Vor bald 20 Jahren gruppierte sich Vinotiv – sie besteht aus je drei Weinbaubetrieben der vier Dörfer in der Bündner Herrschaft. Nichts hat sich seither an dieser Aufteilung geändert, zu Rochaden hingegen kam es unter den Vertretern. «Faszination Pinot noir» war und ist ihr gemeinsamer Nenner, ein Wein nicht in der Ausformung des süffigen Herrschäftlers, sondern eines Burgunders, stoffig und doch subtil und von einer gewissen Langlebigkeit.

Nun steht erstmals auch eine weisse Version zum Kauf. Aus gutem Grund: Mittlerweile ein knappes Viertel der 420 Hektaren ist mit weissen Sorten bestockt, allen voran mit Riesling-Silvaner (32 Hektaren), Chardonnay (25 Hektaren), Weissburgunder (15 Hektaren), Sauvignon blanc (13 Hektaren) und Pinot gris (11 Hektaren). 30 Prozent trugen die weissen Varietäten letztes Jahr zur Nordbündner Ernte bei. Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit einer weltweit wachsenden Nachfrage nach Weissweinen.

Die Winzerinnen und Winzer setzten vor allem auf die sogenannten Burgundersorten Pinot gris, Pinot blanc und Chardonnay.

Nun muss man wissen, dass in Graubünden bis im 17. Jahrhundert fast ausschliesslich die weissen Sorten Elbling und Weisser Veltliner angebaut wurden. Dann tauchte der Blauburgunder auf, und bald verdrängte er die Weissen fast vollständig, er ist auch heute noch dominant. Erst in den 1970er-Jahren setzte zaghaft die Renaissance der Weissen ein. Dabei setzten die Winzerinnen und Winzer vor allem auf die sogenannten Burgundersorten Pinot gris, Pinot blanc und Chardonnay, und Letzterem kommt nun auch die Ehre zu, die Weissweine der Vinotivler zu repräsentieren – sie sind im Dutzend in der weissen Kiste zum Preis von 480 Franken zu haben.

Alle 12 Weine stammen aus dem Jahrgang 2020, sind in kleinen Holzfässern ausgebaut und hätten eigentlich ein langes Leben vor sich. Bei den Winzerinnen und Winzern ist der Jahrgang – bis auf die Sammelkiste – ausverkauft, weniges findet man mit etwas Glück noch bei Wiederverkäufern, und vieles wird bereits getrunken sein, und dies durchaus mit grossem Vergnügen.


Kostproben

Die Chardonnays von Vinotiv sind so verschieden wie die Winzerinnen und Winzer. Und das ist gut so. Wohl ist ihr Jahrgang derselbe, und die Rebberge, aus denen die Trauben stammen, liegen in überschaubarer Distanz voneinander entfernt. Ein Barriqueausbau und der biologische Säureabbau sind Regel. Und doch gibt es von schlank bis üppig, von zugänglich bis streng, von offenherzig bis verschlossen deutlich Unterschiedliches. Irene Grünenfelders Chardonnay strahlt – gerne hätten wir ihn empfohlen, doch scheint er bereits Geschichte zu sein.

Es burgundert. Malanser Chardonnay 2020[IMG 2]
Weingut Fromm, Malans
75 cl – Fr. 45.–, Real Wines, Vico Morcote


[IMG 3]Animierend. Chardonnay 2020
Möhr-Niggli, Maienfeld
150 cl – Fr. 106.–, von Salis, Landquart


Viel von allem. Chardonnay Grand Maître 2020[IMG 4]
Weingut Hermann, Fläsch
75 cl – Fr. 49.50, Selection Widmer, Eschenbach


Stefan Keller ist regelmässiger Autor bei der «Schweizerischen Weinzeitung» und ist in der Valtellina als Weinproduzent tätig. Er zählt zu den Gründern der Vereinigung Mémoire des Vins Suisses und ist Ehrenmitglied des Sommelier-Verbands Schweiz. Stefan Keller lebt und arbeitet in der Schweiz und in Wien.[DOSSIER]

www.stefankellerpartner.com