lagger jährlich zwischen 370'000 und 400'000 Kilowattstunden durch Fotovoltaik und Solarthermie.
Standortvorteil: Bei Kälte steigt die Effizienz der Solarmodule
Forscher der ZHAW in Wädenswil gehen davon aus, dass die Bedingungen im Gebirge für die Fotovoltaik grundsätzlich sehr günstig sind, gerade auch im Winter: Insbesondere die Lichtreflexion durch den Schnee sorgt für einen höheren Stromertrag, über der Hochnebeldecke scheint die Sonne. Zudem ist die Effizienz der Solarpanels umso grösser, je kälter es ist.
Eine Forschungsgruppe der Hochschule betreibt in Davos eine Versuchsanlage, die im Gelände steht und nicht an einer Fassade oder auf einem Dach montiert ist. Nach bisherigen Erkenntnissen sorgen zweiseitige, sogenannte bifaziale Module mit einem Neigungswinkel von 70 bis 90 Grad für einen gesteigerten Stromertrag. «Für Bergbahnen in Skigebieten eignet sich eine solche Anlage sehr gut», sagt Jürg Rohrer, der die Forschungsgruppe erneuerbare Energien an der ZHAW Wädenswil leitet.[RELATED]
«Wir sind mit einigen Bergbahnen grosser Skigebiete in Kontakt, die eine Fotovoltaikanlage im freien Gelände bauen wollen.» Aus Rohrers Sicht machen aber auf jeden Fall auch Fotovoltaikanlagen mit einseitigen, an Fassaden angebrachten Modulen «sehr viel Sinn», insbesondere bei einer südlich ausgerichteten Fassade. Eine solche Anlage sollte ein erster Schritt sein. Dies auch als Beitrag an die Stromversorgung der Schweiz: Es brauche viele zusätzliche Anlagen mit insgesamt einigen Quadratkilometern Fläche. Aber auch aus unternehmerischer Sicht rät er dringend zu einer Investition in eine Fotovoltaikanlage. «Wenn die Strompreise auf diesem Niveau bleiben, lässt sich durch das Einspeisen ins Netz eine Traumrendite erwirtschaften.» Dass sich ein ganzes Skigebiet mit Fotovoltaikanlagen weitgehend selbst mit Strom versorgen kann, bezweifelt Rohrer. «Skigebiete könnten aber einen wichtigen Beitrag an die Stromversorgung des Landes leisten.»
Genug Strom für Seilbahn und Betrieb des Berggasthauses
Die Seilbahn von Frümsen im Rheintal zum Berggasthaus Staubern im Kanton Appenzell Innerrhoden läuft ausschliesslich mit selbst produziertem Strom. Man habe viel in die Solaranlage und den Batteriespeicher investiert, sagt Daniel Lüchinger vom Berggasthaus Staubern. Ausserdem spiele Rekuperation, also die Rückgewinnung von Strom beim Abwärtstransport, eine Rolle. Überhaupt spielten eine Reihe von günstigen Umständen mit, die in so manchem Skigebiet wohl nicht gegeben seien – so etwa die Lage an einem Südosthang.
Noch spielt denn auch der Solarstrom für Bergbahnen in Skigebieten eine untergeordnete Rolle. Im Fall der Zermatt Bergbahnen erreicht der Anteil des Solarstroms aus den eigenen Anlagen derzeit rund 2,5 Prozent. «Dies erscheint als marginal, deckt aber den Bedarf der Gebäude», sagt Kommunikationsmanager Lagger. «Eine komplette Selbstversorgung ist für einen Betrieb dieser Grösse nicht realistisch. Seilbahnantriebe benötigen elektrische Leistungen, welche nur mit Grossanlagen sichergestellt werden können.» Es gehe darum, Synergien zu nutzen und nachhaltig zu entscheiden. Die Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk Zermatt (EWZ) reduziere sich nicht nur auf den Strombezug. So stamme das Wasser zur Beschneiung aus den Anlagen der Grande Dixence und des EWZ und fliesse bei der Schneeschmelze wieder in diese Anlagen zurück. Leitungen und Infrastrukturen der Beschneiung würden teilweise für die Stromproduktion verwendet. Diverse Projekte zur Stromproduktion mit Fotovoltaik habe man gemeinsam umgesetzt.
Ueli AbtSeilbahnen
Noch nie war Strombeschaffung für Seilbahnen so herausfordernd

Die Stromkosten steigen dramatisch. In der Grundversorgung wird Elektrizität kommendes Jahr um durchschnittlich 27 Prozent teurer. Auf dem freien Markt, der für Unternehmen ab 100'000 Kilowattstunden seit 2009 offensteht, hat sie sich bereits verzehnfacht. Der unabhängige Strombroker Mauro Renggli von der Renergy GmbH ist überzeugt, dass viele Unternehmen den Ernst der Lage noch nicht realisiert haben: «Die Situation ist existenzbedrohend, auch in der Bergbahnenbranche.» Er rechnet vor, dass die jährlichen Energiekosten bei einer mittleren Bergbahn bei einem Verbrauch von einer Million Kilowattstunden bisher bei 60 000 Franken lagen. Dieser steigt nun auf einen Schlag auf 600'000 Franken an.
Die Lage ist existensbedrohend, auch in der Bergbahnenbranche.
Verträge gegen Preissprung
Für die Bergbahnen ist die Liquidität laut Berno Stoffel von den Schweizer Bergbahnen (SBS) ein grosses Thema. Alle Bahnen, die ihre Verantwortung wahrnähmen, seien sich der aktuellen Strompreisentwicklung bewusst. Aber nicht überall sei die Lage dramatisch. Viele Unternehmen hätten den Strom bereits vor der Energiekrise zu tieferen Preisen eingekauft. Diese Verträge laufen bis Ende 2023, zum Teil sogar bis Ende 2024. «Bergbahnen mit langfristigen Verträgen sind auf der sicheren Seite», sagt Stoffel. Er bestätigt aber Rengglis Einschätzung, dass es eine Anzahl von Seilbahnen gibt, deren Verträge Ende dieses Jahres auslaufen und die deshalb von der Verzehnfachung der Strompreise direkt betroffen sind. Wie hoch die Zahl ist, kann er nicht beziffern. Für die Planungssicherheit hat ihnen Seilbahnen Schweiz bereits im vergangenen Juni geraten, den freien Markt zu verlassen und in die Grundversorgung zurückzukehren , was jedoch schwierig ist.
Tranchenweise einkaufen
Anspruchsvoll ist die Lage für Bahnen, die den Strom auf dem freien Markt einkaufen. Das langjährige Mittel von 6 Rappen pro Kilowattstunde ist seit Herbst 2021 Geschichte. Die Preise schnellten im vergangenen August gemäss Renggli sogar auf sagenhafte 105 Rappen hoch. Inzwischen sind sie auf rund 60 Rappen zurückgekehrt. Die Entwicklung in den kommenden Monaten ist jedoch unvorhersehbar, deshalb empfehlen Renggli wie auch Stoffel, den Einkauf in Tranchen zu tätigen und damit den Preis zu glätten.
Billettpreise steigen moderat
Je nach Beschaffungsmodell und Strompreisentwicklung können die Stromkosten für die kommende Skisaison tief liegen oder auch existenzbedrohend werden. Aufgrund der Beschneiungskosten hängen sie auch von Witterung und Temperatur ab. Reto Schläppi von den Bergbahnen Meiringen-Hasliberg sagt: «Im Idealfall gibt es im November einen Meter Naturschnee und es bleibt kalt.» Aber auch hier lässt sich nicht in die Glaskugel schauen. Trotz der Strompreisunsicherheiten steigen die Ticketpreise in vielen Skigebieten nur moderat: Hoch-Ybrig plus 3,6 Prozent, Meiringen-Hasliberg plus 3 bis 5 Prozent und die Flumserberge 3 Prozent. Die dynamischen Preise in Laax starten wie im Vorjahr ab 55 Franken. Im Vergleich zur Inflationsquote von 3,5 Prozent kann das als fair bezeichnet werden.
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Sparpotenzial der Bahnen
Um zu vermeiden, dass Verbote ausgesprochen werden, stehen die SBS im engen Austausch mit dem Bund. Sparmassnahmen sollen helfen, die Mangellage zu bewältigen. Der Verband bereitet derzeit einen Katalog vor, der die Sparwirksamkeit pro Anlagetyp auflistet. Darunter fallen verkürzte Betriebszeiten und gedrosselten Geschwindigkeiten. Damit bietet er den Bergbahnen Ende Oktober eine faktenbasierte Planungsgrundlage.
Einige Bergbahnen haben bereits einen eigenen Massnahmekatalog zusammengestellt. Beispielsweise die Flumserberge. Mit einer kleineren Fahrzeugbestückung auf den Anlagen sowie Geschwindigkeits- und Betriebszeitenanpassungen sollen dereinstige Sparziele erreicht werden. Da der Bergbahnenanteil am gesamtschweizerischen Stromverbrauch bloss 0,3 Prozent beträgt, fordern die Flumserberge eine gewisse Solidarität. Nicht nur die Bergbahnen, sondern alle Schweizer – Haushalte, Industrie, öffentliche Hand – sollen helfen, den Verbrauch zu optimieren.
Beschneiung nicht in Gefahr
Die Beschneiung wird von der Strommangellage voraussichtlich nicht tangiert. SBS-Geschäftsleiter Berno Stoffel sagt: «Die Beschneiung macht bloss 0,1 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs aus, hier wäre am falschen Ort gespart.» Sollte die Beschneiung wegfallen, könnten viele Skigebiete nicht öffnen. Stoffel warnt: «Dann fehlt die Grundlage für den gesamten Wintertourismus, der wirtschaftliche Schaden wäre immens.» Da die Mangellage erst im März 2023 erwartet wird und die Beschneiungsanlagen hauptsächlich Ende 2022 in Betrieb sind, würde das Energieproblem laut Stoffel damit nicht gelöst.
Krisenwinter
Lebensmittelindustrie im Angesicht der Energiekrise

«Am stärksten gefährdet sind Unternehmen, in denen die Produkte kühl gelagert werden müssen und die Kühlkette strikt eingehalten werden muss», erklärt Lorenz Hirt, Geschäftsführer der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial), gegenüber AWP.
Darüber hinaus gibt es Produktionsstätten, in denen selbst ein nur wenige Sekunden dauernder Stromausfall dazu führt, dass der Betrieb der Anlage komplett eingestellt werden muss, um sie zu reinigen und die notwendigen Kontrollen durchzuführen.
«Solche Prozesse können einen halben Tag oder sogar noch länger dauern, wenn es sich um eine komplette Fabrik handelt», erklärt der Experte. Selbst im Falle eines kurzen Energieausfalls wären die Auswirkungen laut Hirt für die betroffenen Unternehmen erheblich.
Schnelle Umstellung auf Alternativen ist schwierig
Eine solche Firma, die stark auf intakte Kühlketten und Erhitzungsprozesse angewiesen ist, ist der Innerschweizer Milchverarbeiter Emmi. Emmi benötigt Gas für die Herstellung fast aller Produkte, wie eine Sprecherin erklärt. Ein Ausfall des Gases hätte aber aber auch Auswirkungen, die über den eigenen Betrieb hinausgehen – etwa auf die Bauern. Denn Emmi könnte dadurch weniger Milch annehmen und verarbeiten.
Der Gesamtenergieverbrauch von Emmi Schweiz liegt laut der Sprecherin bei rund 840'700 Megawattstunden. Davon wird etwa die Hälfte mit Gas bestritten. Falls dieses nicht ausreichen würde, müsste der Brennstoff in den Heizkesseln nach Möglichkeit durch Heizöl oder Flüssiggas ersetzt werden, die Anlage verlangsamt oder sogar ganz stillgelegt werden.
Doch solche kurzfristigen Umstellungen sind laut der Sprecherin wegen der fehlenden technischen Infrastruktur «zumeist nicht realisierbar». Denn die weniger nachhaltigen Öl- und Kohledampfkessel wurden in den letzten Jahren sukzessive durch Gas ersetzt.
In ganz anderen Dimensionen bewegt sich der Branchenprimus Nestlé, der im Jahr 2020 gemäss einem Sprecher weltweit rund 11,5 Millionen Megawattstunden Gas verbraucht hat. Dieses werde primär zur Erzeugung von Dampf und Wärme und zu einem gewissen Anteil auch für die Stromerzeugung genutzt.
Doch im Falle eines Ausfalls sei man gewappnet, erklärt der Sprecher. «Es bestehen Notfallpläne, um Lieferengpässe zu überwinden. Das gilt auch für Deutschland, wo wir 11 Werke haben.»
Politische Anstösse
Nebst der Entwicklung von Notfallplänen und Szenarien setzt Emmi auch auf die politische Arbeit. Man habe eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, zu deren Zielen es gehöre zu klären, ob wichtige Akteure der Lebensmittelbranche im Falle eines Engpasses in Europa einen vorrangigen Zugang zu Gas erhalten könnten, sagte der Sprecher.
Der Verband Fial plädiert dafür, dass der Lebensmittelsektor bei der Energieversorgung Vorrang haben sollte. Wenn es darum geht zu entscheiden, ob man Unterschiede machen sollte, jenachdem welche Produkte mehr oder weniger essenziell sind, hält sich Verbandschef Hirt jedoch zurück.
«Wichtig ist, dass die Regale der Detailhändler gut gefüllt sind», so Hirt. So verhindert man den negativen psychologischen Effekt auf das Einkaufsverhalten – also das Hamstern von Waren, das zu Knappheit führen kann, wo es gar nicht nötig wäre. Das hat die Bevölkerung etwa am Beispiel von WC-Papier während der Coronapandemie erlebt. (awp/sda)
Strommangellage
Wie Hoteliers im Ausland mit Stromlücken umgehen


Die Energiesituation in der Schweiz ist angespannt. Der Branche drohen im kommenden Winter deshalb Stromausfälle. Ein Blick nach Südafrika: Franz Kunz und seiner Partnerin Brigitta Schmidlin gehört das Gästehaus 4-Heaven. Es befindet sich in Somerset West, in einer gepflegten Wohnsiedlung nur zehn Minuten vom südatlantischen Strand entfernt. Regelmässig fällt bei ihnen der Strom während des Frühstücksservices aus. Doch daran haben sich die Luzerner längst gewöhnt.
Hauptstromlieferant ist der staatliche Energiekonzern Eskom, der es in den vergangenen Jahrzehnten versäumt hat, nötige Wartungs- und Investitionsarbeiten auszuführen. Die Bevölkerung und die Firmen haben sich mit der unbefriedigenden Situation arrangiert. Restaurants verfügen oftmals über ein duales Kochsystem: Strom und Gas. Oder sie sind ganz auf Gas umgestiegen. Deshalb ist das Angebot auf der Speisekarte auch während stromfreien Perioden fast lückenlos. Kerzen dienen als Lichtquellen. Franz Kunz weiss, dass Schweizer Gäste diese Stimmung in den südafrikanischen Restaurants schätzen. «Unsere Gäste finden das Candle-Light-Dinner romantisch.» Sie bekämen nicht mit, dass die Stromausfälle einen Mehraufwand für die Restaurantbetreiber bedeuteten.[IMG 2]
Individuelle Stromversorgung
Wegen der Stromprobleme lebt das Gastgeberpaar Schmidlin-Kunz möglichst autonom. Eine Fotovoltaikanlage speist den 16-kWh-Stromspeicher. Damit überbrückt das Paar die Zeit, wenn der Strom ausbleibt. Oft von 8 bis 10.30 Uhr, was mit Morgentoilette und Frühstück der Gäste zusammenfällt. Franz Kunz: «Unsere maximal zwölf Gäste duschen in dieser Zeit, föhnen ihre Haare, trinken Kaffee und essen Frühstückseier.» Boiler, Föhn, Kaffeemaschine und Kochherd sind alles grosse Stromverbraucher. Die Elektrizität aus dem Speicher reicht dann nicht für alles, weshalb Brigitte Schmidlin die Frühstückseier auf dem privaten Gasherd kocht.
Danach wird der Strom lange genug eingeschaltet, um die Kühlketten zu garantieren.
Über die Stromausfälle informiert die App des Energiekonzerns Eskom jeweils ein paar Tage im Voraus. Je nach Jahreszeit und Stromverbrauch gibt es ein bis sechs Stromunterbrüche von jeweils zweieinhalb Stunden pro Tag. «Danach wird der Strom lange genug eingeschaltet, um die Kühlketten zu garantieren», sagt Kunz. Der südafrikanische Winter ist vorbei, die Lage wird sich erfahrungsgemäss im Frühjahr etwas entspannen.
Gäste merken fast nichts
In Kosovo ist die Stromversorgungslage noch angespannter als in Südafrika. Das Land mit
1,7 Millionen Einwohnern kauft gemäss Reuters bis zu 40 Prozent des Strombedarfes im Ausland ein, durch eine Energiekooperation mit Albanien. Da sich Kosovo aufgrund der aktuellen Strompreisexplosion die Importe nicht mehr leisten kann, kommt es zur Unterdeckung. Stromausfälle ist man sich gewohnt, die Lage spitzt sich allerdings zu: Dreimal täglich fällt der Strom für zwei Stunden aus, auch im Hotel Gracanica in Pristina, das dem Zürcher Andreas Wormser gehört. Er achtete beim Hotelneubau vor zehn Jahren darauf, dass die Stromversorgung losgelöst vom Netz garantiert ist. Ein mit Diesel betriebener Generator mit einer Leistung von 86 kW springt wenige Sekunden nach einem Stromausfall automatisch an. Die maximal 30 Gäste des 3-Sterne-Hotels merken deshalb vom kurzen Stromunterbruch fast nichts.[IMG 3]
Der Wechsel vom Stromnetz zum Strom aus dem Generator ist jedoch für die IT heikel. Daten auf Computern und Server könnten bei einem plötzlichen Stromunterbruch verloren gehen. Deshalb versorgt eine Batterie die Anlage in der Strompause. In Kosovo gibt es wenig Solaranlagen. Hierzu fehlten bisher politische Beschlüsse. Erst vor wenigen Jahren hat das Energy Regulatory Office (ERO) die Einspeisevergütungsverordnung verabschiedet. Das Hotel Gracanica plante dieses Jahr eine Fotovoltaikanlage, die nun ans Stromnetz angeschlossen ist.
[IMG 4]Strom wird dreimal teurer
Das Betreiben des Hotels wird indes immer aufwendiger und kostspieliger. Weil Fachkräfte fehlten, sei der Unterhalt des Generators mühsam. Letzthin habe er mehrmals grundlos abgestellt. «Glücklicherweise konnten wir ihn manuell wieder in Betrieb nehmen», sagt Andreas Wormser. Auf einen Monteur, der die Anlage prüft, wartet der Hotelier bis heute. Sollte der Generator einmal ganz ausfallen, gebe es keinen Plan B. Da die Stromunterbrüche oft von den angekündigten Zeiten abwichen, könne man sich auch nicht vorbereiten: «Von den fünf Benachrichtigungen der letzten drei Tage traf eine erst eine Stunde nach Stromausfall ein.»
Sorgen bereiten dem Gastgeber die steigenden Stromkosten. Er rechnet im kommenden Winter mit einer Verdreifachung. Zum Vergleich: In der Schweiz steigen die Preise durchschnittlich um 27 Prozent.
Spartipps von Praktikern
Raumtemperatur senken
Die Raumtemperatur kann in vielen Gäste- und Arbeitsräumen sowie auf den Korridoren gesenkt werden. Zudem lohnt es sich, die Heizung über Nacht runterzufahren. Hotels mit Radiatoren sollten diese im Herbst entlüften.
Mitarbeitende einschwören
Den Mitarbeitenden aufzeigen, wie sie Strom sparen können, etwa Geräte nach Gebrauch ganz ausschalten und Kühlmöbel oder -räume enteisen und sofort nach Gebrauch schliessen. Informieren, was es heisst, wenn der Bund Anwendungen einschränkt oder verbietet.
Warmwasser sparen
Den Siebeinsatz beim Wasserhahn durch einen sparsamen Strahlregler ersetzen. In den Badezimmern Hinweisschilder aufstellen mit der Bitte an die Gäste, beim Rasieren das Wasser abzustellen oder nur kurz zu duschen.
Bei sonnigem Wetter waschen
Solaranlagen möglichst rasch vom Neuschnee befreien. Dann waschen, wenn die Anlage viel Strom liefert.
Energiekrise
Der Tourismus unterstützt die Energiesparkampagne
Der Bundesrat hat am Mittwoch eine Sparkampagne im Hinblick auf einen befürchteten Energiemangel im Winter gestartet. Mit einfachen Tipps will er Bevölkerung und Unternehmen zum freiwilligen Energiesparen bringen.
Die Kampagne führt der Bund zusammen mit Kantonen und Wirtschaft durch, wie die Landesregierung mitteilte. Über 40 Partner machen mit. Ziel ist es, dass so viele Privathaushalte und Firmen die Massnahmen freiwillig umsetzen, dass es gar nicht erst zu einem Energiemangel kommt.
HotellerieSuisse und STV schliessen sich der «Energiespar-Allianz» an
Die Kampagne hat der Bund mit den Partnern aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand erarbeitet. Die 40 beteiligten Akteure schliessen sich im weiteren zu einer «Energiespar-Allianz»
zusammen. Diese soll im Lauf des Winters immer breiter werden. Zu den Grüdnungsmitgliederen dieser Allianz gehören wichtige Akteure der Tourismusbranche wie HotellerieSuisse, der Schweizer Tourismusverband (STV) und Gastrosuisse.
Damit die Wintersaison wie geplant stattfinden könne, müssten jetzt alle am gleichen Strick ziehen, hielt HotellerieSuisse fest. «Verbote hingegen gefährden den Hotelbetrieb und wecken unnötige und ungute Erinnerungen an die Coronakrise», sagt Andreas Züllig, Präsident von HotellerieSuisse, in der Mitteilung vom Mittwoch. Man erarbeite nun zusätzliche branchenspezifische Massnahmen, so der Hotelverband. 64 Prozent der Gastrobetriebe sind in Sorge wegen einer möglichen Energieknappheit, wie eine aktuelle Umfrage von Gastrosuisse zeigt.
Die Mitglieder der Allianz tragen Tipps und Tricks in die Praxis hinaus, unterstützen ihre Verbandsmitglieder beim Energiesparen und fördern den Erfahrungsaustausch, wie an der Medienmitteilung gesagt wurde.
Die Kampagne ergänzt die vom Bundesrat getroffenen Massnahmen, wie dieser schrieb. Dazu gehören etwa zusätzliche Reserven bei Gas und Strom. Zudem legte die Landesregierung für das Winterhalbjahr beim Gas ein freiwilliges Sparziel von 15 Prozent fest.
«Energie ist knapp. Verschwenden wir sie nicht», lautet das Motto der Sparkampagne, die bis im April 2023 laufen wird. Die Spartipps sollen einfache Methoden aufzeigen, wie sich der Energieverbrauch vermindern lässt.
Weniger Heizen, kühler Duschen
Darunter fallen das Absenken der Heiztemperatur, geringerer Warmwasserverbrauch, das Abschalten elektrischer Geräte oder der Beleuchtung oder das energiesparende Kochen und Backen. Die Kampagne visualisiert die Tipps mit Wärmebildern, die zeigen, wie rasch Energie verpuffen kann.
Die meisten Empfehlungen dürften bekannt sein, hiess es weiter. Die Kampagne soll sie wieder in Erinnerung rufen. Zugänglich sein werden die Informationen im Internet, auf Plakaten, in Inseraten und auf den Social-Media-Kanälen des Bundes. Die Partnerorganisationen nutzen die eigenen Kanäle.
Die Kampagne ist Teil der Winter-Energiespar-Initiative der beiden Eidgenössischen Departemente für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) sowie für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF).
Alle Informationen zur Kampagne gibt es unter www.nicht-verschwenden.ch.(sda/stü)
[DOSSIER]
Energie
Strommangel befeuert weiteren Ausbau der Sonnenenergie
Laut der Mitte Juli publizierten Statistik Sonnenenergie des BFE ist der Photovoltaik-Zubau in der Schweiz 2021 um 43 Prozent auf 683 Megawatt gestiegen. In diesem Jahr rechnet das Bundesamt in der Sonnenenergie mit einem Zubau von 900 bis 1000 Megawatt, wie es auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA hiess. Das entspreche einem Marktwachstum von rund 50 Prozent.
Solarenergie boomt
Das BFE erwartet laut Angaben einer Sprecherin derzeit für 2022 eine Produktion von über 1000 Kilowattstunden (kWh) pro Kilowatt
(kW) installierter Leistung. 2021 waren es noch 895 gewesen. Das langjährige Mittel betrug rund 960 kWh.
Im Gesamtjahr 2021 lag der Anteil der Solarstromproduktion am einheimischen Stromverbrauch witterungsbedingt noch bei knapp sechs Prozent. Laut Angaben des Branchenverbandes Swissolar lieferten in der ersten Hälfte des Jahres 2022 Sonnenenergieanlagen 6,5 Prozent des benötigten Stroms in der Schweiz.
Das BFE bestätigt auf Anfrage diese Einschätzung und erwartet im laufenden Jahr ebenfalls einen leichten Anstieg. Bei einer Produktion von 960 kWh pro kW installierter Leistung könnten mit dem aktuellen Zubau jedes Jahr mehr als ein Prozent des Schweizer Stromverbrauchs zusätzlich gedeckt werden.
Neue Einmalvergütung ab 2023
Mit verschiedenen neuen Massnahmen, die explizit den Ausbau der Sonnenenergie fördern sollen, will die Politik einem drohenden Strommangel insbesondere im Winter begegnen. Auf den 1. Oktober wird eine Nationalstrassenverordnung dergestalt angepasst, dass Private künftig Lärmschutzwände oder Rastplätze entlang von Nationalstrassen gratis für die Installation von Solaranlagen nutzen können. Voraussichtlich Ende 2022 wird der Bund ein Bewerbungsverfahren durchführen, bei dem entsprechende Flächen reserviert werden können.
Mit einer neuen Einmalvergütung für Solaranlagen ohne Eigenverbrauch soll ab Januar 2023 die Photovoltaik in der Schweiz zusätzlich gefördert. Diese einmalige Vergütung soll bis zu 60 Prozent der Investitionskosten betragen, statt wie bisher 30 Prozent. Sie wird laut BFE ab 150 kW Leistung per Auktion vergeben.
Vorwärts machen beim Ausbau der Solarenergie will auch die Umweltkommission des Ständerats. Sie hat am Montag einstimmig beschlossen, dass bei Neubauten ab 2024 Solaranlagen Pflicht werden. Geeignete Oberflächen von Infrastrukturanlagen des Bundes sollen zudem bestmöglich zur Nutzung von Sonnenenergie verwendet werden. Diese Anträge sollen noch in der Herbstsession 2022 vom Ständerat behandelt werden. (sda/bb)
Energie
Umweltkommission will Pflicht für Solaranlagen bei Neubauten

Angesichts der gravierenden Konsequenzen von Strommangel oder eines Versorgungsunterbruches müsse die Stromproduktion dringend weiter erhöht werden, teilte die Umweltkommission des Ständerats (Urek-S) am Montag mit. Diese zusätzliche Produktion soll auf erneuerbaren Energien beruhen und klimaneutral sein. Insbesondere die Winterstromproduktion müsse aus erneuerbaren Energien bestehen.
Deshalb habe die Kommission an ihrer Sitzung vom Freitag einstimmig beschlossen, eine rechtliche Grundlage für die schnelle Realisierung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen zu schaffen. Dies betreffe Anlagen mit einem hohen Anteil von Winterstromproduktion, wie sie insbesondere im alpinen Gelände denkbar seien.
Für solche Anlagen mit einer jährlichen Produktion von über 20 Gigawattstunden (GWh) soll von Gesetzes wegen gelten, dass ihr Bedarf ausgewiesen ist, sie standortgebunden sind und für sie keine Planungs- und Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht gilt. Zudem soll das Interesse an ihrer Realisierung anderen Interessen von nationaler und kantonaler Bedeutung vorgehen. Vorausgesetzt wird laut Mitteilung die Zustimmung der Grundeigentümer und Standortgemeinden. Der Bund fördere diese Anlagen zudem mit einem Investitionsbeitrag.
Solaranlagen auf Neubauten sollen ab 2024 Pflicht werden
Ab dem 1. Januar 2024 sollen zudem alle Neubauten verpflichtend mit einer Solaranlage ausgestattet werden, wie die Urek-S weiter mitteilte. Baugesuche, die vor diesem Datum eingereicht werden, seien von dieser Pflicht nicht betroffen.
Im weiteren entschied die Kommission einstimmig, dass die geeigneten Oberflächen von Infrastrukturanlagen des Bundes bestmöglich zur Nutzung von Sonnenenergie verwendet werden sollen.
Diese Anträge sollen noch in der Herbstsession 2022 vom Ständerat behandelt werden. Eine dringliche Beratung soll sicherstellen, dass auch der Nationalrat und seine Energiekommission die Vorlage noch in der Herbstsession behandeln können. In der Form eines dringlichen Bundesgesetzes könnten die Bestimmungen dann kurzfristig in Kraft gesetzt werden. (sda/bb)
Energiesparziel
Strom sparen: «nichts Neues», aber auch wirtschaftlich
«Letztlich wissen wir alle, wie man weniger Energie verschwendet», sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch. «Nicht so lange duschen oder die Geschirrspülmaschinen vollständig einfüllen, zum Beispiel.»
Mit Polster Mangel verhindern
«Erwarten sie nicht, dass wir etwas völlig Neues erfunden haben», sagte Sommaruga hinsichtlich der Kampagne, die zum Energiesparen motivieren und demnächst präsentiert werden soll. «Aber es ist gut, wenn wir uns jetzt daran erinnern», sagte sie vor den Medien in Bern. Und ergänzte: «Man kann wirklich auch Geld sparen, weil die Energiepreise gestiegen sind.»
Es gehe jetzt darum, ein Polster zu schaffen, damit es nicht zur Mangellage komme, sagte sie - wie bereits zuvor an der Medienkonferenz Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Die Garantie, ob überhaupt eine Mangellage eintreten wird, «können wir nicht geben», sagte Sommaruga.
In erster Linie zielen die Massnahmen auf Freiwilligkeit. Ob es finanzielle Unterstützung für Unternehmen gebe, die wegen reduzierten Stromverbrauchs weniger Ware produzieren könnten, sei am Mittwoch noch nicht besprochen worden, sagte Parmelin. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe beobachte die Situation laufend.
Schweiz soll aus Solidarität Gas sparen
Sommaruga äusserte sich ausserdem zum noch offenen Solidaritätsabkommen mit Deutschland. Der Entscheid, dass sich die Schweiz ein Sparziel von 15 Prozent gesetzt habe, werde auch in Europa als solidarischer Akt wahrgenommen, sagte Sommaruga. Man könne es nicht erzwingen, sagte Sommaruga, «aber wir wollen das Abkommen.»
Sommaruga wies aber daraufhin, dass ein solches Abkommen erst zum Zug komme, wenn alles zurückgefahren sei und konkret erst wenn die Kontingentierungsmassnahmen - also der schärfste Schritt des Massnahmenplans des Bundesrats - ergriffen worden seien. (sda)
Energie-Mangellage
Das droht im Ernstfall
Sollten Strom oder Gas diesen Winter derart knapp werden, dass das Angebot die Nachfrage nicht mehr deckt und auch der Markt für kein Gleichgewicht mehr sorgt, wären wir in einer Mangellage. Und dann? Dann gibt der Bundesrat mit teils drastischen Massnahmen Gegensteuer. Obwohl die Details dazu noch nicht bekannt sind, kennen wir bereits einige Eckwerte.
Bei einer Strom- oder Gasmangellage eskalieren die Eingriffe über mehrere Stufen und immer strengere Massnahmen. In einem ersten Schritt setzen die Behörden auf freiwilliges Energiesparen. Am Mittwoch hat der Bundesrat bekannt gegeben, dass er den Gasverbrauch so um 15 Prozent reduzieren möchte. Eine entsprechende Kampagne startet demnächst. Reicht das nicht, um die Mangellage zu beheben, verhängt die Regierung Zwangsmassnahmen.
Kontingente für Grosskunden
Beim Strom werden dann zuerst nicht zwingend benötigte Anwendungen eingeschränkt oder verboten. Betroffen sind vermutlich zuerst Anwendungen wie Leuchtreklamen und Rolltreppen – später auch Bereiche wie Saunen und Skilifte. «Die konkrete Liste aller verbotenen Anwendungen von Strom ist abhängig vom Grad der Unterversorgung und wird bei der Inkraftsetzung der Massnahme durch den Bund kommuniziert», hält das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung auf seiner Website fest.
«Das gibt Chaos.»
Lukas Küng, Chef der Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (Ostral)
Der nächste Eskalationsschritt sind Kontingentierungen. Diese betreffen rund 33 000 Grossverbraucher mit einem Jahresverbrauch ab 100 000 kWh – also auch zahlreiche touristische Betriebe. Bei einer Kontingentierung wird den Unternehmen zwar vorgeschrieben, wie viel Strom sie insgesamt einsparen müssen. Wo sie wann wie viel Strom sparen, legen sie aber selbst fest. So soll die Beeinträchtigung des Betriebs möglichst minimiert werden. Lukas Küng, Chef der Ostral, der Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen, rechnet damit, dass es bei dieser Massnahme im Normalfall etwa zwei Wochen Vorlauf geben würde, wie er kürzlich in einem Webinar von Economiesuisse sagte.
Die finale Eskalationsstufe sind Netzabschaltungen. Netzabschnitte werden je nach Grad der Unterversorgung jeweils für 4 Stunden aus- und dann für 8 Stunden eingeschaltet, oder im Extremfall für 4 Stunden aus- und für nur 4 Stunden wieder eingeschaltet. Dann funktioniere keine Lieferkette mehr, warnte Küng. «Das gibt Chaos.»
Jetzt den Öltank auffüllen
Im Falle einer Gasmangellage müssen nach den Sparappellen sogenannte Zweistoffanlagen von Gas auf Öl umgestellt werden. Zweistoffanlagen sind zum Beispiel Heizungen, die sowohl mit Gas als auch mit Öl betrieben werden können. Michael Schmid vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie fordert Kunden mit solchen Anlagen auf, jetzt die Öltanks zu füllen, um auf einen Umschaltzwang vorbereitet zu sein.
Jüngst hat der Bundesrat als weiteren Schritt die Möglichkeit von Einschränkungen nicht zwingend benötigter Anwendungen ins Spiel gebracht. Betroffen sein könnten etwa Heizpilze auf Gastroterrassen oder das Beheizen einer Wellnessanlage. Und als letzte Stufe sieht er die Kontingentierung vor. Davon wären auch Hotels und Restaurants betroffen, die anders als Wohnheime derzeit als «ungeschützte Betriebe» eingestuft sind.
Strommangellage: Welche Fragen sich die Hoteliers stellen
Stefan Welschen vom 4-Stern-Hotel Ambassador in Brig VS würde sich gern mit einem Notstromaggregat absichern. «Wir haben bereits entsprechende Räumlichkeiten eingerichtet», sagt der Hoteldirektor. 50'000 bis 60'000 Franken würde die Anschaffung kosten, ein gewisser Lärmpegel wäre in Kauf zu nehmen – bloss, bis im Winter wird das nicht klappen. Derzeit beträgt die Lieferfrist für ein Notstromaggregat 35 Wochen, hat Welschen vom Hersteller erfahren.
Kommt es in der anstehenden Wintersaison tatsächlich zu einem zeitweiligen Stromausfall, wird der Hotelier somit andere Lösungen finden müssen. Für ihn stellen sich dabei viele Fragen. Beispiel automatische Schiebetür am Hauseingang zur Lobby: Wenn diese nachts während Stunden offen stünde, müsste wohl dann die Réception besetzt sein. Oder er müsste Sicherheitspersonal anstellen. Und es stellen sich auch rechtliche Fragen. «Wenn mir ein Reiseanbieter eine Gruppe bringen will, ich aber den Vertrag nicht einhalten kann, wird er nicht zahlen. Wer ist verantwortlich, wenn mir der Staat den Saft abstellt?»
Hotels müssten bestimmten Prozentsatz einsparen
Der mögliche Stromengpass im kommenden Winterhalbjahr beschäftigt zurzeit die Hotellerie. Noch ist aber kaum abschätzbar, ob und wann sich eine Strommangellage ergeben wird. Immerhin ist klar, wie der Bund auf eine solche Situation reagieren will. Die Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen (Ostral) der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes legt das Vorgehen in einer Broschüre dar.Bis es zur Abschaltung des Stroms käme, würden zunächst eine Reihe von Sparmassnahmen angeregt beziehungsweise verordnet werden (siehe «Mehr zum Thema - Das droht im Ernstfall»). Beispiel «Ambassador» in Brig: Als kleineres Hotel verbraucht es derzeit rund 200'000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Damit gilt es nach Definition der Ostral als Grossverbraucher. Im Rahmen der Eskalationsstufen zur Abwendung einer Strommangellage könnte der Bund somit das Hotel dazu verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz des Stromverbrauchs einzusparen.[RELATED]
Noch weiss Welschen nicht, wie er beispielsweise zehn Prozent des bisherigen Strombedarfs einsparen würde. «Es hängt von der Gästefrequenz ab, übers Jahr haben wir eine Auslastung von 78 Prozent.» Bei laufendem Betrieb würde sich der Verbrauch nur begrenzt drosseln lassen. Denn wie spart man Strom, wenn der Betrieb bereits energetisch effizient ist? Welschen hat seinen Betrieb mit Blick auf die Stromrechnung optimiert, schliesslich habe sich der Strompreis mit dem Anstieg von 8 auf 32 Rappen pro Kilowattstunde vervierfacht.
Beispielsweise habe er die erst zehnjährige Küche durch eine neue Küche mit Induktionsherd ersetzen lassen, ihm sei eine Stromersparnis von 30 Prozent vorgerechnet worden.
Welschen wünscht sich eine klarere Kommunikation seitens des Bundesrates – insbesondere auch in Bezug auf die Sicherheit im Fall der höchsten Eskalationsstufe: des zeitweiligen Stromunterbruchs. «Als Gastgeber haben wir eine gewisse Verantwortung. Für uns ist es absolutes Neuland. Wir wissen nicht, was es heisst, wenn während vier Stunden der Strom ausfällt und weder Brandmelder noch Notruf funktionieren.»[DOSSIER]
«Worst Case» und «Super-GAU»
Für Christoph Schlatter, CEO der Laudinella Hotel Group, wäre bereits eine vom Bundesrat angeordnete Schliessung von Wellness- und Skianlagen ein Worst-Case-Szenario. «Wenn wir die Dienstleistung nicht aufrechterhalten könnten, hätten wir Mühe, die Preise zu rechtfertigen. Wenn die Gäste zum Schluss kämen, dass sie nicht Ferien machen wollten, wäre das eine bedrohliche Situation.»
In der Tat sei das Wellnessangebot sehr bedeutsam, sowohl für die Laudinella Hotel Group wie auch für die Hotellerie in Berggebieten insgesamt. Das habe sich auch in der Corona-Zeit gezeigt. Hotels mit hauseigenem Wellnessangebot seien besser über die Runden gekommen. «Wenn man nicht alles verkaufen kann, hat man ein Handicap.»
Im Fall einer Kontingentierung sieht Schlatter es als realistisch an, dass die Betriebe der Laudinella Hotel Group zehn Prozent des Stromverbrauchs einsparen können. Bisher hatte die Hotelgruppe einen jährlichen Verbrauch von circa 1,361 Millionen Kilowattstunden Strom. Künftig soll sich dieser laut Schlatter bei 1,1 Millionen Kilowattstunden einpendeln.
Wenn schliesslich der Strom für einige Zeit gesamthaft versiegen würde, wäre das für Schlatters Betriebe «der Super-GAU». In den vergangenen Jahren sei die Digitalisierung gefördert und propagiert worden, und man habe diese vorangetrieben. «Nun sind wir komplett abhängig vom Strom», sagt Schlatter. Die Modems würden um 2.30 Uhr rebooten, die Kassen um 3 Uhr – in der digitalen Infrastruktur spiele sich somit rund um die Uhr etwas ab. «Wahrscheinlich wäre es möglich, alles umzuprogrammieren. Aber es würde Wochen dauern, das zu organisieren.» Um einen Stromausfall abzufedern, gebe es Notstromakkus, diese sorgten dafür, dass das System kontrolliert heruntergefahren werden könne. Dass der Strom für einige Stunden gänzlich wegfallen könnte, sei ein «scary Szenario», sagt Schlatter.
«Hotelbetrieb wird auch bei Stromausfall weiterlaufen»
Von einer möglichen Stromkontingentierung wären auch die Hotels der Hospitality & Gastro Services SA betroffen. Zum Unternehmen gehören vier Hotels und ein Restaurant in Lugano und Locarno TI. Das grösste Hotel der Gruppe verbraucht laut Besitzer Fernando Brunner allein schon rund 700'000 Kilowattstunden pro Jahr, die gesamte Gesellschaft mehr als eine Million Kilowattstunden.
Stromsparen ist für ihn auch aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Bisher habe man die Kilowattstunde noch für 6 Rappen erhalten, künftig liege der Preis bei 47 Rappen. Brunner geht davon aus, dass im nächsten Jahr der höhere Strompreis zu Mehrkosten von 400'000 Franken führen wird. Sparpotenzial sieht Brunner vor allem bei der Klimatisierung. Die Wintersaison sei für seine Betriebe ohnehin weniger bedeutend. Geheizt werde mit Heizöl.
Einen Stromausfall hätten schon seine Eltern erlebt, in deren Fussstapfen er als Hotelier getreten sei, sagt der 73-Jährige. Er geht davon aus, dass der Hotelbetrieb trotzdem aufrechterhalten werden könnte. Dass es überhaupt so weit kommt, befürchtet er nicht. «Ich bin zuversichtlich, dass der Strommangel nicht derart hoch ausfallen wird, dass ein Stromunterbruch nötig wird.»
«Keinen Handyempfang mehr nach drei Minuten»
Energie-Experte Daniel Schneiter von der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) hält eine Mangellage im kommenden Winterhalbjahr für möglich. «Früher war die Wahrscheinlichkeit sehr klein, doch nun besteht ein deutlich höheres Risiko.» Stromsparen hält er für richtig und wichtig. Nach seiner Einschätzung könnten aber von den Behörden koordinierte Sparmassnahmen oder gar Teilabschaltungen bei Stromgrossverbrauchern nötig werden. Er rät Hoteliers dringend, sich «in einer ruhigen Minute» vorzubereiten und einen konkreten Notfallplan für ihren Betrieb auszuarbeiten. Dies für den Fall, dass die Stromversorgung gebietsweise für einige Stunden ausgeschaltet werden muss oder durch einen Blackout praktisch die gesamte Infrastruktur ausfällt. Nach seiner Kenntnis könnten gewisse Mobilnetze bereits nach drei Minuten Stromunterbruch nicht mehr betrieben werden. «Ich hoffe nicht, dass diese Situation je eintritt. Doch Hoteliers sollten sich vorab Gedanken machen, wie die Kommunikation im Betrieb und mit den Gästen in einem solchen Fall möglich ist», sagt Schneiter. Unter anderem würden sich Zimmertüren mit Kartensystem nicht mehr bedienen lassen – ein Stromunterbruch würde nach seiner Einschätzung zu einem Chaos führen. «Gäste werden sich mit ihren Fragen ans Hotelpersonal wenden, wer kann, wird abreisen.» Hotels sollten sich Gedanken machen, welche Vorräte sie für den Notfall anlegen wollen.
Privat hat Schneiter einen Wasservorrat angelegt. Wie ihm die Gemeindewerke bestätigten, wäre von einem Stromausfall auch die Wasserversorgung betroffen, da die entsprechenden Pumpen Strom benötigen. Ein Notstromaggregat sieht er für einen Hotelbetrieb als eine mögliche Lösung zur Überbrückung. Aufgrund der hohen Nachfrage und entsprechender Lieferfristen sei es allerdings in den nächsten zwei Jahren wohl kaum möglich, eines zu erhalten.
So abhängig ist die Schweiz vom ausländischen Strom
Gemäss Statistik der letzten Jahre erreichten die Schweizer Stauseen jeweils etwa ab April ihren Speichertiefststand, ab Ende Mai füllten sich die Seen allmählich wieder. Während sie in früheren Jahren im Herbst zu 80 bis 90 Prozent gefüllt waren, könnte die Füllmenge diesen Herbst nur 70 Prozent erreichen. Lediglich einzelne Werke haben mit einem nahen See die Möglichkeit, praktisch unabhängig von den Niederschlägen jederzeit Wasser hochzupumpen.
Dabei könnte nach Einschätzung von Energie-Experte Daniel Schneiter von der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) ein Strommangel schon vor dem Frühjahr eintreten. Mit 41 Leitungen in ein europaweites Stromnetz (einschliesslich Türkei) eingebunden, sei die Schweiz hochgradig vom Ausland abhängig. «Wir haben es nicht im Griff, was in anderen Ländern passiert. Revisionen von zahlreichen Atomkraftwerken in Frankreich, Stilllegungen von AKW und Braunkohlekraftwerken in Deutschland und Gasknappheit seien nur einige Faktoren des Problems. Schneiter geht davon aus, dass die Schweiz mit den eigenen Atomkraftwerken über die Runden kommen wird, falls diese mit voller Leistung produzieren können. Doch wenn eines vom Netz gehen müsste, hätte die Schweiz ein Problem.
Die Schweizer Wasserkraft könne das gesamteuropäische Problem nicht lösen. «Wenn der Strom knapp wird, werden alle Länder für sich schauen.» Es werde dann für die Schweiz zunehmend schwierig, an der Börse Strom einzukaufen. Schwierig sei zudem aus der Perspektive der Versorgungssicherheit auch die aktuelle Marktsituation im Stromhandel: Elektrizitätswerke würden derzeit wegen der massiv gestiegenen Preise lieber den Strom verkaufen, als das Wasser in den Stauseen für eine künftige Notlage zu sparen.
Ende August lanciert das Bundesamt für Energie (BFE) eine Energiespar-Initiative für Unternehmen und Privatpersonen. Auf ein genaues Datum will sich das BFE auf Anfrage nicht festlegen. HotellerieSuisse hat zusammen mit rund 50 Verbänden und Branchenorganisationen Einsitz in einer Begleitgruppe dieser Initiative. Am Dienstag, 6.9. (14.30 Uhr), gibt HotellerieSuisse in einem Webinar Stromspartipps. ua
Energie
Neun Quick Wins gegen die Stromknappheit
Estmals seit den 1970er-Jahren befindet sich die Schweiz mitten in einer Energiekrise. Im schlimmsten Fall wird bereits im kommenden Winter der Strom kontingentiert. Spart die Branche freiwillig Strom, wird sie davon vielleicht ausgenommen. Entsprechende Verhandlungen sind im Gange.
Um die Sparziele von 10 bis 15 Prozent zu erreichen, haben Energie Schweiz und HotellerieSuisse ein einfaches Werkzeug, die sogenannten Quick Wins, entwickelt. Sie zeigen auf, wo Betriebe ihren Energieverbrauch unkompliziert und schnell senken können.
Die Sparziele erreicht man ganz ohne aufwendige Abklärungen, grosse Investitionen oder langwierige Prozesse. (htr/bb)
Interview
Andreas Züllig rechnet mit einer Mangellage
Ist den Hoteliers der Ernst der Lage bewusst?
Die drohende Energiemangellage ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Wir stehen vor einer angekündigten Krise, auf die wir reagieren können. Wir müssen uns Gedanken machen.
Schüren Sie mit Ihrer Aussage nicht Panik?
Panik wäre in einer solchen Situation kein guter Ratgeber. Experten wie Werner Luginbühl, Präsident der Eidgenössischen Elektrizitätskommission, raten dazu, sich mit Kerzen und Holz einzudecken, diese Aussagen müssen wir ernst nehmen. Wir bereiten uns unternehmerisch gesehen einfach seriös vor.
Was unternehmen Sie als Gastgeber vom Hotel Schweizerhof in der Lenzerheide konkret?
Wir beschaffen momentan Taschenlampen für die Hotelzimmer, damit sich die Gäste auch in der Nacht zurechtfinden werden. Da unsere Restaurants mit aufladbaren LED-Lichtern ausgestattet sind, sind wir dort gut vorbereitet. Trotzdem besorgen wir Kerzen. Wenn die Gäste abends noch zusammensitzen und der Strom bereits weg ist, verbreiten sie eine angenehme Stimmung.
Und in der Küche? Verpflegen Sie die Gäste jeden Tag mit Fondue, das man mit Brennpaste zubereiten kann?
Beispielsweise. Aber auch mit kalten Gerichten. Man muss sich einfach bewusst sein, dass Schneidemaschinen ohne Strom nicht funktionieren, deshalb wird eine gute Mise-en-place wichtig sein. Ich sehe auch Möglichkeiten für einfache Gerichte vom Holzkohlengrill, Braten oder Fisch. Wir werden kreativ sein und das Angebot einschränken müssen.
Ist das nicht etwas gar romantisch gedacht? Experten gehen davon aus, dass bei einem Stromunterbruch die Trinkwasserversorgung nicht mehr gewährleistet sein könnte.
Mit Romantik hat das nichts zu tun eher mit Pragmatismus. Wir müssen uns in unseren Betrieben mit den verschiedenen Szenarien auseinandersetzen und soweit dies möglich ist, vorbereiten und hoffen, dass keines wirklich eintritt. Verantwortungsvoll ist es, wenn wir überlegen, was ohne Strom nicht mehr funktioniert. Dazu gehört zum Beispiel auch das Trinkwasser. Auf der anderen Seite würde der Strom nicht tageweise, sondern stundenweise kontingentiert. Entsprechend schätze ich gewisse Einschränkungen als nicht so dramatisch ein, wie es im ersten Moment erscheint.
Was ist mit der Sicherheit der Gäste?
Sollte es zu Netzabschaltungen kommen, müssten wir aus Sicherheitsgründen regelmässige Kontrollgänge organisieren, weil Brandmeldeanlagen ausser Betrieb wären. Fragen stellen sich auch in vielen weiteren Bereichen. Welche Lösungen gibt es für elektrische Schliesssysteme? Welche Vorbereitungen braucht es für die IT, denn Server können nicht einfach ausgeschaltet werden. Wie können die Kühlketten eingehalten werden? Wie können Gäste ohne Lift barrierefrei in die Zimmer gelangen?
Nehmen wir den gesetzten Fall, dass es «bloss» zu Sparmassnahmen bei Wellnessanlagen kommt und sie deshalb abgeschaltet würden. Wie stark wären die Hotellerie betroffen?
Die Berghotellerie hätte in der Hauptsaison vermutlich einen Umsatzeinbruch von bis zu 50 Prozent. Die Stadthotellerie weniger, weil sie weniger Wellnesshotels hat.
Die Hälfte des Umsatzes würde einbrechen? Das ist wahnsinnig viel. Was macht Sie so sicher?
Wir können einen direkten Vergleich zum Corona-Jahr 2020 ziehen, als Hallenbäder, Wellnessanlagen und die Bergbahnen Mitte März geschlossen wurden. Von einem Tag auf den anderen hatten wir keine Gäste mehr. Vermutlich wird der Einbruch dieses Mal weniger ausgeprägt, weil keine gesundheitsrelevanten Gefahren mitspielen. Langlauf oder Winterwandern wird ja weiterhin möglich sein, aber der Rückgang der Gäste wäre bedeutend.
Auch über Weihnachten und Neujahr?
Ja, bestimmt. In der Hochsaison kosten die Zimmer am meisten. Wenn Hallenbad, Wellness und Skifahren wegfallen, werden die Gäste nicht mehr bereit sein, diese Preise zu bezahlen. Viele werden sich sagen, wenn wir mit den Kindern nicht ins Hallenbad können, verschieben wir die Ferien.
Würden Sie in diesem Fall die Preise senken?
Wenn Angebote im Hotel selbst gestrichen würden, auf jeden Fall.
Wie weit betrifft die Energiekrise die Stadthotellerie?
Die Stadthotellerie ist stärker von der Gasversorgung abhängig als die Berghotellerie und könnte durch verschiedene Einschränkungen beispielsweise der Heiztemperatur betroffen sein. Auch wenn der Strom kontingentiert würde, müsste das Speiseangebot zeitlich eingeschränkt werden.
Können Sie politisch vom «Corona-Netzwerk» profitieren?
Wir sind seit mehreren Wochen im engen Austausch mit den Ämtern. Und ja, wir profitieren vom Netzwerk, das wir während der Pandemie aufgebaut haben. Aber auch von der hohen Glaubwürdigkeit der Branche, weil wir bewiesen haben, dass wir unsere Versprechen einlösen.
Was unternimmt der Verband HotellerieSuisse gegen die Energiemangellage?
Wir stehen mit dem Bund seit mehreren Wochen im Austausch und haben ihm vorgeschlagen, dass sich die Branche verpflichtet, freiwillig ungefähr 10 Prozent Strom einzusparen, wenn sie dafür von den Massnahmen ausgeschlossen wird.
Wie wollen Sie das erreichen?
Mit vielen Quick Win-Massnahmen: Saunabetriebszeit zeitlich begrenzen, Beleuchtung auf LED umrüsten und die Boiler auf 50 statt 55 bis 60 Grad Celsius heizen. Das sind nur kleine Beispiele aus einem ganzen Massnahmepaket. Die Sensibilisierung der Betriebe wird Ende August über den Dachverband sowie die Regionalverbände lanciert.
Gastkommentar
Jetzt handeln, um einen Strommangel zu verhindern
Dem Tourismus steht energietechnisch ein schwieriger Winter bevor. Mit dem Ukraine-Krieg versiegt die Gaspipeline von Russland nach Westeuropa allmählich. 60 Prozent der französischen Atomkraftwerke sind aufgrund von Wartungsarbeiten und Korrosionsproblemen nicht am Netz. In der Schweiz sorgt das wenige Wasser für tiefe Füllstände in den Speicherseen. Damit müssen wir uns auf eine mögliche Strommangellage im Winter vorbereiten.
Die ganze Wirtschaft ist jetzt gefordert, Energie einzusparen.
Claude Meier, Direktor HotellerieSuisse
Die Beherbergungsbranche ist sich den damit verbundenen Herausforderungen bewusst. Im Winter werden die Betriebe erneut gefordert sein. Wenn die Aufrufe, freiwillig Strom zu sparen, nicht fruchten, könnten Behörden die Nutzung gewisser Anlagen und Geräte einschränken oder gar verbieten. Die weiteren Massnahmen – eine Kontingentierung oder gar Netzabschaltungen – können als Super-GAU für die Schweiz gesehen werden. Mit ihren gebäudelastigen Dienstleistungen wäre die Hotellerie davon stark betroffen. Jede Einschränkung der Betriebstätigkeit in einem Tourismussektor hat unweigerlich Auswirkungen auf die anderen Sektoren. Sollte zum Beispiel die Aktivität von Skiliften eingeschränkt werden, wird sich dies negativ auf Hotelbuchungen und Angebote wie Restauration und Wellness auswirken. Es ist daher äusserst wichtig, dass die beschlossenen Massnahmen die krisengezeichnete Branche nicht weiter schwächen. Die ganze Wirtschaft ist jetzt gefordert, Energie einzusparen.
Damit es gar nicht erst zu einer Strommangellage kommt, müssen alle am gleichen Strick ziehen. Wer jetzt Strom spart und Energie effizienter nutzt, spart damit gleichzeitig Kosten und schont die Umwelt.
HotellerieSuisse ruft Hoteliers und Hotelièren dazu auf, in den nächsten Wochen das Sparpotenzial in ihren Betrieben zu identifizieren und einen Massnahmenplan zu erarbeiten. In unserem digitalen Nachhaltigkeitshotel halten wir wertvolle Handlungsansätze und Kontakte bereit, um alle bei diesem Vorhaben zu unterstützen, sodass jeder und jede noch heute loslegen kann. Ein Beispiel ist die Beleuchtung: Leuchtreklamen, Werbebanner, Schaufenster et cetera leuchten teilweise auch in der späten Nacht. Das erhöht den Stromverbrauch und steigert die Lichtverschmutzung. Mit einer Zeitschaltuhr oder Tageslichtsensoren lässt sich die Beleuchtung optimal steuern und dabei nicht nur Strom, sondern auch Geld sparen.
HotellerieSuisse steht im engen Austausch mit Behörden, Politik und Wirtschaftsdachverbänden, um unserer Branche das nötige Gehör in Anbetracht der drohenden Energiemangellage zu verschaffen.
Claude Meier ist Direktor von HotellerieSuisse