Der 53. Engadiner Skimarathon ging dieses Mal etwas anders als sonst über die Bühne. Wegen fehlenden Schnees wurde bei dem Grossevent Anfang März unter anderem die Streckenführung verändert. Auch sonst hätten die Schweizer Langlaufgebiete in diesem Winter oft mit den hohen Temperaturen zu kämpfen gehabt, so Mariette Brunner, Präsidentin von Loipen Schweiz. «Der fast schon übliche Wärmeeinbruch über Weihnachten und Neujahr war diesmal sehr ausgeprägt und hat fast bis Mitte Januar angedauert.» Langlaufgebiete hätten mehr Aufwand betreiben und viel Schnee auf die Loipe schaufeln müssen. In den höher gelegenen Gebieten oder in Gebieten, die mit technischem Schnee arbeiten, standen aber laut Brunner in allen Teilen der Schweiz Loipen zur Verfügung, wenn auch mit einem reduzierten Kilometerangebot.

Kurz & gut
1. Langlauf ist in manchen Regionen wichtiger als der alpine Sport. Aber es gibt zu wenig Übernachtungsgäste.

2. Die Strecken müssen abwechslungsreich sein. Es sollte Loipen für Geniesser und schwierigere Loipen für Könner geben.

3. Die komfortable Anreise ist zentral. Idealerweise gelangt man mit dem ÖV direkt zum Loipeneinstieg.

4. Kommunikation: Destinationen dürfen den Loipenzustand nicht beschönigen und sollten den Gästen klarmachen, wie der Loipenpass-Preis zustande kommt.

5. Das junge Gästesegment wächst, es gibt viele Anfängerinnen und Anfänger. Eine unkomplizierte Vermietung vor Ort wird dadurch noch wichtiger.

Auch im Langlaufgebiet Aeschi/Aeschiried bei Spiez BE war die Erwärmung zu spüren. Dort mussten die Loipen wegen Schneemangels zwischenzeitlich geschlossen werden. Insgesamt kamen so in diesem Winter sehr wenige Betriebstage zusammen. «Wir konnten die Loipen an 42 Tagen öffnen, normalerweise sind es rund 100 Tage», sagt Tanja Schäfli, Geschäftsführerin bei Aeschi Tourismus.

Der Langlauftourismus ist für die Region ein wichtiges wirtschaftliches Standbein, deutlich wichtiger als der alpine Bereich. Umso erfreulicher, dass die Besuchendenzahlen in den letzten, schneereicheren Jahren kontinuierlich stiegen. In derSaison 2021/22 wurden knapp 1000 Schweizer Langlaufpässe und rund 3000 Tagespässe verkauft. «Dieses Ergebnis konnten wir in diesem Winter nicht toppen, aber doch halten.»

Das liegt auch daran, dass Aeschi sich von der Konkurrenz abzuheben versteht. Im Wettbewerb mit anderen Langlaufanbietern positioniert es sich als «kleine, feine» Destination mit anspruchsvollem, weitläufigem und vielseitigem Langlauferlebnis. Gut vermarkten lässt sich die verkehrstechnisch günstige zentrale Lage, genauso das landschaftlich Reizvolle. «Das Nebelmeer über dem Thunersee ist ein umwerfender Anblick. So etwas können andere nicht bieten.» PW-Parkplätze werden speziell für Langlaufgäste bereitgestellt. Da es aber nur eine beschränkte Zahl gibt, ist an schönen Tagen und am Wochenende die ÖV-Anreise dringend empfohlen. Das Postauto hält direkt beim Loipeneinstieg.

Verleih für Einsteiger
Der Langlauf erlebt einen Aufschwung, beobachtet Schäfli. «Er ist nicht mehr die verstaubte Sportart für ältere Semester, sondern setzt sich bei jungen Menschen durch, gerade auch bei Kindern.» Entsprechend gibt es viele Einsteiger, die zuerst testen wollen, ob der Sport wirklich zu ihnen passt. Darum braucht es ausreichend Leihski und -stöcke, und die Vermietung sollte auch möglichst unkompliziert ablaufen. «Bei uns müssen die Gäste nicht vorab reservieren. Und die Vermietung befindet sich auch direkt am Loipeneinstieg.»

Beim Angebot ist also für alles gesorgt, nur in puncto Wertschöpfung sieht Schäfli noch Verbesserungsbedarf. «Wir haben bei den Langläufern vorwiegend Tagestouristen, wünschenswert wären mehr Übernachtungen in diesem Bereich.» Pauschalangebote – Unterkunft, Miete, Ausrüs-tung und Loipenpass – brächten nur wenige Übernachtungsgäste. «Wir suchen da nach weiteren Möglichkeiten.»

Die Loipen im Walliser Lang-laufgebiet Goms, in diesem Jahr wieder Gewinner der Winter Awards in der Kategorie «Langlauf», standen zwar die ganze Saison über offen, jedoch konnte wegen zu wenig Schnee nicht jederzeit das gesamte Loipennetz präpariert werden. Die Rottenloipe ist die beliebteste Strecke. Sie führt von Oberwald nach Niederwald auf 1300 Metern durch das Hochtal Obergoms, meist entlang des Flusses Rotten.

Rund 80 Prozent aller Wintergäste sind Langlaufgäste. «Wir verspüren in den letzten Jahren eine leichte stetige Zunahme», sagt Sonja Dähler, Leiterin Marketing und Events bei der Obergoms Tourismus AG. Auch in diesem Winter lief es gut, trotz einem vorübergehenden Loch im Dezember.

Für ambitionierte Ausdauerläufer sind passende Strecken dabei, für Geniesser aber auch.
Sonja Dähler, Leiterin Marketing und Events bei der Obergoms Tourismus AG

Im Goms gibt es über 100 Kilometer Loipen, Klassisch und Skating. Für den Erfolg brauche es die richtige Mischung. «Für ambitionierte Ausdauerläufer sind passende Strecken dabei, für Geniesser aber auch.» Zudem müssen die Qualität der Loipen und die Infrastruktur stimmen: Duschen, Garderoben, Beizen an der Loipe. Bei der Preisgestaltung hält Dähler die richtige Kommunikation für wichtig. Eine Destination sollte den Gästen klarmachen, was alles im Ticket enthalten ist. Zum Beispiel die Präparation der Loipen oder die technische Beschneiung. «Bei uns kommt sogar noch das Ticket für die Matterhorn-Gotthard-Bahn dazu. Dass es inklusive ist, schätzen die Gäste sehr.» Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die komfortable Anreise mit dem öffentlichen Verkehr. In Geschinen etwa befindet sich der Bahnhof direkt an der Loipe.

Fahrt durch Naturschutzgebiet
Ins Zentralschweizer Gebiet Finsterwald kommen vorwiegend Tagesgäste, das grosse Geld wird mit Langlauf also nicht gemacht. «Wir sind sehr leicht erreichbar», sagt Adrian Felder, Präsident des Vereins Langlauf Finsterwald. Von Luzern aus dauert die Anfahrt mit dem Auto 30 Minuten, von Basel aus eine Stunde. Richtige Loipenkontrollen führt der Verein nicht durch, nur Stichproben. So ist der Aufwand geringer.

Zu den Vorzügen des Gebiets zählt die schöne Landschaft. «Es geht rauf und runter, Waldstücke wechseln sich mit Moorlandschaften ab. In den Wäldern überkommt einen fast schon ein skandinavisches Gefühl.» Die Gäste seien sehr zufrieden mit dem Angebot. Zwar gibt es auch eine kurze beleuchtete Nachtloipe, aber die meisten Gäste laufen im Dunkeln mit Stirnlampe auf den unbeleuchteten längeren Strecken.

Eine Besonderheit des Gebietes Finsterwald: Die Loipen führen teils mitten durch die Unesco-Biosphäre Entlebuch, ein geschütztes Moorgebiet. Felder sieht darin aber keine Einschränkung. «Mit den zuständigen Behörden gibt es Abmachungen, da halten wir uns dran. Wir mussten nur die Strecken an ein paar Stellen etwas umleiten.» Auch die Langläufer seien diszipliniert und hielten sich an die Regeln.


Alles unter einem Dach

Das Langlaufhotel

Im Hotel Astoria Obergoms ist alles auf Langlauf ausgerichtet: Es gibt zwei Wachsräume, zwei Abstellräume für die Skier und einen beheizten Schuhraum. Im Winter machen Langlaufgäste bis zu 95 Prozent der Gäste aus. «Wir leben praktisch vom Langlauf», sagt Gastgeber Peter Imwinkelried. Hinzu kommt eine Besonderheit: die hoteleigene Langlaufschule. Wenn Gäste anreisen, gesellt sich beim Begrüssungsapéro gleich der Langlauflehrer dazu. «Die Gäste spüren sofort, dass bei uns alles unter einem Dach vereint ist. Sie fühlen sich dann gut aufgehoben.» Hotel- und Unterrichtsbetrieb sind aber schon eine Doppelbelastung, zumal Imwinkelried grossen Wert auf Qualität legt. Dazu gehört es, den Unterricht «im kleinen Rahmen» zu halten. Es werden nur Gruppen von maximal vier Personen unterrichtet. Terminwünsche erfüllt das Hotel so weit wie möglich. 


Ausblick

Loipenbetrieb im Klimawandel

Dieser Winter habe eine Ausnahme dargestellt, so Fabian Wolfsperger vom Davoser WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung. Nicht nur wegen der hohen Temperaturen seien alle Negativrekorde in puncto Schnee gebrochen worden, sondern auch wegen der überdurchschnittlichen Trockenheit. Diese lasse sich im Winter nicht mit dem Klimawandel erklären, hier habe der «Zufallscharakter von Wetterlagen» eine zentrale Rolle gespielt. Das heisst, der nächste Winter kann schon wieder mehr Schnee bringen.

Entwarnung gibt Wolfsperger aber nicht. «Schauen wir uns die mittleren Höhenlagen bis 1500 Meter an, wo die meisten Schweizer Langlaufgebiete liegen. Heute schon sind die Schneehöhen dort reduziert im Vergleich zur Situation vor 30 Jahren. In den kommenden 30 Jahren werden sie nochmals um rund 50 Prozent abnehmen. Eine durchgängige Schneedeckung über die Wintermonate ist dann nicht mehr die Regel.»

Auch Mariette Brunner, Präsidentin von Loipen Schweiz, sieht Schwierigkeiten auf tiefer gelegene Gebiete zukommen. «Sie werden ihre Loipen öffnen können, aber vielleicht nur noch über kürzere Zeitabschnitte. Oder sie können nicht mehr ihr gesamtes Loipennetz öffnen.» Schon jetzt stellt Brunner eine Veränderung fest: die kurz-fristigen Temperaturwechsel. «An einem Tag ist es sehr kalt und am nächsten gibt es Temperaturen, die den Schnee schmelzen lassen.»

Absicherung: Snowfarming

Zeit zur Anpassung bleibt. Im Goms wird die technische Beschneiung gerade um vier Kilometer Richtung Geschinen erweitert. «Technische Beschneiung allein reicht aber in Zukunft nicht», sagt Samuel Hofmann, Geschäftsführer von Obergoms Tourismus. «Die Temperatur muss ja bei mindestens minus drei Grad liegen, sonst funktioniert es nicht.» Als zusätzliche Mass-nahme käme Snowfarming infrage. Der Schnee wird im Winter vorproduziert und für die kommende Saison einge-lagert; er übersommert also. «Aktuell prüfen wird diese Idee», sagt Hofmann.

Was sagt Fabian Wolfsperger zur Anpassung? Langlauf habe ja den Vorteil, dass nicht so grosse Schneemengen benötigt würden wie für Ski alpin. In puncto Beschneiung lasse sich der Ressourcenaufwand bei kleinen Runden auch gering halten. Grosse Loipennetze flächendeckend zu beschneien, sei dagegen weder ökonomisch noch ökologisch nachhaltig. Und Snowfarming? Das könne auch in mittleren Lagen gut funktionieren. Voraussetzung: genügend kalte Wintertage und eine hohe Wasserverfügbarkeit.