Seit Ende Januar sorgt eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für Wirbel: Booking und Expedia strafen offenbar Hotels ab, welche Zimmer anderswo im Internet zu günstigeren Preisen anbieten. Abstrafen bedeutet, dass die Hotels in den Standards-Suchergebnissen («Unsere Top-Tipps» bei Booking, «Unsere Auswahl» bei Expedia) weiter nach unten rutschen, sodass sie seltener gebucht werden. Laut Studie praktizieren die beiden marktbeherrschenden Online-Buchungsplattformen (OTAs) diese Anpassung der Suchergebnisse in sämtlichen untersuchten Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Schweden sowie Kanada), und zwar unabhängig davon, ob in dem jeweiligen Land Preisparitätsklauseln verboten sind oder nicht. Das ist gemäss der Studie nicht unproblematisch, denn «eine solche Ranking-Optimierung kann Auswirkungen haben, die mit denen von Preisparitätsklauseln vergleichbar sind».

Die Studie «Hotel Rankings of Online Travel Agents, Channel Pricing, and Consumer Protection» wurde herausgegeben vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim gemeinsam mit Forschern der Télécom ParisTech und dem Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE). Sie basiert auf Suchergebnissen der Buchungsportale Booking und Expedia sowie der Metasuch­seite Kayak von Juli 2016 bis Januar 2017 für 250 Städte in sechs Ländern und mehr als 18 000 Hotels.

Obwohl die Schweiz nicht teil der Untersuchung war, dürften die Ergebnisse auch hierzulande Gültigkeit haben. «Basierend auf den Erkenntnissen aus den berücksichtigten Ländern gibt es keinen Grund zur Annahme, dass es in der Schweiz anders wäre», drückt es Studien-Co-Autor Reinhold Kesler auf Nachfrage aus. Das glaubt auch Experte Michael Fux: «Booking macht keinen Algorithmus nur für die Schweiz», so der Dozent an der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO Wallis).

Das Urteil vom Branchenverband hotelleriesuisse fällt dementsprechend vernichtend aus: «Gerade Booking.com nutzt seine Marktmacht aus. Mit der Schlech­terstellung im Ranking für Hotels, die die Preise auf allen Vertriebskanälen frei setzen, versucht die Buchungsplattform jegliche Paritätsklauseln durchzusetzen. Sogar die weiten Paritätsklauseln, welche die Wettbewerbskommission 2015 verboten hat. Das ist nicht hinnehmbar», urteilt Thomas Allemann, Geschäftsleitung.

Die Wettbewerbskommission erkennt keinen Handlungsbedarf
Weitaus weniger dramatisch ist dagegen die Einschätzung der Weko selbst. «Es liegen uns derzeit keine konkreten Hinweise vor, wonach die in der Studie ausgeführte Problematik auch in der Schweiz auftritt», so Daniel Schiess, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Weko. «Selbst wenn es auch in der Schweiz einen systematischen Zusammenhang zwischen dem Ranking von Hotels und der Einhaltung von Preisparitätsklauseln gäbe, wäre dies nicht im vornhinein wettbewerbsrechtlich problematisch.» Aus Sicht der Weko stellte sich die Frage, ob Hotels für die Nichteinhaltung der Preisparität gezielt abgestraft werden oder ob Hotels mit günstigeren Preisen auf anderen Kanälen auf einer Plattform schlicht zu wenig gebucht werden, um ein hohes Ranking zu rechtfertigen. Doch selbst eine gezielte Herabstufung der Hotels durch Booking bedeutete nicht automatisch einen Verstoss gegen Wettbewerbsrecht. «Dabei müsste unter anderem untersucht werden, ob eine solche Verhaltensweise überhaupt vergleichbar ist mit einer vertraglichen Vereinbarung von Paritätsklauseln», so Schiess. Auch müssten gegebenenfalls Rechfertigungsgründe geprüft werden. Eine abschliessende Beurteilung könne nur anhand von konkreten Fällen in der Schweiz erfolgen, betont Schiess.

Booking streitet eine gezielte Abstrafung ab. «Die Rankings basieren auf einem automatisierten Algorithmus, der aus Kundenfeedback aufgebaut ist», teilte das Buchungsportal dem «Handelsblatt» mit. Angesichts der Studienergebnisse muss diese Aussage jedoch angezweifelt werden. Schenkte man Booking Glauben, funktionierte der Algorithmus folgendermassen: Die Gäste vergleichen die Zimmerangebote eines Hotels auf Booking.com und anderen Plattformen. Finden sie andernorts günstigere Preise als bei Booking, buchen sie eher woanders. Booking registriert, dass das entsprechende Angebot zwar oft angeklickt, aber relativ selten gebucht wird, und passt die Such­ergebnisse zukünftig an. Die Rückstufung des Hotels in den Suchergebnissen wäre somit eine Folge dieser schwachen Conversion Rate, die schlechtere Platzierung somit keine Abstrafung, sondern ein «natürliches» Resultat aus dem Verhalten der Nutzer.

Die andere, weniger wohlwollende Interpretation lautete dagegen so: Booking vergleicht das Angebot eines Hotels über sämtliche Online-Kanäle. Stösst Booking irgendwo als auf der eigenen Seite auf den günstigsten Preis, wird das Hotel in den Booking-­Suchergebnissen heruntergestuft – ganz unabhängig davon, wie gut die Conversion-Rate ist. Dies käme einer Disziplinierung der Hotels durch die Buchungsplattform gleich. Doch genau diese Praktik wollen die Autoren der Studie nachgewiesen haben. Ihr Fazit: «Buchungsportale machen die Rangliste ihrer empfohlenen Suchergebnisse durch die Berücksichtigung der Preisdifferenzen von Faktoren abhängig, die zwar für das Portal zur Gewinnmaximierung relevant sind, aber nicht in Einklang mit dem Kundeninteresse stehen müssen», so Reinhold Kesler, Co-Autor der Studie.[DOSSIER]

Konsumentenschützer appellieren an die Vernunft der Gäste
Bei der Stiftung für Konsumentenschutz mag man über die Situation in der Schweiz nicht spekulieren. André Bähler, Leiter Politik und Wirtschaft, mahnt trotzdem zur Vorsicht. «Die Hotelgäste müssen sich bewusst sein, dass diese Plattformen keine neutralen Preisvergleichsportale sind, sondern diejenigen Angebote prominent platzieren, bei denen sie am meisten verdienen. Wer bei einem Hotel direkt bucht, kann gegenüber dem Preis auf den Plattformen oft etwas einsparen. Die Hotelgäste sollten sich bewusst sein, dass diejenigen Hotels, bei denen das grösste Sparpotenzial besteht, auf den Plattformen eher weiter hinten platziert sind.»