Als «Meilenstein» wurde die Gründung der Gstaad Marketing GmbH im Jahr 2016 von den Beteiligten gefeiert. Trotzdem wurde vor wenigen Tagen beschlossen, just diesen Meilenstein zu Grabe zu tragen. In Zukunft wird der Tourismus im Saanenland wieder ohne separate Marketingorganisation beworben. Zurück bleiben «fassungslose» Angestellte und die Sorge, im bernischen Nobelferienort könnten alte Grabenkämpfe wieder aufbrechen, aber auch die Zuversicht, dass nun vieles einfacher wird.

Doch der Reihe nach: Der Anfang vom Ende für die Gstaad Marketing GmbH war der 13. Februar. Damals lehnten die Stimmberechtigten der Gemeinden Saanen und Gsteig den Finanzierungsantrag des Destinationsmarketings ab. Die Gesellschafter von Gstaad Marketing – Gstaad Saanenland Tourismus, Bergbahnen Destination Gstaad, Hotelierverein Gstaad-Saanenland und Gewerbeverein Saanenland – einigten sich in der Folge und nach reiflicher Überlegung auf eine neue Verteilung der Marketingaufgaben – einstimmig, wie sie betonen.

Destination und Bahnen übernehmen das Marketing
«Künftig werden Gstaad Saanenland Tourismus und Bergbahnen Destination Gstaad eigene Marketingkompetenzen aufbauen», heisst es in der Mitteilung. Die Tourismusorganisation wird dabei das übergeordnete Destinationsmarketing übernehmen. Hotelier- und Gewerbeverein sollen ihre Anliegen über den Vorstand der Destination und den Verwaltungsrat der Bergbahnen einbringen können. Keinen Platz im neuen Konzept hat die Gstaad Marketing GmbH. Sie wird Ende Oktober aufgelöst. Den 14 Angestellten wird gekündigt.

In einem offenen Brief zeigten sich die betroffenen Angestellten «fassungslos und traurig». Sie befürchten, dass nun wieder die alten Grabenkämpfe aufbrechen. Man kehre zur Struktur zurück, die vor 2016 immer wieder zu Querelen zwischen der Tourismusorganisation, den Bergbahnen und dem Hotelierverein geführt habe, «einer Struktur, in die sich die Gemeinde einmischen musste, damit Gstaad Saanenland Tourismus und Bergbahnen Destination Gstaad konstruktiv zusammenarbeiten», wie es im Brief heisst.

Revierkämpfe in der Marketingfrage
Tatsächlich war es vor der Gründung von Gstaad Marketing teils zu Revierkämpfen gekommen. «Bei der Frage, was gutes Marketing ist, herrschte latente Uneinigkeit. Da haben die Angestellten recht», sagt Martin Bachofner, zu der Zeit Tourismusdirektor von Gstaad. Schwierig war die Situation auch deshalb, weil die Bergbahnen in einer Sanierung steckten und eine Stimmung des gegenseitigen Misstrauens herrschte, wie verschiedene Quellen sagen. Das Auslagern der Marketingaufgaben wurde als wichtiger Schulterschluss gesehen: «Ein Ziel, eine Marke, ein Team, eine Gesellschaft, eine gemeinsame Strategie», wurde Bergbahn-Chef Matthias In-Albon im «Berner Oberländer» zitiert.

Brechen nun die alten Rivalitäten wieder auf? Das ist nicht ganz ausgeschlossen. Wie so viele Schweizer Destination ist auch Gstaad enorm heterogen. Auf der einen Seite das mondäne Gstaad mit seiner internationalen Ausstrahlung, auf der anderen Seite rurale Dörfer wie Gsteig und Abländschen, wo sich die Zahl der Hotels mühelos an einer Hand abzählen lässt. Die Interessen der Beteiligten lassen sich nicht so einfach unter einen Hut bringen.

Zwischen den Akteuren besteht Konfliktpotenzial
Zwischen Bergbahn und Destinationsorganisation gibt es ebenfalls Konfliktpotenzial: Höchstes Ziel der Destination sind Übernachtungsgäste, Ziel der Bergbahnen Passagiere – ob diese in Gstaad übernachten oder am Abend wieder heim nach Bern, Freiburg oder sonst wo hinfahren, ist der Bahn letztlich egal.

«Die Ansprüche der Organisationen und Interessengruppen an die Vermarktung können tatsächlich sehr verschieden sein», sagt auch Oliver Waser, Präsident von Gstaad Saanenland Tourismus. «Dass wir weiterhin den gemeinsamen Nenner finden», nennt er deshalb als grösste Herausforderung für die künftige Vermarktung. Er zweifle aber nicht daran, dass dies gelingen werde. Ob man erfolgreich sei oder nicht, hänge letztlich von den Köpfen ab, nicht von der Organisation. «Aktuell passen die Köpfe gut zusammen. Ich spüre ein sehr grosses Commitment», sagt Waser.

Kürzere Wege und klare Ansprechpartner
Es gibt weitere Argumente, die für einen erfolgreichen Neustart sprechen. So kann das Marketing durch die vereinfachte Struktur agiler werden. Die Wege von der Idee zur Umsetzung sind kürzer, wenn alles aus einer Hand kommt. Zudem hat die bisherige Struktur bei den Leistungsträgern in der Region öfter für Verwirrung gesorgt, weil ihnen nicht immer klar war, wer bei welchem Anliegen der richtige Ansprechpartner ist. Der schlankere Aufbau könnte hier Abhilfe schaffen.

«Der Destination Gstaad droht ein grosser Verlust an Fachwissen.»

Eliane Zürcher
PR & Marketing Manager bei Gstaad Marketing

Gleichzeitig bremst der Umbau in der Übergangsphase die Vermarktung aus. 11 der 14 Angestellten von Gstaad Marketing haben bereits die Kündigung eingereicht, wie es auf Anfrage heisst. «Aus unserer Sicht droht der Destination Gstaad ein grosser Verlust an Fachwissen», teilt eine Sprecherin im Namen der Belegschaft mit. Aber Gstaad sei stark genug, um den Neustart zu wagen, findet Bachofner.

Wie viele Angestellte in der neuen Struktur weiterbeschäftigt würden, lasse sich derzeit nicht abschätzen, sagt Waser. Aktuell fänden zwar Gespräch statt, aber man dürfe sich nicht allzu grosse Hoffnungen machen. «Das ist zwar sehr bedauerlich, aber am Ende im Sinne eines Neustarts vielleicht nicht das Schlimmste.»


Nachgefragt
mit Marketingexpertin Monika Waldvogel

«Das führt nicht nur in Gstaad zu Reibereien»

Frau Waldvogel, hat Sie der Entscheid aus dem Saanenland überrascht?
Nein, ich bin nicht überrascht. Im touristischen Marketing ist es immer eine immense Herausforderung, alle Partikularinteressen unter einen Hut zu bringen. Das führt nicht nur in Gstaad zu Reibereien.

In Zukunft wollen die Destination und die Bergbahnen das Marketing übernehmen. Wie beurteilen Sie das?
Das ist in der Tourismuslandschaft Schweiz nicht ungewöhnlich. Aber sobald einzelne Leistungsträger im grossen Stil eigenes Marketing betreiben, gehen gewisse wertvolle Synergien und Skaleneffekte verloren. Zudem besteht die Gefahr, dass nicht mehr das für den Gast relevante touristische Gesamtprodukt im Vordergrund steht, sondern ein einzelner Anbieter, zum Beispiel eine Bergbahn, ein Restaurant oder ein Hotel.

Die Angestellten von Gstaad Marketing zeigen sich sehr enttäuscht über den Entscheid. Ist das nicht ein Risiko für die Destination?
Jetzt ist die Zeit, in der die Kampagne für den nächsten Winter geplant wird. Wenn die bestehende Organisation nun mit angezogener Handbremse unterwegs ist, ist es im Herbst für die neue Marketingstruktur schwierig, noch zu reagieren. Zudem droht der Destination mit den Kündigungen wertvolles Know-how verloren zu gehen. Das wäre fatal.

Was muss passieren, dass die neue Marketingstruktur ein Erfolg wird?
Zentral ist, dass sich die Leistungsträger weiterhin austauschten und dass sie weiterhin an einem Strick ziehen.

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