Geschichten zu erzählen und diese zu inszenieren – das ist ihre Kernkompetenz. Sie tun dies meist draussen in der Landschaft, manchmal in Hotels oder anderen Freizeiteinrichtungen. Da sind etwa der Jodlerweg im Simmental, das Arosa Bärenland, das Fichtenschloss im Zillertal, die Fotospots «Wiege der Schweiz» und «Grand Tour of Switzerland», Interieurs in Reka-Feriendörfern oder Inszenierungen im Wellness-Therme Fortyseven in Baden.

«Wir schaffen Geschichten, die man erleben kann», sagt Matthias Imdorf, Mitgründer der Luzerner Kreativagentur Erlebnisplan. «Sie werden oft multisensorisch erzählt: visuell, haptisch und auditiv.» Mit den Inszenierungen verwandelt das Team von Erlebnisplan Landschaften in touristische Attraktionen. Das Ziel: mehr Besucher anzulocken und für mehr Erlebnisqualität für die Gäste zu sorgen. «Oft sind es Bergbahnen, die bei uns anklopfen», sagt Imdorf. Sie wollen ihre Destination im Sommer attraktiver machen.

«Die Leute brauchen einen Grund, an einen Ort zu reisen und sich dort aufzuhalten.»
Philipp Berweger, Erlebnisplan Luzern

«Es geht dann darum, das Besondere einer Destination herauszuarbeiten», erklärt sein Kollege Philipp Berweger, Projektleiter, Konzepter und Designer. Denn im Grunde genommen sind die Angebote von Bergbahnen schweizweit alle gleich: Die Bahn fährt den Berg hoch, es gibt Verpflegungsmöglichkeiten, die Aussicht ist toll. Aber: «Die Leute brauchen einen Grund, an einen Ort zu reisen und sich dort aufzuhalten.»

«Eine Inszenierung soll sowohl Kinder als auch Erwachsene  ansprechen.»
Matthias Imdorf, Erlebnisplan Luzern

Ausflügler wollen mehr als eine schöne Landschaft
Fürs Zillertal erfanden sie die Geschichte rund um das Fichtenschloss. Im Fichtenwald steht nun ein vielfältiger Abenteuerspielplatz, gebaut aus nachhaltigen Materialien. Wer nicht klettern und herumtollen mag, kann im Fichtensee schwimmen oder auf den Liegeplätzen aus Fichtenholz die Sonne geniessen.

Denn ihre Zielgruppe sind nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene: «Inszenierungen sollen nicht nur die Kinder unterhalten, sondern auch die Eltern beschäftigen.» In St. Stephan im Simmental erzählen sie die Geschichte des Jodelns, bei den Figuren des Themenweges gibts Wissenswertes zu lesen, ein Suchspiel zu lösen, Vogelmelodien zu hören und vieles mehr.

Der Bär als Publikumsmagnet in allen Formen
Ihr bisher umfassendstes Projekt ist das Arosa Bärenland. «Hier konnten wir bei der gesamten Destinationsentwicklung mitwirken und die Customer Journey von Chur bis nach Arosa und ins Bärenland gestalten», erzählt Berweger. Arosa Tourismus hatte zusammen mit der Tierschutzorganisation Vier Pfoten die Idee, Bären im Bündner Dorf anzusiedeln.

«Die Story war also der Bär. Rund um ihn haben wir die verschiedenen Attraktionen kreiert», erzählt Berweger. Es gibt beispielsweise den Wipfelpfad, der durch das Bärengelände führt  – und nicht bloss ringsum. Bei der Aussichtsplattform gibt es eine interaktive Ausstellung zur Geschichte der Bärenhaltung, beim Bärenminigolf frisst man sich Winterspeck an, statt Punkte zu sammeln, und mit etwas Glück ist beim Öffnen des Schliessfachs Bärengebrüll zu hören.

«Jedes Element steht in Bezug zum grossen Ganzen.»
Philipp Berweger

Auf dem Weisshorn ist Meister Petz ein beliebter Fotospot: ein riesiger Bär aus Stahl, der mittlerweile ein Fell aus «Arosabändeln» trägt. Das Thema wurde in vielfältigster Weise behandelt, man kann sehen, hören, riechen, interaktiv sein. «Wichtig dabei: Jedes Element steht in Bezug zum grossen Ganzen», erklärt Berweger.  

Karge Infrastruktur verwandelt sich in Hotspot
Bahninfrastrukturen in Skigebieten sind oft lieblos. Im Winter verschwinden die brachialen Bauten in Schnee und Bergsportgewimmel, im Sommer fallen sie auf – leider. «Umbauten und Neubauten sind in den Bergen aber oft ein schwieriges Unterfangen», meint Imdorf.

Doch Erlebnisplan denkt ums Eck und findet immer wieder Lösungen: Auf der Bergstation Rinderberg in Zweisimmen haben sie die garstige Hausfassade in einen vertikalen Spielplatz und visuellen Hingucker verwandelt.

Vorbild Österreich, Pioniere in der Schweiz
Der Startschuss von Erlebnisplan fand in Österreich statt. Dort gibt es tourismusintensive alpine Destinationen wie Serfaus-Fiss-Ladis, wo mit der richtig grossen Kelle angerichtet wird, sommers wie winters. Der Ort ist eine einzige Erlebnisdestination: Unzählige Themenspielplätze, Themenwege und Outdoor-Attraktivitäten warten auf Gross und Klein – im Tal und auf dem Berg.

«Österreich war und ist in der alpinen Tourismusentwicklung ein Benchmark.»
Matthias Imdorf

«Österreich war und ist in der alpinen Tourismusentwicklung ein Benchmark», sagt Imdorf. Nach den ersten Projekten in Österreich vor gut zehn Jahren rannte das Team von Erlebnisplan mit seinen Ideen auch in der Schweiz offene Türen ein. «Unser Know-how war sehr gefragt», erinnert er sich. «Wir sind in eine Lücke gesprungen.»

Jedes Projekt ist ein Prototyp – was funktioniert?
Imdorf hat früher in Museen Ausstellungen konzipiert, Berweger ist ausgebildeter Bühnenbildner. Ihre Inszenierungen funktionieren auch in Hotels, um das Gästeerlebnis zu steigern: Im Reka-Dorf Sörenberg haben sie Flora, Fauna, Geologie und Alpwirtschaft in den Innenraum gebracht und machen so die Biosphäre Entlebuch erlebbar.

«Wie produzieren jedes Mal Prototypen.»
Philipp Berweger

Sosehr sie ihre Projekte bis ins Detail durchdenken, die Inszenierungen alleine garantieren keinen langfristigen Gästeaufschwung. «Genauso wichtig ist die nachhaltige Bewirtschaftung des Angebots», sagt Imdorf. Und da sie in jeder Destination etwas Neues kreieren, sind Erfahrungswerte schwierig: «Wie produzieren jedes Mal Prototypen.»

Es gibt aber auch Selbstläufer, wie das Honigland in Arosa. Ein Kinderskihang wurde Teil des Bärenlandes: Überdimensionierte Honiglöffel sind Slalomstäbe, es gibt Bienenstöcke zum Durchfahren: mit Löchern, die den Umriss eines Bären haben. Das Honigland ist der Renner.

Oder da sind die zwölf Gondeln der Lenker Betelbergbahn, welche einer Kuh, einer Ziege und einem Murmeli gewidmet sind. Es gibt regelmässig Gäste, die geduldig auf die nächste Tiergondel warten.

 

 


 

 

Jürg Stettler, Leiter des Instituts für Tourismus und Mobilität an der Hochschule Luzern HSLU

Was braucht es, damit eine Winterdestination auch im Sommer attraktiv ist?
Es braucht auf die Standortvoraussetzungen und die anvisierten Zielgruppen abgestimmte attraktive Angebote wie Erlebnisse und passende Veranstaltungen. Eine Schlüsselrolle spielen die Aktivitäten – wie Wandern, das immer wichtigere Segment der Biker und Aktivitäten für Familien.[IMG 16]
Zusätzlich braucht es aber auch ein attraktives Angebot im Ort. Dazu gehören insbesondere qualitativ sehr gute Unterkunfts- und Verpflegungsmöglichkeiten wie Hotels, Gruppenunterkünfte und Ferienwohnungen sowie Restaurants, Cafés, Bars und so weiter.

Reicht eine schöne Landschaft nicht?
Eine intakte und schöne Landschaft ist im Sommer wesentlich wichtiger als im Winter. Stark auf den Winter ausgerichtete Destinationen sind aber im Sommer oft nicht gleich attraktiv, weil die Bahnanlagen, Pistenplanierungen und Beschneiungsanlagen die Landschaft beeinträchtigen und weil das Angebot zu einseitig primär auf den Winter ausgerichtet ist.

Die Inszenierung von Angeboten: Schöpft man in der Schweiz das Potential genügend aus?
Erlebnisse sind entscheidend für den Erfolg einer Destination. Es braucht daher eine konsequente Ausrichtung und Inszenierung des Angebots als Grundlage für die Schaffung von Erlebnissen. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Formen von Erlebnisinszenierungen. Gerade wenn es um die Landschaft geht, ist weniger manchmal mehr. Im Schweizer Tourismus besteht ein grosses Potenzial, obschon die Vorgehensweise für die Inszenierung von Angeboten eigentlich bereits seit bald 20 Jahren bekannt ist.

Wie schafft man ein gutes Erlebnis?
Die Basis für ein Erlebnis bildet die Top-Qualität von jedem einzelnen Angebot. Hilfreich ist auch die Ausrichtung auf authentische Themen, die eine Differenzierung sowie eine spezifische und klare Positionierung der Destination ermöglichen.

Ist das Arosa Bärenland exemplarisch für die Inszenierung einer Landschaft?
Das Arosa Bärenland ist ein gutes Beispiel für eine gelungene thematische Inszenierung. Es ist eine wichtige Attraktion für Arosa geworden, die es dem Ort ermöglicht, sich im Sommer von anderen Destinationen zu differenzieren. Das Bärenland ist aber nicht nur eine bedeutende Attraktion für die Gäste vor Ort, sondern es ist auch sehr hilfreich für die Kommunikation und Vermarktung von Arosa. Das Thema und die Inszenierung sind authentisch sind und passen gut zur Destination.