Viele Betriebe in den Städten müssen aufgrund von Corona-Bestimmungen und aus wirtschaftlichen Überlegungen vorübergehend ganz oder teilweise schliessen. Manche für ein paar Wochen, andere gleich für zwei oder drei Monate. Für Mitarbeitende kann bis zum Wieder-hochfahren des Betriebes Kurzarbeitsentschädigung beantragt werden. Anders sieht es bei den Lernenden aus. Letzte Woche hat das Parlament eine Kurzarbeitsentschädigung für Lernende definitiv abgelehnt. Die Absicht dahinter ist offensichtlich: Ausbildung soll garantiert bleiben. Lernende dürfen nicht in die Kurzarbeit abgeschoben werden.

Keine Kurzarbeit für Lernende – Hotels zeigen sich engagiert
In der betrieblichen Praxis erweist sich diese edle Absicht als grosse Herausforderung. Das weiss man auch bei den Berufsbildungsämtern der Kantone. Brigitta Spalinger, Leiterin Lehraufsicht in Basel, erwartete aufgrund der Hotelschliessung eine Flut von Unterstützungsanfragen. Da sie von den Lehrbetrieben, welche sich grösstenteils im Lockdown befinden, jedoch nichts hörte, fragte sie Ende letzter Woche bei jedem einzelnen nach. Sie windet den Ausbildungsbetrieben ein Kränzchen: Selbst bei den geschlossenen Hotels stelle man das Vermitteln der vorgeschriebenen Leistungsziele sicher. «Es ist toll, wie – trotz Kurzarbeit und Schliessungen – kreativ Lösungen gesucht und gefunden werden.»

Eine solch kreative Lösung bietet das Hotel Glockenhof in Zürich. Aufgrund der tiefen Auslastung bewirtschaften aktuell überwiegend die 12 Lernenden, ihre Ausbildner und Gastgeber Matthias Sutter das 91-Zimmer-Hotel mit zwei Restaurants sowie Seminarbereich. Um den 4-Sterne-Superior-Service trotzdem sicherzustellen, wird von den Lernenden Flexibilität und Engagement erwartet, drei verschiedene Einsatzbereiche an einem Arbeitstag sind keine Seltenheit: «Unsere Lernenden arbeiten operativ aktuell so generalistisch wie ein ‹Hoko›.»

Nicht alle Betriebe haben Möglichkeiten wie Sutter. In den letzten Wochen habe er immer wieder Anfragen anderer Stadt-hoteliers erhalten, ob er nicht noch Platz für einen zusätzlichen Lernenden habe. Hotels können sich auch direkt an das Berufsbildungsamt wenden, welches bei einer etwaigen Kündigung sowieso ein Wort mitzureden hätte. Die Ämter helfen bei der Weitervermittlung, oft mit Unterstützung von HotellerieSuisse. Der Verband in Bern bringt Hotels, kantonale Ämter und Lernende zusammen. Mehr als 65 Mitgliederhotels haben sich bereit erklärt, einen oder mehrere Lernende aufzunehmen. Darunter 19 Hotels in den Bergregionen und 11 Betriebe in den Städten. So wurden kürzlich vier Lernende von Zürich nach Graubünden vermittelt.

Matthias Sutter vom Zürcher «Glockenhof» will 2021 gleich viele Lernende beschäftigen. In vielen Stadtbetrieben wird das jedoch nicht der Fall sein. Neben der Sicherstellung der laufenden Ausbildungsverhältnisse ist die diesjährige markante Abnahme neuer Lehrverträge die zweite grosse Sorge beim Nachwuchs. Je nach Beruf sank 2020 die Zahl der Lehrvertragsabschlüsse zwischen 5 und 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Am drastischsten war die Abnahme in der Westschweiz (–25 %) und im Tessin (–45 %). Und dies trotz erstmals wieder mehr Schulabgängern.

Max Züst, Direktor Hotel & Gastro Formation Schweiz, sieht in den hohen Initialkosten für die Lernenden eine der Hürden für einen Lehrstart im Gastgewerbe. Seine Idee: Mit den – ausreichend vorhandenen – LGAV-Geldern die vergleichsweise hohen Materialkosten bei einem Berufseinstieg ins Gastgewerbe mitfinanzieren. Eine Massnahme, die auch nach Corona den Nachwuchs sicherstellen und deshalb in der Branche diskutiert werden solle, meint Züst.

Bei der Hotel & Gastro Formation Schweiz hatte man in der Lockdownphase im Frühjahr zudem ein Projekt entwickelt, um auch die Betriebe zu Beginn der Grundbildung zu entlasten. «Am Anfang ist die Investition in den Lernenden am grössten», so Züst. Die Idee: Statt im Betrieb zu starten, werden die Lernenden gemeinsam drei Monate «beschult». Sowohl für die Betriebe als auch die Kantone würde das grundsätzlich auf ein «Nullsummenspiel» hinauslaufen: Die ersten drei überbetrieblichen Kurse als auch die anfänglichen Kosten der Kantone für Lehrpersonen wären bereits abgedeckt. Doch das Interesse der Kantone blieb aus. «Wir haben das Projekt in der Schublade. Auch 2021 wird kein einfaches Lehrjahr», so Züst.

Der Bund finanziert neue Programme bis zu 80 Prozent
Bei den Berufsbildungsämtern hat man momentan andere Probleme. Spalinger beunruhigt vor allem die Situation der Lernenden im dritten Lehrjahr. Diese hätten im zweiten Lehrjahr bereits unter dem Lockdown gelitten, aktuell seien viele in Betrieben, die entweder zu oder stark reduziert arbeiteten. «Wie bringen wir die durch die Prüfung?», ist Spalingers grösste Sorge. Die Leiterin Lehraufsicht spielt mit dem Gedanken, im Vorfeld der Prüfungen im kommenden Mai Trainingsangebote für die Lernenden zu initiieren – und sie so prüfungstauglich zu trimmen.

Solche Zusatzangebote kosten Geld. Der Bund respektive das SBFI übernehmen im Zuge der Corona-Krise bis zu 80 Prozent der Kosten. Im Fokus stehen Projekte im Bereich Coaching von Jugendlichen, Erhalt und Schaffung von Lehrstellen, Lehrstellenbesetzung, Erarbeitung neuer Ausbildungsmodelle sowie Vermeidung von Lehrvertragsauflösungen. Unterstützt werden Kantone und Organisationen der Arbeitswelt.

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