Wie wichtig Geräusche sind für unser Konsumverhalten, wissen Produkthersteller schon seit den 1950er-Jahren. Im Auftrag von Kellogg’s hat etwa ein dänisches Labor das Knuspergeräusch optimiert, das beim Zerkauen der Cerealien entsteht. Staubsaugerproduzenten mussten einsehen, dass zu leise Geräte von den Kunden als nicht saugstark abgestempelt werden. Und bei so manchem Autohersteller sorgt eine ganze Armada an Sound-Designern für den richtigen Klang – vom Klicken des Blinkers über das Brummen des Motors bis zum Wumms, das beim Schliessen der Türen zu hören ist.

Der New Yorker Irv Teibel hat in den 1970er-Jahren als Pionier Naturgeräusche aufgenommen und mit deren Wirkung auf das menschliche Empfinden experimentiert. Seine Platten waren damals der Renner unter Studierenden, die sich vor dem Examen beruhigen wollten. Dank Neuromarketing, der Wissenschaft, die sich mit der Frage befasst, wie unsere fünf Sinne unser Konsumverhalten beeinflussen, wissen wir heute, dass Geräusche und Gerüche im Hirn unwillkürlich Bilder und Emotionen auslösen können, die viel stärker sind als beispielsweise durch visuelle Reize ausgelöste Gefühle. So wurden in den 70er-Jahren beispielsweise Soldaten der US Army in der Hitze der Wüste von Arizona mit – ebenfalls von Teibel aufgenommenen – Schneesturmgeräuschen abgekühlt.[RELATED]

Vor allem im Spa-Bereich und in WC-Anlagen
Im Gastgewerbe können Geräusche wie Vogelgezwitscher oder das Knistern eines Kaminfeuers eine wertvolle Alternative zu Musik sein. Das bernische Unternehmen Digital Media Distribution (DMD2) bietet der Branche auf der Plattform Hotelradio.fm neben Musik auch verschiedene Geräuschoptionen. «Wir haben festgestellt, dass das ein Bedürfnis unserer Kunden ist», sagt Alexander Dal Farra, Mitinhaber und Geschäftsleiter von DMD2. «Bei gewissen Anwendungsbereichen lenkt Musik zu fest ab. Naturgeräusche fallen im Vergleich dazu weniger auf und fordern deutlich weniger Aufmerksamkeit.»

Das Angebot sei bei den Kunden sehr beliebt und vor allem im Spa-Bereich und in WC-Anlagen gefragt. Dort vermittelten Naturgeräusche Entspannung und Geborgenheit. Doch Geräusche können noch mehr: Eine Neuromarketing-Studie hat ergeben, dass tiefe Töne die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf dunkle Gegenstände lenken, während hohe Töne das Helle betonen. So kann eine Geräuschkulisse mit hohen Tönen – beispielsweise Vogelgezwitscher – einen Raum heller erscheinen lassen, als er wirklich ist.

Manchmal lenkt Musik zu fest ab. Naturgeräusche fallen im Vergleich dazu weniger auf.

Alexander Dal Farra
Mitinhaber und Geschäftsführer von Digital Media Distribution und der Marke Hotelradio.fm

Dal Farra sieht weitere Vorteile: Weil Geräusche als neutraler wahrgenommen würden, liessen sie sich mit verschiedensten Musikstilen kombinieren und die Lizenzgebühren seien einfacher abzurechnen. Bei allen Vorzügen gibt der Sound-Experte aber auch zu bedenken, dass Geräusche noch niederschwelliger auf die Gefühle wirken als Musik. «Neuromarketing ist keine exakte Wissenschaft. Wir können nicht präzise steuern, welches Geräusch welches Gefühl auslöst. Viele entspannt Meeresrauschen. Aber es gibt auch Menschen, die haben Angst vor dem Meer. Und bei manchen löst es einfach nur Harndrang aus.» Gerade bei Wasser- und Feuergeräuschen sei Vorsicht geboten; sie könnten am ehesten unerwünschte Gefühle auslösen.

Dal Farra rät generell, Geräusche deutlich leiser abzuspielen als Musik. «Optimal ist es, wenn es klingt, als käme das Geräusch von draussen durch ein offenes Fenster.» So oder so seien Geräusche eine Ergänzung und kein Ersatz für Musik.