Andreas Wittmer,  in der Schweiz gibt es elf regionale Flugplätze. Sind diese profitabel?
Der Engadin Airport Samedan ist es. Meines Wissens sind auch andere Regionalflugplätze profitabel, im Gegensatz zu vielen europäischen, welche Billig-Airlines oft zu günstige Konditionen gewähren. Bei uns schlagen jedoch hohe Kosten für die Erneuerung der Infrastruktur zu Buche und die erheblichen Luftraum-Managementkosten übersteigen oft den erwirtschaftetem Gewinn. Dafür gibt es Unterstützung vom Bund.

Eine Analyse vor elf Jahren ergab, dass der Engadiner Flughafen rund 108 Millionen Franken oder knapp 8 Prozent Bruttowertschöpfung im Oberengadin generiert. Wie kann diese gesteigert werden?
Wichtig ist, dass der Engadiner Flughafen den Bedürfnissen der Region gerecht wird. Den dortigen Fremdenverkehr gab es zwar schon vor dem Flugplatz, durch diesen entwickelte sich der Tourismus jedoch speziell zum Luxussegment. Damit sich das touristische Wirtschaftssystem im Oberengadin weiter entwickeln kann, ist diesem Kundensegment nachhaltig eine Flughafeninfrastruktur bereitzustellen. Aber auch Hobbyflieger leisten einen Wertschöpfungsbeitrag, der mit einem Ausbau gesteigert werden kann.


Zur Person[IMG 2]

Andreas Wittmer leitet das Kompettenzzentrum für Luftfahrt an der Universität St. Gallen und ist Mitglied der Verwaltungskommission des lnfrastrukturunternehmens Regionalflughafen Samedan (Infra RFS).


Die Luftfahrtbranche kriselt seit Jahren. Machen langfristige Investitionen in Millionenhöhe überhaupt Sinn in Samedan?
Der geplante Ausbau ist bedarfsgerecht. Der Flugplatz erhält so eine regelkonforme Abflughalle mit Schengen und Non-Schengenbereich und einen Tower mit 360-Grad-Sicht, was heute nicht der Fall ist, aber regulatorisch verlangt wird. Auch erhalten die Flugzeuge einen nutzbaren Hangar, wie das früher mal war. Im jetzigen sind Bürocontainer untergebracht, welche im Neubau genügend Fläche erhalten. Zu wenig Abstellplatz haben zurzeit auch die Betriebsfahrzeuge und Flugzeuge. Letztere parken im Winter deshalb auf einem künstlich erstellten Eisfeld.

Erhalten die Flugzeuge mehr Abstellplätze – führt das zu mehr Einnahmen und weniger Flugbewegungen?
Müssen Flugzeuge weniger oft wegfliegen, um auf einem anderen Flughafen zu parken, reduziert das die Emissionen und erhöht die Abstelleinahmen. Zudem bleiben die Piloten im Engadin, was wiederum touristische Wertschöpfung generiert.

Im Tourismus sind Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaneutral hoch im Trend. Wie reagiert die Luftfahrt darauf?
Mit technologischem Fortschritt. In den letzten Jahren konnte der Kerosinverbrauch durch neue Technologien sowie leichtere Bauweise der Flugzeuge beträchtlich reduziert werden. Ein neuentwickeltes synthetisches Kerosin absorbiert CO2 aus der Luft und lässt in Verbindung mit Wasser neues Kerosin entstehen, was zu einem CO2-neutralen Kreislauf führt. Bei kleineren Schulflugzeugen wurden neue Batterien und Elektroantriebe implementiert und man kann davon ausgehen, dass in 15 Jahren auch Business-Jets bis 1000 km elektrisch fliegen können. Die Luftfahrt soll bis 2050 CO2-neutral werden und daran arbeitet sie auch.

Das Luxushotel Badrutt’s Palace bot Anfang 2020 – direkt vor Corona – erfolgreich Direktflüge für knapp 900 Franken zwischen London und Samedan an. Haben solche Modelle Zukunft?
Das Beispiel hat gezeigt, es gibt einen Markt dafür. Die Flugzeuge waren schnell ausgebucht. Auch viele Engadiner nutzten und schätzten diese Möglichkeit. Trotz des hohen Flugpreises sind solche Flüge aber nicht oder nur knapp rentabel. Grössere Flugzeuge könnten zwar eine Rentabilität bei gleichen oder tieferen Preisen erzielen, können den Flughafen aber aufgrund seiner Höhenlage, der Pistenlänge sowie der steilen Steig- und Sinkwinkel kaum anfliegen.

Die Hin- und Rückflüge nach London kosteten 1600 Franken. Wird die Luftfahrt immer mehr zu einem Luxusgut für Wohlhabende?
Zurzeit steigen die Preise in der Tat stark an, was auf Corona zurückzuführen ist. Die Airlines müssen ihr Personal schulen, Flugzeuge warten und wieder in Betrieb nehmen, Schulden zurückzahlen sowie Prozesse neu aufnehmen und organisieren. Hinzu kommt der hohe Kerosinpreis. Das alles geht ins Geld. Gleichzeitig wollen mehr Leute fliegen als erwartet. Die derzeitigen hohen Preise werden sich in den nächsten zwei Jahren aber wohl wieder normalisieren. Bei den in Samedan möglichen Charterflügen werden sie jedoch hoch bleiben, weil für diesen Nischenmarkt nur kleinere Flugzeuge Sinn machen.[RELATED]

Es besteht die Möglichkeit, dass die Gemeinden die Erneuerungen finanzieren oder Private. Was sind die Vor- und Nachteile, würde der Flughafen (teil)privatisiert?
Ein öffentlich finanzierter Flugplatz gehört der Bevölkerung. Sie hat somit auch das Sagen zum  Flughafen und dessen Entwicklung, trägt aber auch das Risiko. Private Finanzierungen können sehr unterschiedlich sein. Eine Aktiengesellschaft zum Beispiel könnte offen sein für Beteiligungen aus der Bevölkerung. Allerdings bräuchte es sicherlich einen grösseren institutionellen Investor, um die Finanzierung zusammenzubekommen.