Wenn im Juli 2025 in Basel der Anpfiff zur Uefa Women’s Euro ertönt, wird in der Schweiz nicht nur Fussball gespielt – es wird auch gehofft, gerechnet und strategisch gedacht. Für die Hotellerie, die Gastronomie und die Tourismusverantwortlichen in den Austragungsorten und Basecamps ist das Turnier ein internationales Schaufenster – mit ungewissem, aber vielversprechendem Potenzial.
Die htr.ch hat eine Umfrage bei Regionalverbänden von HotellerieSuisse sowie bei Hotels innerhalb und ausserhalb der Austragungsorte durchgeführt. Die Rückmeldungen zeigen: Die Erwartungen sind differenziert, die Chancen vorhanden.
Zwischen Stadioneuphorie und Normalbetrieb
In Städten wie Basel, Luzern, Sion, Zürich und Thun – allesamt Austragungsorte der Uefa Women’s Euro – bereiten sich die Betriebe auf volle Betten und volle Strassen vor. Basel etwa verzeichnet für den Juli eine spürbar höhere Auslastung als im Vorjahr – eine Mischung aus Uefa Women’s Euro, Art Basel und Eurovision Song Contest sorgt für Sondereffekte.
Luzern hingegen bleibt gelassen. Die Hochsaison sorgt dort ohnehin für ausgezeichnete Buchungslagen. «Ob die Uefa Women’s Euro zusätzlich Gäste bringt, lässt sich kurzfristig schwer beziffern», sagt Raymond Hunziker, Präsident Regionalverband Zentralschweiz und Luzern Hotels. Dennoch passt der Anlass perfekt in die Vision der Stadt, sich als Event- und Sportdestination zu positionieren.
In Sion wiederum profitiert vor allem die Stadt selbst von den Spielen. Hotels in den umliegenden Regionen melden nur vereinzelt eine erhöhte Nachfrage. Beat Eggel, Direktor des Regionalverbands Wallis sagt: «Die Hotels in der Stadt Sion profitieren natürlich wie bei allen Veranstaltungen von diesem Ereignis. Ausserhalb von Sion sind die Auswirkungen laut den wenigen Rückmeldungen, die ich erhalten habe, gering.»[REALTED]
Fans aus Wales, Belgien und Skandinavien
Ein klarer Trend: Die Gäste reisen vor allem aus den Herkunftsländern der Nationalteams an. Besonders walisische Fans machen sich bemerkbar – etwa in der Ostschweiz, wo Andrea Lustenberger, Geschäftsführerin von HotellerieSuisse Ostschweiz, von verlängerten Aufenthalten zwischen den Spieltagen berichtet. «Es gibt konkret Buchungen aus den Herkunftsländern der Teams, die bei uns spielen», so Lustenberger.
Die Uefa Women’s Euro zieht nicht nur eingefleischte Sportfans an, sondern zunehmend auch Familien und Frauen. Dieses Zielpublikum ist für viele Destinationen touristisch besonders wertvoll. Luzern setzt deshalb auf ein familienfreundliches Rahmenprogramm in der Host City.
Keine Personalpanik, kaum Preissprünge
Erstaunlich ruhig bleibt es bei der Personalplanung: Die meisten Hotels in Austragungsstädten wie Zürich, Thun und Basel sehen keinen Anlass, ihre Teams temporär zu verstärken. Der Sommerbetrieb sei eingespielt.
Auch preislich bleibt die Lage entspannt. Zwar steigen die Zimmerpreise punktuell durch dynamisches Pricing, «Ausreisser nach oben» seien jedoch nicht zu beobachten, betont Andrea Lustenberger von HotellerieSuisse Ostschweiz. In Luzern – einer Austragungsstadt –, und in Lipperswil, das exklusiv vom walisischen Team belegt wird, heisst es sogar: Bereits Hochsaison – da geht nicht mehr viel nach oben.
Basecamps und Teamhotels: Wer beherbergt wen?
Neben den Hotels in den Austragungsstädten dienen auch einige Betriebe als Teamquartiere. Besonders hervor sticht das thurgauische Lipperswil: Das Wellnesshotel Golf Panorama wurde exklusiv vom walisischen Nationalteam als Basecamp gewählt –, obwohl in der Region keine Spiele stattfinden. Trainiert wird im nahen Weinfelden. Hotelmanager Alexandre Spatz sieht darin eine grosse Chance für die Region: «Wir hoffen, dass internationale Gäste durch die Uefa Women’s Euro auf den Thurgau aufmerksam werden und positive Eindrücke mitnehmen.» So wird Lipperswil – abseits der grossen Austragungsorte – zu einem Beispiel für dezentrale EM-Effekte. Nicht Volumen zählt hier, sondern internationale Sichtbarkeit und emotionale Verbindung.
Teamquartiere der Women’s Euro 2025
Belgien – Les Bains de Saillon, Saillon
Dänemark – Hôtel Beaulac, Neuchâtel
England – The Dolder Grand, Zürich
Finnland – InterContinental Genève, Genf
Frankreich – Hotel Heiden, Heiden
Deutschland – FIVE Zürich, Zürich
Island – Parkhotel Gunten, Gunten
Italien – Campus Hotel Hertenstein, Weggis
Niederlande – Belvédère Strandhotel, Spiez
Norwegen – Beau-Rivage Hôtel, Neuchâtel
Polen – Seminarhotel am Ägerisee, Unterägeri
Portugal – Geneva Marriott Hotel, Genf
Spanien – Royal Savoy Hôtel & Spa Lausanne, Lausanne
Schweden – On Your Marks, Cham
Schweiz – Hotel Seepark, Thun
Wales – Wellnesshotel Golfpanorama, Lipperswil
Auch das Campus Hotel Hertenstein in Weggis am Vierwaldstättersee beherbergt eigenen Angaben zufolge ebenfalls exklusiv ein Nationalteam. Solche Aufenthalte bringen Sichtbarkeit, stellen die Hotellerie aber auch vor operative Herausforderungen – das zeigt sich besonders in der Umfrage: Viele Betriebe, die Teams beherbergen, verzichten während der Turnierzeit bewusst auf Individualgäste, um ein professionelles und ruhiges Umfeld sicherzustellen. Das Hotel Seepark in Thun beherbergt etwa die Schweizer Nationalmannschaft, teils zusammen mit weiteren Delegationen – ein logistischer Spagat, der exakte Planung und Kommunikation erfordert. Das The Dolder Grand in Zürich wiederum beherbergt das englische Team. Laut Hotelleitung bietet dies nicht nur kurzfristige Auslastung, sondern auch einen nachhaltigen Imagetransfer: Der britische Markt nimmt das Haus und die Destination verstärkt wahr.
Hoffnung auf nachhaltige Wirkung
Die zentrale Frage ist: Bleibt nach dem Turnier mehr als ein kurzer Hype?
Viele Stimmen aus der Branche glauben: Ja, wenn das Erlebnis stimmt. «Alle Veranstaltungen dieser Art sind eine Chance. Für manche Besucher sind sie oft der erste Kontakt, und sie möchten vielleicht wiederkommen, wenn der Aufenthalt gut gelaufen ist», sagt Beat Eggel, Direktor des Regionalverbands Wallis von HotellerieSuisse.
In Basel sieht man sogar ein «grosses Potenzial für nachhaltige Gästesegmententwicklung» – gerade mit Blick auf die erhöhte Sichtbarkeit Europas in Richtung 2025.