Die Ernährung hat mit geschätzt 30 Prozent einen massgeblichen Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen. Für die Gastronomiebranche dürfte das Thema deshalb immer wichtiger werden. Und manche Betriebe haben auch schon begonnen, sich systematisch klimafreundlich aufzustellen. Dazu gehört die Familie Wiesner Gastronomie AG, die 2021 den CO2-Fussabdruck der gesamten Wertschöpfungskette berechnen liess: «Den Abdruck genau zu kennen, bildet die Basis für sämtliche Einsparmassnahmen», sagt der für das Strategische zuständige Daniel Wiesner. Wobei das Reduzieren immer Priorität habe, schliesslich seien vermiedene Emissionen immer am besten. Der restliche unvermeidbare Fussabdruck wird ab 2022 mit Klimaprojekten kompensiert.

Zwischen Fleisch und Fleischersatzprodukten liegen Welten
Hauptverursacher von CO2 bei den Wiesner-Betrieben sind die Lebensmittel selbst. Sie machen zwischen 70 und 80 Prozent der Emissionen aus – mit Rindfleisch als grossem Treibhausgas-Treiber. «Wir reduzieren den Rindfleischanteil schrittweise, indem wir neue CO2-arme Gerichte anbieten.» Einen wichtigen Anteil machen dabei Fleischersatzprodukte aus. Also Lebensmittel, die wie Poulets oder Schnitzel aussehen, aber aus pflanzlichen Zutaten bestehen. Für die Gäste sind sie «ein valabler Ersatz».

Wir reduzieren den Rindfleischanteil, indem wir neue CO2-arme Gerichte anbieten.

Daniel Wiesner, Co-Lead Strategy & Innovation, Familie Wiesner Gastronomie

Zum Beispiel der Patty der niederländischen Firma The Blue Butcher, der «geschmacklich super» sei. Er enthält Sojamehl und Sojaprotein und wird unter anderem im «Long Beach»-Burger verarbeitet. Vom Biss und von der Struktur her müsse ein veganer Patty dem Rindfleisch-Patty nahekommen, um Flexitarier geschmacklich abzuholen, erklärt Wiesner.

Klima und Ernährung
Das Ziel der Staatengemeinschaft lautet: die menschengemachte Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius begrenzen. Dafür brauchte es nicht nur die schnelle Abkehr von fossilen Energien, sondern auch eine Veränderung unserer Essgewohnheiten. Da ist sich die Wissenschaft einig. Denn Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sind für rund 30 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Besonders tierische Produkte haben eine enorm schlechte Klimabilanz, da es dort nicht nur um das Treibhausgas Kohlendioxid (CO₂) geht. So geben Rinder Methan (CH₄) in die Atmosphäre, das 23-mal klimawirksamer ist als CO₂. In der Landwirtschaft wird zudem durch Düngereinsatz Lachgas (N₂O) freigesetzt. Lachgas hat eine 300-mal höhere Klimawirksamkeit als CO₂. Hinzu kommt, dass für den Anbau von Soja-Tierfutter der CO₂-Speicher Regenwald grossflächig vernichtet wird. Viel mehr Pflanzliches, dafür viel weniger Tierisches essen wäre also ein Segen fürs Klima.

Auch im Zürcher Restaurant Butcher & his Daughter von Wiesner Gastronomie läuft der vegane Burger ausgezeichnet. Und die Treibhausgasemissionen aller neun Butcher-Restaurants des Unternehmens sanken zwischen Januar 2019 und Dezember 2021 um 25 Prozent. Daran hat der Fleischersatz seinen Anteil.

Denn in puncto Klimabilanz liegen zwischen Fleisch und Fleischersatzprodukten Welten. Bei Wiesner Gastronomie kommt der herkömmliche «Chorizo Beef & Cheese»-Burger auf 2077 Gramm CO2, der «Long Beach»-Burger mit dem Blue-Butcher-Patty auf nur 435 Gramm. In der Kommunikation würden solche exakten Zahlen jedoch nur bedingt helfen, da die Gäste die Angaben nicht so recht einschätzen könnten, hat Daniel Wiesner festgestellt. So nutzt das Unternehmen als Orientierung das Label «klimafreundlich». Gerichte, die weniger als 629 Kilogramm CO2 im Gepäck haben, werden damit ausgezeichnet. Gerade bei den Online-Bestellungen fördere diese Auszeichnung den Verkauf, da sich die veganen Burger über einen Filter gut finden lassen würden. Nicht nur beim Rind jedoch könnten Ersatzprodukte mittlerweile mit dem tierischen Produkt mithalten. Auch beim Huhn biete der Markt sehr guten veganen Ersatz, so Wiesner.

Hier vertraut der Gastronom auf das Poulet-Ersatzprodukt des Schweizer Produzenten Planted Foods, einer der grössten europäischen Anbieter alternativer Proteine. «Die Planted-Foods-Produkte – neben Poulet auch Schnitzel und Kebab – haben ein Potenzial von 74 bis 85 Prozent weniger CO2-Emissionen gegenüber tierischen Produkten», sagt Christoph Jenny, Co-Gründer und Mitglied der Geschäftsleitung. Auch er erkennt eine wachsende Nachfrage: «Für Restaurants war es noch nie so einfach, Fleisch gegen eine pflanzliche Alternative auszutauschen.» Ein wichtiger Punkt, denn die Entwicklung in der Gastrobranche sei «wegweisend», wenn es um die für den Klimaschutz so notwendige Veränderung der Ernährung hin zum Pflanzlichen gehe.

Den wichtigsten Grund für die Betriebe, Fleischersatzprodukte auf die Speisekarte zu setzen, sieht Jenny momentan in der rasant steigenden Konsumentennachfrage. «Viele von uns lieben den Biss und Geschmack von Fleisch, aber nicht mehr um jeden Preis. Immer mehr halten es für notwendig, Umwelt und Tiere zu schützen.» Die Denkweise ändert sich auch in den Restaurants selbst: «Wir merken, dass mehr und mehr Betriebe eine Nachhaltigkeitsstrategie mit einbringen. Und da ist der Blick auf die Menükarte ein guter Ansatz.»

Für Restaurants war es noch nie so einfach, Fleisch gegen eine pflanzliche Alternative auszutauschen.

Christoph Jenny, Gründer und Geschäftsleitungsmitglied von Planted Foods

Nicht nur klimaneutral, sondern klimapositiv
Mit Fleischersatzprodukten in Richtung Klimafreundlichkeit steuert auch die Firma Unmeat, die in Zürich ein veganes Burgerrestaurant betreibt. Seit Dezember steht dort ein klimaneutraler Burger auf der Speisekarte. Es handelt sich um den Special-Burger, dessen Patty aus Erbsenprotein und etwas Sojaprotein besteht: «Unser Vorzeige-Produkt», so Unmeat-Gründer und CEO Theo Favetto. Um der Sache eine wissenschaftliche Basis zu geben, wurde mit der Beratungsfirma Climatepartner der komplette Lebensweg des Produkts analysiert, von der Produktion über Lieferung und Verkauf bis hin zur Entsorgung. Daraus liess sich der CO2-Fussabdruck erstellen.

«Wir müssen ja erst mal verstehen, welche Folgen unser Produkt in Bezug auf den Klimawandel hat», so Anne-Marie Jonsbak, die alle Nachhaltigkeitsinitiativen bei Unmeat leitet. Die Berechnungen ergaben, dass der Special-Burger auf 1 Kilogramm CO2 kommt. Diejenigen Emissionen, die es aktuell noch gibt, werden über Klimaschutzprojekte kompensiert – so kann der Burger als klimaneutral gelten. In den nächsten Jahren will Jonsbak ihn auf 500 Gramm CO2 herunterbringen, unter anderem durch «innovative Verpackungslösungen». Zudem verursachten Lebensmittel nicht nur eine Menge Treibhausgasemissionen, sondern würden auch die Artenvielfalt bedrohen, führt Jonsbak weiter aus. Die Transformation hin zu ausgeprägterer pflanzlicher Ernährung hilft also im doppelten Sinne: Erwärmung begrenzen und Biodiversität erhalten.

Bis 2025 will Unmeat nicht nur klimaneutral, sondern klimapositiv sein. Will heissen mehr Treibhausgasemissionen ausgleichen als verursachen. Denn zum Bewältigen der Klimakrise reiche es nicht, die Emissionen auf null herunterzufahren. Ein Grund mehr für Unmeat, über den Standard in Sachen Klimaschutz hinauszugehen.


Nachgefragt bei Manuel Klarmann

Die Software der Organisation Eaternity ermöglicht es, die CO2-Bilanz von Gerichten auf das Gramm genau zu errechnen. Eaternity-Mitgründer Manuel Klarmann sieht Fleischersatzprodukte als guten Weg, die essenbasierten Emissionen zu reduzieren.

Manuel Klarmann, wie genau misst Ihre Software die Klimabilanz von Gerichten?
Nehmen wir mal die Currywurst. Da schauen wir, woher das Fleisch kommt und was in welchen Teilen sonst noch in der Wurst steckt. Zu jeder Zutat wird eine Lebenszyklus-Analyse erstellt, auch beim Brot und beim Senf. Gibt es eine frische Zutat dazu, prüft die Software, ob diese gerade Saison hat. Fehlen Herkunftsangaben, schätzen wir diese mit den gängigen Importstatistiken der Schweiz ab. So ergibt sich ein Bild, welche Transportwege zurückgelegt und ob energieintensive Gewächshäuser genutzt wurden. Methan, Lachgas und andere Treibhausgase werden dabei in CO2 umgerechnet. So ist bei der Messung auch der grösste Einflussfaktor, die Landwirtschaft, mitberücksichtigt.[IMG 2]

Das Potenzial von Ersatzprodukten ist nicht zu unterschätzen.

Sind die Lebensmittel in Sachen Treibhausgasemissionen der entscheidende Faktor in der Gastronomie?
Ja. Der Anbau, das Methan der Kühe, die Landumnutzung – das alles verursacht besonders in der Schweiz wesentlich mehr CO2-Emissionen als die Energie zum Heizen, Kochen und Verarbeiten der Lebensmittel. Wobei rein vegane Betriebe naturgemäss besser dastehen. Gerichte mit pflanzlichen Produkten können einen zehnmal kleineren Fussabdruck haben als Gerichte mit tierischen Produkten.

Wie ordnen Sie Fleischersatzprodukte ein?
Messungen zeigen, dass es einem engagierten Betrieb damit in weniger als zwei Monaten gelingen kann, die Emissionen um mehr als 40 Prozent zu senken – bei steigender Gästezufriedenheit. Das Potenzial der Ersatzprodukte ist nicht zu unterschätzen, zumal sie uns ja auch bei unseren Essgewohnheiten abholen und einfach zuzubereiten sind. In Zukunft werden sie zudem viel günstiger werden.