Das weltweit grösste urbane Seilbahnnetz befindet sich über den Strassen der bolivianischen Stadt La Paz; und im Umland von Paris entsteht gerade das erste Gondelprojekt im Rahmen einer multimodalen Erweiterung des Verkehrssystems. In der Schweiz hingegen wird die Züribahn über den See nun definitiv nicht realisiert. Die Landschaftsschützer freuts, die Touristiker weniger.

Urbane Seilbahnen haben es hierzulande schwer, zu gut ist die Erschliessung, zu klein sind die Städte. Selbst in den Bergen wird es kaum noch neue Projekte geben. Aber: «Wir haben einen Investitionsstau. Viele bestehende Bahnen müssen erneuert werden», sagt Berno Stoffel, Direktor Seilbahnen Schweiz. 2021 wurden nur 6 eidgenössisch konzessionierte Anlagen betreut, statt wie üblich deren 20 bis 30.

Facts & Figures

2427 Seilbahnanlagen gibt es in der Schweiz.

1,31 Milliarden Franken Umsatz generierte die Branche in der Saison 2019/20 bzw. 2020.

20,1 Millionen Ersteintritte zählten die Schweizer Skigebiete 2020/2021.

17'567 Mitarbeitende zählt die Schweizer Seilbahnbranche.

53 Prozent aller Pisten in der Schweiz werden beschneit, also 11 975 Hektaren.

Quelle: Statistik 2021,Seilbahnen Schweiz

Keine Leerfahrten, weniger Personal, direkte Verbindungen
Um Innovationen am Berg dreht sich auch das Tourismusforum der Alpenregionen (siehe unten). Vorgestellt wird dort der Flem Xpress – das 80-Millionen-Franken-Projekt der Weissen Arena Gruppe, dessen Vorbereitungsarbeiten diesen Frühling starten. Die Gondeln von Flims via Foppa, Startgels zur Segneshütte und von dort wahlweise nach Nagens oder Ils Cugns fahren dereinst nur, wenn Gäste danach verlangen, sonst bleiben die sogenannten Ropetaxi (entwickelt von der Bartholet AG) in der Station. Unnötige Leerfahrten, die insgesamt übers Jahr bis zu 90 Prozent ausmachen, werden so vermieden.

Laut Medienstelle können mit diesem System «rund 50 Prozent Energie und 70 Prozent Unterhaltskosten eingespart werden». Dank der hochtechnologischen Systemsteuerung brauche es nur noch eine bis zwei Personen, die die fünf Sektionen überwachten.

Kein Dauerbetrieb, nur gezielte Fahrten – das überzeugt auch Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz: «Antriebsmodelle, wie sie derzeit in Flims getestet werden, ergeben auch für die Landschaftswirkung deutliche Vorteile.» Neue Bergbahnen zur Kapazitätserweiterung à la Rigi und Eigerexpress hingegen seien «nicht zukunftsfähig und müssen als Zeichen für unerwünschten Massentourismus angesehen werden».

Viele Besucher dank der neuen V-Bahn in Grindelwald
Ganz anders sieht das Berno Stoffel, der die V-Bahn der Jungfraubahnen als «Leuchtturmprojekt für ganz Europa» bezeichnet. Der in die Landschaft integrierte Terminal für zwei Bahnen, der direkte Anschluss ans ÖV-Netz, die Gästelenkung und die Logistik: «Das setzt neue Massstäbe.»

Die Anlage in Grindelwald BE ist seit gut einem Jahr offen. Zufrieden über den Betrieb zeigt sich Kathrin Naegeli, Medienchefin der Jungfraubahnen: «Die Frequenz von über 900'000 Fahrten ab Talstation im Jahr 2021 ist sicher ein sehr ansprechender Wert.» Dank der V-Bahn verzeichnete das Skigebiet Grindelwald-Kleine Scheidegg im Winter 2020/2021 die zweitbeste Saison der letzten fünf Jahre. «Das Projekt wurde nicht aus der Frosch-, sondern aus der Vogelperspektive geplant. Wir haben uns gefragt: Was ist das Beste für die Region? Was ist das Beste für die Gäste?» Die V-Bahn steigere die Wettbewerbsfähigkeit der Jungfrau-Region und sei der Motor für den Aufschwung, gerade in diesen schwierigen Zeiten.

Selber Strom produzieren und  ästhetischer bauen
Raffinierte und automatisierte Ideen kommen auf die Seilbahn-Branche zu und liegen im Trend. So könnten Roboter künftig das Be- und Entladen von Ski und anderen Geräten für den Gast übernehmen. Autonome Bahnen seien in Frankreich bereits weit verbreitet, und die Österreicher seien stark im Fördern und Halten ihrer gut geschulten Mitarbeitenden, sagt Berno Stoffel. Apropos: Bis heute gebe es keine Ausbildung für Beschneier – eine Berufslücke, die man schliessen könnte.

Auch energietechnisch sieht der Seilbahn-Direktor noch Potenzial. Sei es mit dem Produzieren von Strom dank Fotovoltaik in den Bergstationen oder mit Wasser über die Beschneiungsanlagen. «Leitungen und Gefälle sind da – die dazu benötigte Technologie ist nicht so kompliziert.» Noch in diesem Jahr will der Verband ein Nachhaltigkeitsprogramm starten, das sich all dieser Fragen annimmt.

Immer mehr ins Gewicht fällt der optische Eindruck, den Bergbahnen hinterlassen. Die Zeiten von PVC-Stationshüllen seien vorbei, die Hersteller gefordert, so Stoffel.

Klare Vorstellungen hat da auch Landschaftsschützer Rodewald. «Eine innovative Bergbahn müsste die Sichtbarkeit der Anlagen in der nicht genutzten Zeit auf ein Minimum reduzieren und die Stationsgebäude nutzbar machen – wie beispielsweise im Toggenburg für Ausstellungen.» Und: Die Anlagen sollten baukulturell attraktiver werden, individuell angepasst statt global konstruiert. Dem stimmt Naegeli von den Jungfraubahnen zu: «Jedes Projekt hat seine eigene Geschichte, muss zu den lokalen Begebenheiten und in die Landschaft passen.»

Tourismusforum Alpenregionen
Das 31. Tourismusforum Alpenregionen sorgt für ein Novum: Mit Oberstdorf (D) und dem Kleinwalsertal (AT) wird erstmals eine Zweiländerregion als Gastgeberin amten. Die Fachtagung findet vom 28. bis 30. März 2022 statt und richtet sich an Entscheidungsträgerinnen und Akteure aus der Bergbahn- und Tourismusbranche.

Das Programm greift Themen auf wie Innovation und Nachhaltigkeit – zwei Schlagworte, die zu Leitsternen einer neuen Normalität werden. Kreative Formen der Zusammenarbeit über Länder-, Regions- und Unternehmensgrenzen hinweg sind angesagt. Doch wie kann das gelingen? Gefragt sind ebenso aufgeschlossene Formen von Führungsmodellen, damit die nächste Generation von «High Potentials» sich der Branche zuwendet. Weitere Beiträge befassen sich mit alpiner Architektur, Bike-Boom und integrierten Tourismusunternehmen.

Interessante Exkursionenund spannende Referate
Selbstverständlich bleibt auch Zeit, sich lokale «Spezialitäten» anzuschauen – mit einer abendlichen Fahrt auf das Nebelhorn, dem Besuch diverser Hotelperlen, einer «Skisafari» mit Blick hinter die Kulissen der Bergbahnen oder der Besichtigung von Anlagen des Nordischen Skisports.

Unter den Referentinnen und Referenten ist auch die Schweizer Extremsportlerin Evelyne Binsack, die von ihren Expeditionen an den Nord- und den Südpol sowie auf den Mount Everest erzählen wird. Berno Stoffel (Seilbahnen Schweiz) spricht über die Pandemielösung für Schweizer Bergbahnen, Markus Wolf (Weisse Arena Gruppe) stellt den Flem Xpress vo,r und Marc Schlüssel (Lenzerheide Marketing) erklärt das Bike Kingdom. 

Die htr hotel revue ist Medienpartnerin des Tourismusforums der Alpenregionen. Mehr Infos: tourismusforum.ch