Digitalisierung ja! Aber wie? Das ist ein brennendes Thema in der Branche. Doch wie soll man die neusten elektronischen Technologien nutzen? Manche sehen darin die Möglichkeit, Fachkräfte zu sparen, die derzeit sowieso Mangelware sind. Andere finden, dass die Digitalisierung gewisser Services neuen Gewohnheiten und gewandelten Bedürfnissen vieler Gäste entspricht – sei dies das Online-Check-in im Hotel oder eine touristische Gästekarte via App.

Aber wie kann ein Betrieb diesen Wandel angehen? «Es gibt in einem Unternehmen drei wesentliche Faktoren, um Innovation und Digitalisierung zu fördern», sagt Diana Engetschwiler. Die Baslerin ist eine ausgewiesene Expertin: Sie hat die Schweizer Digitaltage aufgebaut, ist stellvertretende Geschäftsführerin bei Digitalswitzerland und wird am Branchenkongress Hospitality Summit, der am 1. und 2. Juni in Zürich-Oerlikon stattfindet, über «Digitalisierung als Chance» referieren.

«Mitarbeitende sollen ihre Ideen einbringen und umsetzen können.»
Diana Engetschwiler, Digitalexpertin

Hospitality Summit
Der Beherbergungskongress für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Branche findet am 1. und 2. Juni 2022 in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon statt. Als Mitglied von HotellerieSuisse profitiert man von reduzierten Ticketpreisen.
Das attraktive Programm steht ganz im Zeichen des Wandels und beinhaltet als Highlight unter anderem das Finanzforum der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), die Abendveranstaltung «Hotelier des Jahres» sowie zwei Diskussionen mit internationalen Hoteliers zum Thema «We believe in» und «Adventure Hospitality».
Zahlreiche Referate, Interviews und Podiumsdiskussionen sorgen für Wissenstransfer und zeigen Chancen und Lösungen für die Branche auf. Im Fokus stehen Zukunftsfragen, Chancen durch Digitalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit sowie die Folgen und Herausforderungen geopolitischer Konflikte und Krisen. Diana Engetschwiler referiert am 1. Juni um 15 Uhr zum Thema «Digitalisierung als Chance» und nimmt an der anschliessenden Podiumsdiskussion teil.
Infos und Tickets:
hospitality-summit.ch

Flache Hierarchien fördern die Innovation
Der erste wichtige Faktor, um Innovationen vorantreiben zu können, ist die Unternehmensstruktur. «Ein Betrieb hat die besseren Voraussetzungen, wenn die Hierarchien flach sind», sagt Engetschwiler. Es braucht eine Kultur, in der die Mitarbeitenden wahrgenommen werden. «Eine gute Wechselwirkung zwischen Top-down und Bottom-up ist ideal: Mitarbeitende sollen ihre Ideen einbringen und umsetzen können – also selbst Entscheidungen treffen können.»

So sei ein Betrieb nicht nur schneller, was Innovationen anbelange. Es fördere auch ein gutes Arbeitsklima, wenn Mitarbeitende selbstständig etwas umsetzen könnten. «Es ist motivierend, selbst etwas beitragen zu können.» Dabei ist es von Vorteil, der Jugend zu vertrauen: «Die Jungen haben oft ein viel grösseres Wissen in Sachen Digitalisierung.»

Es wird stets wichtiger, am Ball zu bleiben
Ein zweiter wichtiger Faktor ist das lebenslange Lernen. Denn die digitale Welt ist sehr lebendig und mit hohem Tempo unterwegs, es geschieht laufend sehr viel. Dies betrifft die Technik und die Inhalte. «Die Unternehmen sind in der Pflicht, ihre Leute auszubilden und zu befähigen», sagt Engetschwiler. In absehbarer Zukunft wird dies sogar dringend sein: «Bis 2028 wird es einen Expertenmangel geben: In der ICT werden 35'000 Fachleute fehlen.»

Die Gründe dafür sind Pensionierungen, fehlender Nachwuchs aufgrund der Bevölkerungsstruktur und ein ungenügendes Ausbildungssystem für die Tech-Berufe. «Das Schulsystem fördert die Ausbildungen für diese Branche zu wenig. Auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger brauchen gute Chancen, in die ICT einzusteigen.»

Reicher Austausch bringt neue Ideen
Als dritten Faktor, um seinen Betrieb auf die Herausforderungen der elektronischen Welt vorzubereiten, nennt die Digitalexpertin den Austausch in Netzwerken – sowohl innerhalb des eigenen Berufsstandes als auch mit Akteuren aus anderen Branchen.

Gerade ein Anlass wie der Hospitality Summit ist ein idealer Event, um sich auszutauschen und auf neue Ideen zu kommen.

Grosse Chance für kleine Firmen
Insbesondere kleinere Betriebe haben gute Voraussetzungen, Neuerungen einzuführen, sie sind flexibler und wendiger. Grössere Unternehmen haben oft den Nachteil festgefahrener Strukturen und interner, politischer Interessen. «Hier braucht es gutes Leadership, um bremsende Strukturen aufzubrechen.»

In der Schweiz sind 99 Prozent der Unternehmen KMU. «Die Bereitschaft zur Digitalisierung ist gross, aber oft fehlt das Wissen, wie man vorgehen soll – wie man sein Businessmodell, die Prozesse und die Datenverarbeitung digital gestalten kann», sagt Engetschwiler. Da hilft nur Folgendes: Fachleute zu Rate ziehen und junge Talente an Bord holen.

Die Schweiz steht bei der Digitalisierung und der Innovationsfähigkeit im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht da. Unter 35 anderen OECD-Ländern befindet sie sich unter den besten 10. Das ist gut, aber kein Spitzenplatz. Sie ist beispielsweise stark mit ihren Hochschulen, doch es hapert anderswo. So ist das Unternehmertum hierzulande schlecht verankert, es ist schwieriger, Start-ups zu gründen, und die Bevölkerung adaptiert die Digitalisierung langsamer als anderswo.

«Seit der Pandemie ist die Bevölkerung viel stärker für Digitalisierung sensibilisiert.»
Diana Engetschwiler, Digitalexpertin

Doch mit der Pandemie hat sich einiges bewegt. So sind heute digitale Apps wie Twint gang und gäbe, und jede und jeder weiss nun, was ein QR-Code ist. «Seit der Pandemie ist die Bevölkerung viel stärker für Digitalisierung sensibilisiert», sagt Engetschwiler. «Die Unternehmen merken, dass sie damit nicht nur Zeit sparen können, sondern einen Wert schaffen.»

Neue Technologien, neuer Zeitgeist
In Adelboden wurde letzten Dezember an der Stelle des Hotel Kreuz, eines 109-jährigen Familienbetriebs, das Aparthotel eröffnet – ein Neubau im Chaletstil. Das «Kreuz» benötigte ein profitableres Geschäftsmodell und vor allem zeitgemässe Strukturen: Statt einer Réception gibt es digitales Ein- und Auschecken, statt in traditionellen Zimmern schläft man in Apartments. Im Erdgeschoss sind die Produkte des Onlineshops der digitalen Dorfstrasse erhältlich.

Den gesamten Guest Journey digital gestaltet hat auch das «Stay Kooook» im Berner Wankdorf. Die typischen Hotelprozesse und Touchpoints sind digitalisiert und in einer App vereint. Die Zimmer können sogar mit digitalem Schlüssel per App geöffnet werden. Statt Zimmer werden Studios vermietet, die auf kleinem Raum smart eingerichtet sind.

Zeit für die Gäste
Braucht es hier kein menschliches Gegenüber, keine Gastgeberinnen und Gastgeber mehr? Nein, eigentlich nicht, und doch sind sie da: Die Mitarbeitenden müssen sich aber nicht um Administratives kümmern, das wird via App erledigt. Sie können sich Zeit nehmen für die Gäste.

Digitalisierung bedeutet nicht nur einen Wandel in der Technik, sie beinhaltet auch ein neues Lebensgefühl: Im «Stay Kooook» hat es statt einer Lobby einen geräumigen Aufenthaltsraum mit Platz zum Chillen, zum Arbeiten und zum Essen. Im smarten Kühlschrank ist rund um die Uhr frisches Essen erhältlich, eine Kaffeemaschine steht zur Verfügung, es hat stets Süssigkeiten und Früchte gratis im Angebot. Die ungezwungene Atmosphäre einer WG.[DOSSIER]

Es fällt auf, dass es bei der Digitalisierung von Konzepten häufig nicht nur um die Technik geht, sondern auch um die Umsetzung eines Lebensgefühls. In Engetschwilers Firma Digitalswitzerland wird beispielsweise durchgehend geduzt, sogar in den E-Mail-Adressen sind nur die Vornamen zu finden. Mit der Lust auf technische Innovation weht oft auch ein ganz neuer Zeitgeist durch die Betriebe.