Der Bundesrat hat am Donnerstag vor den Medien die drei ersten Etappen zum Ausstieg aus dem Coronavirus-bedingtem wirtschaftlichen Stillstand aufgezeichnet. Wie und zu welchem genauen Zeitpunkt die am 16. März per Notrecht beschlossenen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus auch für die Tourismusbranche und die Gastronomie gelockert werden, liess die Regierung jedoch offen.

Das löst grosse Enttäuschung, Unverständnis und Kopfschütteln bei den betroffenen Akteuren aus. «Die Branche wäre dank eines gesundheitstechnischen ‹Restart›-Konzeptes für eine Wiedereröffnung gerüstet», schreibt HotellerieSuisse in einer Stellungnahme. «Wir wollen klare Fakten auf dem Tisch, wann ist was möglich», so HotellerieSuisse-Präsident Andreas Züllig, in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen am Donnestagabend. «Dieser Nichtentscheid des Bundesrates ist für die gesamte Tourismuswirtschaft  mit Gastronomie und Hotellerie ist Gift. Wir haben keine Planungssicherheit. Wir wissen nicht, wann dürfen wir öffnen, unter welchen Umständen, welche Gäste dürfen wir in Empfang nehmen und welche Dienstleistungen dürfen wir anbieten. Es ist das schlimmstmögliche Szenario, das wir haben».

Zwar dürften Hotels sei Beginn der bundesrätlichen Einschränkungen geöffnet bleiben. Aufgrund der unterbrochenen touristischen Wertschöpfungsketten jedoch sind zahlreiche Betriebe dennoch geschlossen. Denn touristische Attraktionen wie Wellnessanlagen, Bergbahnen, Sehenswürdigkeiten und vieles mehr bleiben weiterhin nicht zugänglich. Die Gäste bleiben aus.

Der Tourismus liegt weltweit am Boden. Ferien und Reisen werden erst mit grosser Verzögerung wieder aufgenommen werden. Nach den drastischen Einbrüchen in der Winter- und Frühjahrssaison steht mittlerweile auch die Sommersaison gänzlich auf der Kippe.

Vorschläge für die Wiedereröffnung nicht berücksichtigt
Verärgert ist die Branche auch darüber, dass der Bundesrat an der Medienkonferenz von den Gastronomiebetrieben Konzepte verlangt, die eine etappenweise Öffnung mit Berücksichtigung der Hygiene- und Abstandsregeln aufzeigen. Einen solchen Plan ging jedoch nach GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer bereits zuhanden der Regierung ein. «Unser Vorschlag, den wir dem Bundesrat vorgelegt haben, sieht beispielsweise vor, dass wir die Anzahl Gäste pro Quadratmeter limitieren. Zudem braucht es einen Mindestabstand zwischen den Tischen und eine Schutzmaskenpflicht mindestens hinter den Kulissen. Im Service sollen nur dann Masken getragen werden, wenn die Distanzregeln nicht eingehalten werden können. Alternativ kann man an der Theke oder an einem Beistelltisch servieren.»

Der Branchenverband reagierte denn auch «sehr enttäuscht» auf die Exitstrategie des Bundesrates aus dem Coronavirus-bedingten Lockdown. Er verstehe nicht, dass der Gastronomie noch keine Perspektive gegeben werde, nach dem viele andere Gewerbeunternehmen nun auf den Weg zurück zum Normalzustand gehen könnten.

«Wir haben immer betont, dass es Aufgabe des Bundesrates ist, den Zeitpunkt der Wiedereröffnung zu bestimmen», wird GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer in einer Mitteilung vom Donnerstag zitiert. «Mit der Nicht-Kommunikation lässt uns der Bundesrat jedoch völlig im Ungewissen und ohne Perspektive», kritisiert er das bundesrätliche Vorgehen.[RELATED]

Existentielle Nöte machen Ausbau der Unterstützung notwendig
Die Gastgewerbebranche fordert nun sofortige Gesprächsbereitschaft zur Diskussion der im Vorfeld beim Bundesrat eingereichten «Restart»-Konzepte und die grösstmöglichen Anstrengungen seitens der Verwaltung und de Regierung, dass die Tourismusbranche und deren Betriebe für die Zeit nach dem 8. Juni baldmöglichst über Klarheit und Planungssicherheit verfügen.

Der fortwährende Stillstand führe auch dazu, dass die vom Bundesrat kurzfristig aufgestellten Überbrückungshilfen aus wirtschaftlicher Sicht kaum ausreichen werden, um die Tourismusbranche vor verbreiteten Überschuldungen, Konkursen und Entlassungswellen zu schützen, hält HotellerieSuisse weiter fest.

Wie eine aktuelle Studie von BAK-Economics zeigt, beträgt der erwartete Rückgang für 2020 alleine in der Beherbergung 25,6 Prozent. Kantonale Wertschöpfungsverluste im Tourismus sind im Umfang von zwischen 21 bis rund 30 Prozent zu erwarten. Eine Studie der HES-SO beziffert die voraussichtlichen monatlichen Umsatzeinbussen bei Schweizer Hotels für die Monate März, April und Mai auf 69 Prozent, 90 Prozent und 73 Prozent.

Einer Umfrage von HotellerieSuisse zufolge, gehen 20 bis 25 Prozent der Betriebe bereits jetzt davon aus, dass sie Konkurs anmelden müssten. «Je länger der Stillstand andauert, desto mehr werden es sein», führt Andreas Züllig gegenüber dem Fernsehen weiter aus.

Forderungen an das Parlament
Aufgrund dieser massiven Einbussen gepaart mit einer Verlängerung des Lockdown müssten die bereits bestehenden und installierten Instrumente des Bundesrats dringend ausgebaut sowie punktuell ergänzt werden, fordert HotellerieSuisse. 

Nun müsse auch das Parlament handeln und selber aktiv werden. Der Branchenverband verlangt, dass für touristische Akteure die Covid-Überbrückungskredite bis zu 500'000 Franken während der gesamten Laufzeit zinslos gewährt werden soll, um zusätzliche finanzielle Bürden und Planungsunsicherheiten für betroffene Betriebe zu vermeiden. Ebenfalls sollen in Härtefällen Rückzahlungspflichten der Notkredite ganz oder teilweise aufgehoben werden. 

Gemeinsam mit neun weiteren Tourismusverbänden will HotellerieSuisse aber auch im Bereich der Nachfrageförderung eine einmalige Entlastungszahlung in Höhe von 27 Millionen Franken, mit der die lokalen und regionalen Tourismuspartner im kommenden Jahr in Kampagnen von Schweiz Tourismus investieren können. «Wir erwarten, dass die Investitionen ansonsten stark einbrechen werden. Damit würde eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, die nur schwer aufzufangen wäre», wird Claude Meier, Direktor von HotellerieSuisse in einem Schreiben an die Mitgliederbetriebe zitiert.

Derzeit plant der Bund zwar das Budget der nationalen Marketingorganisation für ein Impulsprogramm um 40 Millionen zu erhöhen. Dieser Betrag muss allerdings die Beratung in den Kommissionen und die Abstimmungen im Parlament noch überstehen. (htr/npa)