Wenn Karl Wild im Hotelrestaurant sitzt, umschwärmt ihn das Personal und sorgt dafür, dass alles klappt. «Ich beobachte dann jeweils an den Nebentischen, wie es dort läuft», sagt der Hoteltester.

Seit bald 30 Jahren besucht und bewertet der Journalist Hotels. Karl Wild kennt die Hotellerie, und die Hotellerie kennt ihn. Er weiss, wie er sich ein Bild vom Betrieb machen kann, auch wenn die meisten Hotels wissen, dass sie gerade getestet werden. «Augen und Ohren offen halten», lautet seine Devise. Zum Beispiel in der Hotellobby: Der Hoteltester hört zu, wie die Réceptionisten mit Gästebeschwerden umgehen. Oder er fragt einen Gast an der Hotelbar, wie es ihm im Hotel gefällt, wenn es von der Unterhaltung her gerade passt. Und er redet mit dem Personal. «Wenn es den Angestellten gut geht, prägt das die Stimmung. Das färbt auf die Atmosphäre im Hotel ab», sagt der 75-Jährige.

Je länger, je stimmigere Klassierung
Als Wild vor vielen Jahren als damaliger Journalist des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» mit dem Hotelrating startete, fühlten sich viele Hotels durch ihn vor den Kopf gestossen. «Sie drohten mir mit rechtlichen Schritten», erinnert er sich. Tatsächlich seien seine Klassierungen am Anfang teils noch etwas unbedarft gewesen. Denn er habe damals stärker das Hotel als Gebäude an einer bestimmten Lage betrachtet und der «Software» zu wenig Bedeutung geschenkt.

Mit «Software» meint er Gastfreundschaft, Service oder Atmosphäre. Mit zunehmender Erfahrung seien die Bewertungen stimmiger geworden, auch für die Hoteliers, so Wild. Und damit sei die Akzeptanz gewachsen. «Die Hoteliers beobachten genau, ob ich beginne, Sympathien für bestimmte Hotels zu entwickeln», sagt Wild. Dies könne er sich mit Blick auf die Glaubwürdigkeit aber nicht leisten.

Stets auf Einladung im Hotel
Heute laden ihn die Hotelmanager ein, wollen ihm die neue Wellnessanlage, den neuen Garten, das neue Fumoir, den neu gebauten Hafen am See zeigen. Die Rechnung geht aufs Haus. «Wenn ich das alles selbst bezahlen müsste, würde das eine Viertelmillion kosten. Aber ich lade mich nie selber ein», sagt Wild. Gefälligkeitsnoten verteilt der Tester nicht.

Die Hoteliers beobachten genau, ob ich beginne, Sympathien für bestimmte Hotels zu entwickeln.
Karl Wild
Journalist und Hoteltester

Bis heute erhalte er denn auch böse Zuschriften als Reaktion auf das Rating. «Manchmal sind Wut und Enttäuschung gross, wenn jemand im Rating absteigt oder gar rausfällt.» Dadurch entstehe allerdings ein Austausch. Oft besucht er aufgrund solcher Reaktionen das jeweilige Hotel, auch im Hinblick auf das nächste Rating. «Man sollte nie denken, dass man alles weiss. Es braucht Demut.» Der Hoteltester logiert pro Jahr in 50 Hotels, ein rund 15-köpfiges Team unterstützt ihn bei seiner Arbeit. Auch seine Frau Ruth begleitet ihn immer wieder, was gerade bei der Bewertung von Spa-Angeboten sehr hilfreich sei.

Wilds Tester bewerten anhand von zehn Kriterien (siehe Beitrag unten). Wie nachhaltig ein Hotel ist, fliesst dabei nicht in die Bewertung ein. Bei einem Rating «Die zehn nachhaltigsten Hotels» wäre er sofort dabei, sagt Wild. Doch dies zu bewerten, sei nicht möglich, weil der Begriff vieldeutig sei und jeder etwas anderes darunter verstehe. Wild sieht denn auch das Überangebot an Labels kritisch. Diese meist privat angebotenen Siegel liessen sich im Prinzip einkaufen. «HotellerieSuisse und Schweiz Tourismus sollten einmal zusammen ein Label lancieren, bei dem man weiss, was es ist.» Für Gäste seien Labels ohnehin nicht ausschlaggebend. «Sie wollen einfach schöne Ferien haben.»

Ghostwriter für Unternehmer
Dabei ist das Hotelrating nicht sein einziges Projekt. Wild schreibt als Ghostwriter Memoiren. Bisher etwa über den Unternehmer Werner Spross, über Hausi Leutenegger oder den Hotelier Stefan Götz. Mit ihm reiste er im Privatjet nach Ibiza, wo Götz ihm in seiner Traumvilla sein Leben erzählte. Wild hat zudem mit einem weiteren Projekt begonnen. Für ein Reisebüro schreibt er redaktionelle Texte, die einen Reisekatalog anreichern. «Das mache ich auch noch. Das passt noch rein.»

Und Wild ist für eine Marketingorganisation im Bereich Hotellerie weltweit unterwegs. Was ihm viele Beispiele für den internationalen Vergleich liefert. «Ich stelle immer wieder fest, wie gut die Schweizer Hotellerie ist.» Rang eins für die Schweiz also. Vor allem der äussere Rahmen lasse die hiesige Hotellerie herausragen: Die grosse Vielfalt des Landes mache die hiesige Hospitality unvergleichlich. «Wir haben die höchsten Berge, den Genfersee und einen subtropischen Kanton. Je älter man wird, desto mehr schätzt man die Schweiz.»

Es gebe kein Land, in welchem die Leute im Service zwei oder drei Sprachen sprächen. Darum gelte es, dem Personal Wertschätzung entgegenzubringen. Den besten Hoteliers sei das klar. Sie hätten keine personellen Probleme. «Die besten Unterkünfte haben die besten Mitarbeitenden.»

Am Montag auf dem Golfplatz
Wild ist auch nach vielen Jahren noch leidenschaftlicher Hoteltester. «Es wird mir nie langweilig.» Er schätzt den Kontakt mit der heutigen Generation der Hoteliers, die meist zwischen 40 und 50 seien. Sie hätten an vielen Orten im In- und Ausland gearbeitet und seien sehr weltoffen. «Wenn ich mit ihnen plaudere, hält mich das geistig jung», sagt Wild.

Überhaupt ist Wild glücklich mit seiner Karriere. «Mit 50 habe ich mich selbstständig gemacht. Von da an lief es wie der Teufel.» Kaum war die erste Biografie fertiggestellt, hatte er schon drei weitere Buchprojekt-Anfragen. «Ich kann seither mein Leben so gestalten, wie ich will. Wenn es am Sonntag regnet, gehe ich ins Büro. Und wenn es am Montag schön ist, bin ich auf dem Golfplatz. Schöner kann man es nicht haben.»

Viele Prämierte, grosse Freude: 

An der Buchvernissage des Hotelführers «Die 100 besten Hotels der Schweiz 2023/2024» im «The Dolder Grand» in Zürich freuten sich Branchenvertreterinnen und -vertreter über ihre Auszeichnung. Der anschliessende Apéro riche bot Gelegenheit zur Kontaktpflege.

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Die Gewinner der fünf Hauptkategorien

Diese Hotels sind diesmal (wieder) an der Spitze

Die neuen Sieger sind im Prinzip die bisherigen: Das Hotel Eden Roc avancierte vom zweiten Platz auf den ersten. In den übrigen Kategorien blieben die Sieger des Vorjahrs in der Top-Position. Auch auf den weiteren Rängen finden sich oftmals Hotels, die schon zuvor diesen Rang belegten. Karl Wild und sein Team bewerten die Hotels nach zehn Kriterien: Gastfreundschaft, Charisma und Innovationsfreude des Hoteliers, Charakter und Originalität des Hauses, Lage und Freizeitangebot, Gästebewertungen, Preis-Leistungs-Verhältnis, subjektiver Gesamteindruck der Tester. Zudem fliessen Bewertungen «massgeblicher Hotel- und Restaurantführer» sowie «Qualitätskontrollen führender Hotelvereinigungen» ein.

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Bestes Ferienhotel
Nachdem Karl Wild fünf Jahre in Folge das Hotel Castello del Sole zum besten Ferienhotel kürte, steht dieses Mal das Hotel Eden Roc Ascona an der Spitze. Dass das «Castello del Sole» nun auf Platz zwei absteige, bedeute nicht, dass es nachgelassen habe, versichert Karl Wild. Doch nun sei das «Eden Roc» zurück und spiele seine Stärken wieder voll aus. Das unvergleichliche Wassersportangebot, die vier Restaurants am See und die kulturellen Highlights machten den kleinen Unterschied aus. 

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Bestes Nice-Price-Ferienhotel
Im Ranking ist das Hotel Vitznauerhof wie in den beiden vorhergehenden Jahren bestes Nice-Price-Hotel. Raphael Herzog setze mit seinem jungen Team «voll auf Lifestyle, Lebensfreude, Romantik und Kulinarik» und eine rauschende Silvesterparty, was für Ibiza-Feeling am Vierwaldstättersee sorge. Herzog habe gezeigt, «was aus einem todgeweihten Hotel zu machen ist, wenn man es richtig macht». Wild ehrt Herzog dieses Jahr zudem mit dem Titel «Hotelier des Jahres». 

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Bestes Wellnesshotel
«Da gab es nichts zu rütteln. Das Grand Resort Bad Ragaz, Europas bestes Gesundheits- und Wellnesszentrum, bleibt an der Spitze», schreibt Karl Wild in seiner Würdigung. Das unlängst totalrenovierte Herzstück «Quellenhof» floriere wie nie zuvor. Der Turm mit den Spa-Suiten sei ebenso eine Wucht wie die Wellness- und Golfangebote oder das «weltberühmte medizinische Zentrum». Wild lobt unter anderem die Investitionen von 14 Millionen Franken zur Erneuerung des «Hof Ragaz». 

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Bestes Stadthotel
Das «The Dolder Grand» in Zürich, wo wie 2022 die Ehrung der Bestplatzierten stattfand, ist erneut bestes Stadthotel. Das Hotel zähle schon lange zu den führenden City-Resorts der Welt, begründet Wild die Topplatzierung. Es habe dank Erfindergeist und Innovationen die Pandemie von allen Stadthotels wohl am besten überstanden. «So gut wie heute war der von Markus Granelli famos geführte Traumpalast am Zürichberg noch nie seit der Wiedereröffnung vor 15 Jahren», so Wild. 

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Bestes Familienhotel
Der «unglaubliche Erfolg» des Albergo Losone lässt sich gemäss Karl Wild überraschend einfach erklären: «Im grössten Palmengarten der Schweiz geniesst der Gast das totale Ferienerlebnis.» Das Albergo mit seinem Karibikflair, dem wahnwitzigen Stilmix und den verrückten Kuriositäten, die alle eine Geschichte erzählten, lasse sich nicht kopieren. Hotelier Diego Glaus sei ein kreativer Querdenker, der stets aufs Neue Innovationen und tolle Ideen aushecke.