Im Luzerner Restaurant Mill’Feuille können Tiefkühler und Kühlschränke seit Dezember 2020 mehr als nur Lebensmittel vor dem Verderben bewahren: Sie liefern auch Daten. Das liegt an den Sensoren, die in den Geräten angebracht sind und die zwei Werte messen; nämlich Temperatur und Feuchtigkeit. Diese Technologie nennt sich Internet of Things, kurz IoT, und vernetzt physische und virtuelle Objekte, um Geräte und Apparaturen zu steuern.

Betriebsleiterin Alexandra Wüst hatte während des zweiten Lockdowns beschlossen, diese Technologie einzuführen. So fiel das tägliche Kontrollieren der Kühlgeräte weg. Auch jetzt, im laufenden Betrieb, erweisen sich die Sensoren als praktische Hilfe. Besonders nachts, wenn niemand im Haus ist, geben sie Sicherheit. «Würden die Geräte ausfallen, könnte ich rechtzeitig reagieren und bis zur Öffnung Massnahmen einleiten.

Die Daten lassen sich auch von zu Hause aus über die Webplattform verfolgen.
Alexandra Wüst, Betriebsleiterin im Restaurant Mill’Feuille in Luzern

Ausserdem liessen sich Lebensmittel rechtzeitig in andere Kühlgeräte umlagern, bevor sie Schaden nehmen würden.» Die Sensoren der Geräte schicken alle zehn Minuten Messdaten per Drahtlosübertragungstechnik an die IoT-Webplattform von Copebit, dem Schweizer Technikpartner des Restaurants. Das Management der Software bezeichnet Wüst als unkompliziert: «Die Daten lassen sich auch von zu Hause aus über die Webplattform verfolgen. Bei Problemen bekomme ich eine Alarm-SMS oder eine E-Mail zugesendet.»

Die Technologie Internet of Things (IoT) – zu Deutsch Internet der Dinge – vernetzt Geräte oder Maschinen aus Alltag, Gewerbe und Industrie mittels Sensoren mit dem Internet. Der amerikanische Technikpionier Kevin Ashton gilt als Urheber des in den 1990er-Jahren aufgekommenen Begriffs. Doch bereits 20 Jahre davor sorgte ein intelligenter Cola-Automat für Furore. bbe

Die Schwellenwerte hat Wüst selbst festgelegt. Was sie dabei gut findet: Das System lässt sich so einstellen, dass es erst nach der dritten Messung, die über den Schwellenwerten liegt, den Alarm auslöst. Die Überwachung via IoT erhöht die Lebensmittelsicherheit, aber es gibt noch einen weiteren Vorteil: Die Temperaturmesswerte sind lückenlos digitalisiert, sodass manuelle Kontrollen wegfallen. Stattdessen gibt es monatlich einen automatisierten Report. Die frühzeitige Erkennung von technischen Anomalien werde der Branche künftig massive Erleichterungen bringen, vermutet Wüst.

Schon jetzt führe die Automatisierung dazu, dass sich die Mitarbeitenden stärker aufs Kerngeschäft konzentrieren könnten. Worauf es bei der Installation ankommt, erklärt Dario Duff, IoT-Engineer der Firma Copebit: «Die Sensoren müssen am richtigen Ort sein. Sie sollen im täglichen Betrieb nicht stören und dennoch zuverlässige Daten liefern. Daher dürfen sie nicht in der Nähe von Temperatur beeinflussenden Quellen wie Türen, Kühlsystemen oder Lüftung platziert werden.»

Regelmässiges Softwareupdate und eine gute Einstellung der Systeme
Patrick Becker, Head of Guests, Marketing and Communications, Design and Facility Management bei Hiltl, achtet auf regelmässige Softwareupdates und eine gute Einstellung der Systeme. «Bei Kühlanlagen können bereits ein, zwei Grad entscheidend sein.» Er hat Erfahrung damit, denn in allen Hiltl-Betrieben sind die Kälteanlagen mit IoT-Technik ausgestattet, sodass bei «kritischem Temperaturanstieg» der Alarm angeht. Auch Kassen, Beleuchtung, Markisen und Musikanlagen haben Internetverbindung. So können sie via IoT-System aktiviert und gesteuert werden. Das garantiere einen flüssigen Service und helfe, eine umfassend stimmige Atmosphäre zu schaffen.

Was bei Hiltl noch ansteht, ist die Zusammenlegung der Systeme. Momentan gibt es für alle eine separate IoT-Lösung. «Die grosse Herausforderung besteht darin, aus den vielen Insellösungen eine ganzheitliche Lösung zu formen. Diese wäre noch viel effizienter.» Becker rechnet damit, dass sich das Thema IoT weiterentwickelt. Die «Intelligenz» solcher Systeme – will heissen, dass sie eigenständig bestimmte Situationen analysieren und dann Entscheidungen treffen können –hält er für eine spannende Sache. «Damit könnten wir viel schneller reagieren, eventuell auch ohne dass eine spezialisierte Person zuständig ist.»

Die grösste Herausforderung liegt im Wissenstransfer
In den Tibits-Betrieben sind neuerdings die Geschirrspülmaschinen online. Mit der Technik der Firma Winterhalter lässt sich rund um die Uhr der aktuelle Betriebsstatus einsehen. «Bei einer Störung ist gleich zu erkennen, ob Pumpe oder Wascharm betroffen ist oder ob es sich nur um eine Verstopfung handelt», so Silvan Brütsch, Stellvertretender Leiter Facility Management. Auch die Schaltschränke, die seit 2017 in allen Betrieben eingebaut werden, haben Internetverbindung. Sie melden live den Stromverbrauch, zudem überwachen Temperaturfühler die Temperatur in den Räumen und den Kühlzellen. So gewährleistet Tibits die Einhaltung der Kühlkette und ein konstant angenehmes Raumklima.»

IoT-Systeme schlagen zwar Alarm, lösen oder prüfen die Probleme aber nicht.
Silvan Brütsch, Stellvertretender Leiter Facility Management bei Tibits

Zudem gibt es CO2-Fühler, welche die Raumluftqualität kontrollieren – in Pandemiezeiten eine wichtige Sache. Zum Raumluftmanagement gehören auch die vielen Pflanzen im Restaurant, betont Brütsch. Sie verbessern das Raumklima, indem sie die Luftfeuchtigkeit erhöhen. Zudem produzieren sie Sauerstoff und entziehen der Luft gleichzeitig Kohlendioxid. «So kombinieren wir digitale Technologie mit analogen Massnahmen.»

Überwachung und Analyse braucht es trotzdem: «IoT-Systeme schlagen zwar Alarm, lösen oder prüfen die Probleme aber nicht. Wir müssen die Alarme selbst interpretieren und dann Massnahmen in die Wege leiten.» Die grösste Herausforderung bei IoT sieht Brütsch derzeit im Wissenstransfer von Projektleitung und Facility Management zu Küche und Service. Dafür hat das Unternehmen eigens Schulungen entwickelt, die regelmässig in den Betrieben stattfinden.


Nachgefragt

[IMG 2] Magnasch Joos, Internet of Things (IoT) als Zweig der Digitalisierung ist in der Schweizer Gastrobranche angekommen. Begünstigen die derzeitigen Rahmenbedingungen die Offenheit für diese Technik?
Ja, Corona hat die Digitalisierung insgesamt beschleunigt und ihre Akzeptanz erhöht. Besonders im städtischen Umfeld erwarten die Gäste digitales Zahlen, Menükarten via QR-Code, den Bestell- und Bezahlvorgang via App. Sich mit IoT auseinanderzusetzen, ist für Gastronomen also keine Frage des Wollens mehr, sondern des Müssens. Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der die Automatisierung von internen Prozessen vorantreibt. Viele Betriebe haben verstanden, dass sie etwas tun müssen. Doch sie wissen oft nicht, was und mit welchen Tools. Denn für die Gastronomie liegt noch wenig Konkretes auf dem Tisch. Und die Kosten für Software und Implementierung sind besonders für kleine und mittlere Unternehmen relativ hoch.

Welche Rolle wird IoT in Zukunft spielen?
Es geht darum, Abläufe zu digitalisieren, die vorher Personalkosten verursacht haben. Ist die digitale Investition einmal amortisiert, müssen sich Gastronomen dann entscheiden: Wollen sie die Ersparnisse direkt an die Gäste weitergeben und die Preise senken, oder wollen sie die zusätzlichen Mittel für eine Optimierung der Produkte oder der Dienstleistung verwenden? Möglichkeiten gibt es viele. Etwa intelligente Kassensysteme, die mit KI-Prognosen arbeiten und auch Wetterdaten miteinbeziehen. Diese Systeme treffen Vorhersagen über den Geschäftsverlauf der nächsten paar Tage und machen Angaben zu den Umsatzerwartungen. Was dann wiederum Einfluss auf Personalplanung und Einkauf hat.

Wo wird IoT am besten eingesetzt?
Grundsätzlich da, wo die Abläufe repetitiv sind oder der Mensch als Gastgeber und Persönlichkeit keine entscheidende Rolle spielt. Oder da, wo der Gast gar keinen persönlichen Touchpoint mehr haben will, weil er ihn als ineffizient empfindet.

Gewinnen die Betriebe so mehr Zeit für Ihre Gäste?
Nicht in jedem Fall. Doch darum geht es auch gar nicht. Die Generation Z und die nächsten Generationen verlangen eher mehr Convenience, Schnelligkeit und vor allem einen Rund-um-die-Uhr-Service. Da liegt der Ansatzpunkt. (alm)

Magnasch Joos ist Mitinhaber, Gastroberater und Consultant bei der Suited& Booted Hospitality Partners AG.

Andreas Lorenz-Meyer