Sterne gehören im 21. Jahrhundert an den Himmel und nicht mehr an Hotelpforten. Das könnte man meinen angesichts der zahlreichen Gästebewertungen, die auf jeder Buchungsplattform aufploppen und an denen sich die Buchenden orientieren. Diese immer objektiver dargestellten Subjektivbewertungen haben die Bedeutung der klassischen Hotelsterne verändert. Früher fungierten Sterne als Entscheidungsgrundlage. Und heute?

«Die Sterne dienen als Qualitätsmerkmal, den Buchungsentscheid fällen die Gäste allerdings immer häufiger aufgrund von Gästebewertungen», sagt der Luzerner Hotelier und Präsident von HotellerieSuisse Region Zentralschweiz, Raymond Hunziker. Die Angebote auf der Website von Schweiz Tourismus stützen sich auf beide Qualitätsgaranten ab, auf die Kundenbewertungen des Portals Trust You sowie auf die offizielle Sterneklassifikation von HotellerieSuisse.

Gästebewertungen können gekauft werden, Sterne nicht

Der Wahrheitsgehalt der Gästebewertungen ist hingegen mit Vorsicht zu geniessen, weil laut Daniel Beerli, bei HotellerieSuisse zuständig für die Klassifikation, «Bewertungen leicht manipuliert und sogar im Abonnement eingekauft werden können». Er hat zu Testzwecken selbst eine Bewertung für ein Hotel in Grossbritannien abgegeben, obwohl er das Hotel nicht besucht hatte. Für die Fake-Bewertung war er vom Hotel sogar verdankt worden.

Die offizielle Sternebewertung mit einem standardisierten Klassifikationssystem erhält gegenüber den Gästebewertungen einen regulatorischen Charakter. Die Sterne zeigen auf, was der Gast minimal erwarten kann, die Gästebewertungen reflektieren, ob das Versprechen eingelöst wird.

Sterne werden europaweit wichtiger
Je weiter die Reise geht, desto wichtiger wird die Vergleichbarkeit der Angebote und Preise. Hotelstars Union hat es sich vor 13 Jahren zur Aufgabe gemacht, europaweit ein einheitliches Klassifikationssystem aufzubauen. Inzwischen hat die Organisation 20 Vollmitglieder, darunter die Schweiz, Deutschland und Österreich, aber auch Dänemark, Belgien und Schweden oder Litauen, Slowenien und die Tschechische Republik. Weitere Länder befinden sich im Bewerbungsprozess.

«Ziel von Hotelstars Union ist es, das System der Hotelklassifikation in Europa zu etablieren», sagt Präsident Markus Luthe. Eine nicht ganz leichte Aufgabe. Wichtige Tourismusplayer wie Frankreich, Spanien, Portugal und Italien fehlen noch. Die Gründe sind unterschiedlich.

In einigen Ländern, etwa in Spanien und Italien, sind die Systeme regional geregelt. Dort brauche es viel Überzeugungsarbeit, damit die Regionen diese Hoheit abgäben und einer nationalen Klassifikation zustimmten und anschliessend Teil von Hotelstars Union werden könnten, sagt Luthe.

Ziel von Hotelstars Union ist es, das System der Hotelklassifikation in Europa zu etablieren.
Markus Luthe, Präsident Hotelstars Union

Bei Frankreich liegen die Gründe anders. Als Vorreiterin der nationalen Klassifikation tut sich das Land schwer, sich einer internationalen Organisation anzuschliessen.

Tripadvisor stärkt Reputation von Hotelstars Union
Die Hotelstars Union ist seit der Gründung gewachsen, hat an Reputation gewonnen und ist zu einem relevanten Ansprechpartner für die Politik und die Reisebranche geworden. Ein Meilenstein ist die Vereinbarung mit dem Reiseportal Tripadvisor. Es übernimmt seit 2022 die offizielle Sternebewertung der Organisation. «Wir sind der Meinung, dass das den Reisenden zusätzliches Vertrauen bei der Buchung von Unterkünften gibt», heisst es bei Tripadvisor.

Luthe ist es wichtig, den gewählten Bottom-up-Ansatz weiterzuverfolgen, statt auf Druck des EU-Parlaments oder der EU-Kommission agieren zu müssen. «Ein behördliches Klassifikationssystem wäre träge und würde den sich wandelnden Bedürfnissen der Gäste und der Hoteliers kaum gerecht werden.»

Die Zukunft wird modular und dynamisch
Die Sterne sind nicht nur in Europa, sondern auch in der Schweiz unbestritten. Seit HotellerieSuisse 2019 die Klassifikationspflicht abgeschafft hat, hat sich nur ein einziger Betrieb nicht mehr klassieren lassen. Der Verband sieht die Auditoren denn auch als Hotelpartner, die einen Expertenblick auf den Zustand der Hotels werfen und die Hoteliers beraten. «Sie sind keine klassischen Kontrolleure», betont Beerli.

Angesichts der Diversifizierung der Hotels wünschen sich einige Hotelièren und Hoteliers einen proaktiveren Austausch bei der Entwicklung neuer Modelle. «Die Gästebedürfnisse verändern sich heutzutage schnell, man muss den Kriterienkatalog entsprechend gestalten», sagt Hotelier Raymond Hunziker. Daniel Beerli versichert, dass die Kriterien alle fünf Jahre revidiert würden. Die nächste Revision stehe unmittelbar bevor.

Zusätzlich antizipiert HotellerieSuisse neue Konzepte, um entsprechend angepasste Klassifikationssysteme einzuführen. Letztmals im Jahr 2019, als Serviced Apartments neu klassiert wurden. Momentan beschäftigen neue Konzepte von Hotels mit gemeinsam nutzbaren Küchen und Essräumen das Klassifikationsteam. «Bis in zehn Jahren soll die Klassifikation dynamischer und modular aufgebaut sein», so Beerli – immer mit dem Fokus, dass die Angebote untereinander vergleichbar bleiben.


Zahlen

Klassierte Hotelzimmer werden mehr gebucht
In den 4479 Hotels in der Schweiz gibt es total 143 749 Gästezimmer. Die Auditorinnen und Auditoren von HotellerieSuisse haben 68 Prozent davon klassiert. Die Mehrheit der Logiernächte, 76 Prozent, werden mit klassierten Hotelzimmern erwirtschaftet. 

TABELLE

Kommentar Tabelle: Von den 38,24 Millionen Logiernächten 2022 wurden über 76 Prozent – 29,2 Millionen – in klassierten Hotels gezählt.

Quelle: HotellerieSuisse und BFS HESTA


Geschichte

Die Sterne kommen aus Florenz

1334
Bereits im Mittelalter verteilte eine Gilde in Italien Sterne. Florentinische Gastgeber mussten sich an die Vorschriften der «Statuti dell’arte degli Albergatori della Città e Contado» zum Umgang mit den Gästen halten und durften dafür einen achtzackigen Stern aufhängen. [IMG 2]

1853
In der Neuzeit gehen die Sterne auf den deutschen Verleger Karl Baedeker zurück. In seinen ikonischen Reiseführern vergab er für besonders Beachtenswertes Sterne.

1926
Als erstes Land in Europa führte Frankreich ein nationales Klassifikationssystem ein.

1979
In den 1970er-Jahren führte die Schweiz ein nationales Klassifikationssystem ein. Es war das weltweit erste privatwirtschaftlich ausgearbeitete und betriebene System. Das Trägerorgan war HotellerieSuisse (damals Schweizer Hotelier-Verein). Wegen seines vorbildlichen Rufs diente es als Basis für weitere Systeme, etwa in Deutschland und Österreich.

2009
In Europa gibt es bislang kein einheitliches Klassifikationssystem. HotellerieSuisse war 2009 Mitinitiantin und Gründungsmitglied von Hotelstars Union. Das Ziel: die Hotels in Europa einheitlich zu klassieren und somit als Referenz für die globale Hotellerie zu gelten. Heute zählt Hotelstars Union 17 Mitgliedstaaten. Tourismusländer wie Frankreich, Grossbritannien, Spanien, Italien und Portugal sind bis heute keine Mitglieder.

2019
HotellerieSuisse entwickelte als weltweit erste Institution eine Klassifizierung für Serviced Apartments.
Das Obligatorium zur Klassifikation für Hotellerie­Suisse-Mitglieder fällt weg. Die Klassifikation kann auch von Nichtmitgliedern bei HotellerieSuisse eingekauft werden. 

Blanca Burri