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Dossier: #bettertogether

Dossier: #bettertogether

Zusammen geht's besser

Mit #bettertogether setzt HotellerieSuisse im 2021 gezielt Akzente, um die Community in der Branche nachhaltig zu stärken. Die htr begleitet die Kampagne mit spannenden Beiträgen in einer losen Serie.

Ganz im Zeichen der Gemeinsamkeit steht das Jahresmotto von HotellerieSuisse. Solidarität, Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl sind wichtige Eckpfeiler, um Wege aus der aktuellen Krise zu finden.

Die htr-Serie #bettertogether stellt Lösungsansätze, Best-Practice-Beispiele und Projekte aus der Branche vor, die Chancen wahrnehmen und Perspektiven aufzeigen.

Gantrischgebiet

Eine Lodge mit Kampfkühen

Das Gantrischgebiet stellt sich touristisch neu auf – unter anderem dank Investor Hans-Ulrich Müller. Soeben wurde die Eringer Lodge eröffnet.
Lucie Machac
Die prächtigen Kampfkühe aus dem Wallis sind das Markenzeichen der Eringer Lodge in Ottenleue.
Die prächtigen Kampfkühe aus dem Wallis sind das Markenzeichen der Eringer Lodge in Ottenleue. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Im Sommer ein beliebter Treffpunkt: die Terasse der Eringer Lodge.
Im Sommer ein beliebter Treffpunkt: die Terasse der Eringer Lodge. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
«Ein Betrieb, der Kampfkühe beherbergt und saftige Eringer Steaks serviert, ist in der Deutschschweiz ein Novum», ist Pächter Patrick Dillon überzeugt.
«Ein Betrieb, der Kampfkühe beherbergt und saftige Eringer Steaks serviert, ist in der Deutschschweiz ein Novum», ist Pächter Patrick Dillon überzeugt. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Pächter Patrick Dillon im Fumoir der Eringer Lodge.
Pächter Patrick Dillon im Fumoir der Eringer Lodge. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Von der Eriger Lodge aus hat man eine atemberaubende Aussicht auf die Berge.
Von der Eriger Lodge aus hat man eine atemberaubende Aussicht auf die Berge. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann

Sie heissen Valbona, Debi oder Morgana. Vom Charakter her sind sie verblüffend angriffslustig, im Umgang mit Menschen jedoch friedlich. «Harmlos wie Kaninchen», findet jedenfalls ihr Besitzer Patrick Dillon. Die Rede ist von Eringer Kampfkühen, die Dillon seit 15 Jahren züchtet und mit denen er bereits einige Wettkämpfe gewinnen konnte. Dillons Lieblinge sind es denn auch, die bei seinem Projekt im Gantrischgebiet eine tragende Rolle spielen: Anfang Juli hat der gelernte Koch in Ottenleue die Eringer Lodge eröffnet.

Ein Novum in der Deutschschweiz
Man könnte es als eine Art glückliche Fügung bezeichnen, dass Dillon für seine Kampfkühe ein neues Zuhause suchte und der Berner Unternehmer Hans-Ulrich Müller einen Pächter für das leer stehende Hotel und Restaurant Ottenleuebad, das er sanieren und umbauen wollte. Auch mit der Gemeinde und den Nachbarn war man sich schnell einig: Die Alpgenossenschaft Ottenleue stellte Dillon Stall und Weideland für seine Kühe zur Verfügung. Unternehmer Müller, der bis dahin wenig über die Walliser Kampfkühe wusste, war von Dillons Konzept auf Anhieb begeistert. «Ein Betrieb, der Kampfkühe beherbergt und saftige Eringer Steaks serviert, ist in der Deutschschweiz ein Novum», sagt Dillon, der nicht nur Koch und Tierzüchter, sondern auch Möbelhändler ist.

«Die Leute identifizieren sich sehr stark mit ihrer Region und ziehen alle mit.»
Hans-Ulrich Müller, Berner Unternehmer, der im Gantrischgebiet investiert

Klar, hat er die Lodge selbst eingerichtet, mit hellem Holz, karierten Tischdecken und Schwarz-weiss-Fotografien von Eringer Kühen. Das Ambiente wirkt edel-urban, mit einer Prise alpinem Flair. Natürlich stehen auf der Karte ausschliesslich Spezialitäten von Eringer Kühen, deren Fleisch als sehr schmackhaft gilt, und die Weinkarte bietet erlesene Tropfen von bis zu 300 Franken pro Flasche.

Dillon ist sich bewusst, dass man in dieser abgeschiedenen Gegend von Wanderern, die zwei Rivella bestellen, kaum leben kann. «Als Tierzüchter und Möbelhändler habe ich ein grosses Netzwerk, das ich nun in die Eringer Lodge bringen möchte», sagt er. Und er weiss auch wie: Geplant sind Apéros im Stall, bei denen er die Tradition rund um die Eringer Kampfkühe erläutert, zudem veranstaltet er Livemusikabende und organisiert Bankette für private Gruppen und Geschäftsleute. «Die Lodge soll aber unbedingt auch ein Treffpunkt für Einheimische sein.» Dillons Bilanz nach zwei Monaten: «Es läuft gut, gerade hatte ich am Abend rund 70 Gäste.»

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Der Gantrisch - ein Garten
Die touristische Belebung des Gurnigel- und Gantrischgebiets, das einst für seine Badekuren bekannt war, ist derzeit in vollem Gange. Eine Strategie dazu wurde soeben erarbeitet (siehe Box unten). Müllers finanzielles Engagement spielt dabei eine gewichtige Rolle. Der ehemalige Top-Banker gilt als Troubleshooter. Er selbst sieht sich indes lieber als «Ermöglicher». Müller gehört unter anderem der Bernapark in Deisswil, ein urbanes Quartier im Grünen, wo er ein modernes Zusammenleben etablieren will – mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und Freizeitangeboten. «Die Leute sollen eine Community werden, die sich gegenseitig hilft und voneinander profitiert», so Müllers Vision. Den Bernapark charakterisiert der 71-Jährige als «eine Art Wohnzimmer, in dem man sich im Alltag trifft», das Gurnigel- und Gantrischgebiet soll nun «der Garten» dazu werden.

Mehr Übernachtungsgäste 
Die Gantrischregion versucht seit einigen Jahren, aus dem Dornröschenschlaf aufzuwachen. Den Anfang hat 2012 der Naturpark Gantrisch gemacht, 2018 wurde die Gantrisch Plus AG zur Wirtschafts- und Tourismusförderung gegründet. Vor ein paar Monaten erst haben die Verantwortlichen eine Tourismusstrategie bis 2030 vorgelegt – in Kooperation mit den Gemeinden, dem Naturpark und der Bernapark AG. Priorität Nummer eins: ein besseres Mobilitätskonzept, denn heute ist die Region mit dem ÖV schlecht erschlossen. «Wir sind nun daran, private Initiativen ins Leben zu rufen, mit Rufbussen und Mitfahrgelegenheiten», sagt Ruedi Flückiger, Geschäftsführer von Gantrisch Plus. Seit diesem Sommer verkehrt bereits der erste Pendelbus.
Im gleichen Zug soll die Wertschöpfung gesteigert werden – bis 2030 auf 100 Millionen Franken, was einer Verdoppelung gleichkäme. «Dafür müssen wir unter anderem mehr Übernachtungsgäste anlocken», so Flückiger. Der Plan: einerseits die bestehenden Kapazitäten besser auslasten, andererseits mehr Übernachtungsmöglichkeiten schaffen. Zurzeit verfügt die Region über einige Hundert Betten und 25 Gruppenunterkünfte mit insgesamt rund 1000 Betten. Die Gruppenunterkünfte haben die Kooperationspartner bereits ausgebaut und ein gemeinsames Preis- und Marketingkonzept entwickelt. «Wir möchten uns zudem  als Bike-Destination positionieren und Angebote mit Übernachtungen schaffen», sagt Ruedi Flückiger. Und last but not least: In den nächsten Monaten soll auch eine gemeinsame Buchungsplattform für alle Anbieter in der Region entstehen. lm

Neben der Eringer Lodge hat die Bernapark AG nämlich drei weitere Immobilien gekauft: das «Gurnigelbad», das Berghaus Gurnigel und das Bergheim Gurnigel. Durchaus ein Glücksfall für eine Region, in der manch ein Beherbergungs- und Gastrobetrieb in den letzten Jahren aufgeben musste. «Ich möchte mit diesen Investitionen einen Beitrag dazu leisten, dass der Gantrisch als Naherholungsgebiet noch attraktiver wird und wir Kooperationen bilden, von denen alle profitieren können», sagt Müller. Bisher habe er bei der Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Handwerkern nur positive Erfahrungen gemacht. «Die Leute identifizieren sich sehr stark mit ihrer Region und ziehen alle mit.»

«Wir müssen unter anderem mehr Übernachtungsgäste anlocken.»
Ruedi Flückiger, Geschäftsführer von Gantrisch Plus

Auch Müllers Mission im Gantrisch ist «eine Herzensangelegenheit», wie er betont. Der Unternehmer ist in Belp aufgewachsen, die Winter verbrachten er und seine Geschwister jedoch regelmässig im Gantrischgebiet mit Skifahren. Und auch heute noch ist Müller mit seiner Familie oft in der Gegend anzutreffen.

Mehrere Bauphasen
Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Eringer Lodge erst der Anfang von Müllers Bauvorhaben im Gantrisch ist. Die erste Umbauphase der Lodge hat die Bernapark AG 300 000 Franken gekostet. In einer zweiten Phase, die ein Mehrfaches der Restaurantrenovierung kosten soll, werden die Hotelzimmer saniert. «Ausserdem entstehen neue Mietwohnungen, Studios sowie Juniorsuiten, die wir via Bernapark an Langzeitmieter vermieten möchten und die die Leute aus der Region auch untervermieten können», so Müller.

Ähnliche Konzepte plant er im Berghaus und im Bergheim Gurnigel sowie im «Gurnigelbad», die bei entsprechendem Anklang erweitert werden sollen. «Im Gantrisch soll ähnlich wie im Bernapark ein Ort entstehen, an dem gewohnt, gearbeitet und die Freizeit verbracht werden kann – eine Art Resort.»

#bettertogether

Vier Basler Hotels und zwei Museen spannen zusammen

Basel ist eine Kunst- und Kulturstadt. Was liegt da näher, als den Gästen ein Package zu schnüren, um sie neben dem Museumsbesuch auch für eine Übernachtung zu gewinnen.
Bernadette Bissig
Von links: Caroline Jenny und Tanja Wegmann, «Les Trois Rois»; Eldar Hérnandez, Krafft-Gruppe; Martin Reinshagen, «Volkshaus»; Karen N. Gerig, Kunstmuseum Basel; Mathias F. Böhm, Pro Innerstadt Basel; Laura Merkel, «Teufelhof».
Von links: Caroline Jenny und Tanja Wegmann, «Les Trois Rois»; Eldar Hérnandez, Krafft-Gruppe; Martin Reinshagen, «Volkshaus»; Karen N. Gerig, Kunstmuseum Basel; Mathias F. Böhm, Pro Innerstadt Basel; Laura Merkel, «Teufelhof». Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Von links: Caroline Jenny und Tanja Wegmann, «Les Trois Rois»; Eldar Hérnandez, Krafft-Gruppe; Martin Reinshagen, «Volkshaus»; Karen N. Gerig, Kunstmuseum Basel; Mathias F. Böhm, Pro Innerstadt Basel; Laura Merkel, «Teufelhof».
Von links: Caroline Jenny und Tanja Wegmann, «Les Trois Rois»; Eldar Hérnandez, Krafft-Gruppe; Martin Reinshagen, «Volkshaus»; Karen N. Gerig, Kunstmuseum Basel; Mathias F. Böhm, Pro Innerstadt Basel; Laura Merkel, «Teufelhof». Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann

«Die Idee, gemeinsame Sache zu machen, war ja schon lange da», erinnert sich Caroline Jenny, Projektinitiantin und Head of Marketing and Communication im Grand Hotel Les Trois Rois in Basel. «Doch wir hatten einfach nie Zeit, die Kooperation anzugehen.» «Als wir letztes Jahr unseren Hotelgästen exklusive Kunst- und Kulturpackages anboten, wurde ein gemeinsames Package wieder ein Thema», ergänzt Tanja Wegmann, General Manager im «Les Trois Rois». «So fanden Caroline Jenny und ich diesen Februar, dass es nun endlich Zeit sei, die Kooperation zu lancieren.» Und so nahm «Arts & Culture Basel» Fahrt auf. [DOSSIER]

Die angefragten Hotels und Museen waren sofort dabei
Die Fondation Beyeler und das Kunstmuseum Basel sowie die Hotels Volkshaus, Teufelhof und Krafft Basel – die wie das Luxushotel Les Trois Rois unabhängige Häuser mit viel Geschichte und dem Fokus auf Leisure-Gäste sind – zeigten auf Anhieb grosses Interesse. Wie auch Mathias F. Böhm, Geschäftsführer von Pro Innerstadt Basel. Bei einem ersten Get-together im diesjährigen Lockdown – der sicherlich auch als Treiber gewirkt hatte – setzten die Partner erste Wegmarken, Mitte März folgte der Kick-off.

Danach ging es ans Abklären des Inhalts des Packages, von Kosten, Werbung und Kommunikation. «Es war nicht immer einfach, alle Partner an einen Tisch zu bringen. Wenn wir dann aber erst mal alle zusammensassen, lief alles schnell und unkompliziert ab», erzählt Caroline Jenny. Die daraus entstehenden Aufwände waren dabei meist zweitrangig: «Oftmals scheitern Kooperationen ja daran, dass zu Beginn den Kosten zu viel Gewicht beigemessen wird», weiss Mathias F. Böhm. Dies sei schade, würden doch viele gute Ideen im Keim erstickt. Karen N. Gerig, Leiterin Presse und Kommunikation des Kunstmuseums Basel, pflichtet bei: «Es braucht manchmal einfach etwas Mut. Beim Machen finden sich jeweils die Lösungen.»

«Es braucht manchmal einfach etwas Mut. Beim Machen finden sich jeweils die Lösungen.»
Karen N. Gerig, Leiterin Presse und Kommunikation des Kunstmuseums Basel

Das Package, das seit Ende Juni zu buchen ist, umfasst nun eine Übernachtung mit Frühstück in einem der vier Partnerhotels, ein Highlight im gewählten Hotel wie etwa eine historische Hausführung oder eine Insider-Kunstführung, Eintritt und Picknickkorb in der Fondation Beyeler, Eintritt und Café Gourmand im Kunstmuseum Basel sowie 10 Prozent Rabatt auf das gesamte Shop-Sortiment. Zudem erhält der Gast eine «Arts & Culture»-Stadtkarte mit QR-Code: ein persönlicher Guide zu versteckten Kunstwerken, gastronomischen Highlights und weiteren Basler Museen sowie hochwertige Magazine zu Basels Kunst, Kultur, Shops und Kulinarik, verpackt in einer individualisierten «Love your City»-Stofftasche mit den Logos der teilnehmenden Hotels. [IMG 3]

«Ein solch attraktives Angebot fehlte bisher»
Das Angebot ist in der kurzen Zeit bereits sehr gut angelaufen. Das ist für Karen N. Gerig nicht erstaunlich: «Das Arts & Culture Package ist sehr attraktiv. Ein solches Angebot fehlte bisher», sagt die Leiterin Presse und Kommunikation. Sie ortet noch viel Potenzial für die kommenden Sonderausstellungen, die Kunstliebhaberinnen und -liebhaber unbedingt sehen wollen und dann möglicherweise auch eine Übernachtung in der Rheinstadt in Erwägung ziehen.

Zum guten Anlaufen hat sicherlich auch die Werbung beigetragen. Etwa im «Caminada»-Magazin, im «Art Inside» und demnächst in der «Schweizer Illustrierten». Fast gleichzeitig mit der Lancierung erschien in der «Frankfurter Allgemeinen» ein ganzseitiger Beitrag. Dazu kommen die Newsletter der Hotels und Museen. Und auch Influencer werden das ihre dazu beitragen.

«Eine solche Kooperation ist auch für die Destination Basel Gold wert.»
Mathias F. Böhm, Geschäftsführer Pro Innerstadt Basel, Stadtmarketing

«Davon abgesehen, dass es den Partnern Gäste und Besucherinnen bringt, ist eine solche Kooperation auch für die Destination Basel Gold wert», sagt Mathias F. Böhm. «Es geht ja darum, dass wir als Destination auffallen, dass wir mit unserem Package die Lust auf die Basler Museen und Hotels wecken und die reiche Vielfalt an Kunst und Kultur aufzeigen können», so Böhm. Ob die Gäste dann wirklich in den vier Partnerhotels übernachteten, sei zweitrangig. Was zähle, sei, dass sie kämen.

Auf jeden Fall sorgt die Kooperation für Aufmerksamkeit. Nicht nur bei potenziellen Gästen, sondern auch bei potenziellen Partnern. Das Vitra Design Museum hat bereits Interesse bekundet. Und auch weitere Hotels haben sich gemeldet.

Mehr Eindrücke zur Kooperation gibts in der Live-Reportage aus Basel vom Dienstag, 3. August, entstanden im Rahmen des #bettertogether-Roadtrips von htr hotel revue und HotellerieSuisse.

Kooperation

Wenn im Hotel plötzlich Pflanzen wachsen

Das «25 hours» Hotel im Zürcher Westen und das Gartencenter Meier haben zusammengespannt: Entstanden ist «Der wilde Gärtner», ein Labor für nachhaltige Ideen.
Lucie Machac
Im 25 hours Hotel in Zürich West ist das grüne Wohnzimmer des Quartiers entstanden.
Im 25 hours Hotel in Zürich West ist das grüne Wohnzimmer des Quartiers entstanden. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Essen, trinken, lesen, Pflanzen kaufen: All das ist im «Grünen Gärtner» möglich.
Essen, trinken, lesen, Pflanzen kaufen: All das ist im «Grünen Gärtner» möglich. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Hier lässt es sich auch prima arbeiten.
Hier lässt es sich auch prima arbeiten. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Links die Bar, rechts die Blumenpracht und in der Mitte wird gechillt.
Links die Bar, rechts die Blumenpracht und in der Mitte wird gechillt. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Was für ein toller Sommerstrauss! Eine Mitarbeiterin der Gärtnerei bei ihrer Arbeit.
Was für ein toller Sommerstrauss! Eine Mitarbeiterin der Gärtnerei bei ihrer Arbeit. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann

Für einmal begann nicht alles mit einer Bieridee, sondern mit einer Verwechslung. Erwin Meier, Geschäftsführer des Gartencenters Meier, sass nach einem Event leicht ermattet an der Bar, als ihn ein Unbekannter mit «Hallo Peter!» ansprach – und sich sogleich entschuldigte, weil Meier gar nicht Peter war. Der Unbekannte war Christoph Hoffmann, CEO der 25 hours Hotels. Die beiden kamen ins Gespräch und fanden schnell heraus, dass sie von einer Kooperation profitieren könnten. Meier suchte einen Standort in Zürich und Hoffmann eine Idee, wie er das «25 hours» im Zürcher Westen besser verankern könnte. Die Lösung: «Der wilde Gärtner» im 25 hours Hotel.

Essen, Pflanzen kaufen, arbeiten
Das Konzept ist so smart wie charmant: Einerseits ist «Der wilde Gärtner» ein ganz normaler Laden, in dem man nach Belieben Blumen, Pflanzen, Kräuter, Gemüsesetzlinge, Erde oder Gartenwerkzeug kaufen kann. Andererseits lädt der Ort zum Verweilen ein. In der Gärtnerei steht die Bar Ribelli-Giardino – zwischen den Pflanzen können es sich Hotelgäste wie Ladenkunden in einer Sofaecke oder an einem langen Holztisch bequem machen. Etwas trinken und essen, plaudern, arbeiten, lesen. «Mitten in diesem grünen Gewusel servieren wir Antipasti, Focacce und Salate, ergänzt «25 hours»-Direktorin Anita Vogler. Ihr Wunsch: einen Quartiertreff zu etablieren für Apéros, zum Lunch, aber auch für Meetings. «Einige Studenten der ZHdK haben uns bereits als Co-Working-Space entdeckt», sagt Vogler.

Mittelfristiges Ziel ist es, die Pflanzen und andere Produkte rund um die Uhr verfügbar zu machen.

Anita Vogler, Direktorin 25 hours Hotel Zürich West

Aber nicht nur Menschen und Pflanzen kommen im «wilden Gärtner» zusammen. Ganz im Sinne eines Marktplatzes kann man hier auch Produkte von weiteren Kooperationspartnern des Hotels und des Gartencenters erstehen, wie zum Beispiel Bio-Weine, Bücher oder handgemachte Vasen. Und natürlich haben die Möbel von Embru, auf denen die Gäste sitzen, alle ein Preisschild. «Das Ganze soll aber noch wachsen», versichert Vogler. Und zwar wortwörtlich, denn sie möchte die Hotelréception im «wilden Gärtner» platzieren, damit ihre Gäste quasi mitten in einer Pflanzenoase einchecken.

Ein Labor für Geschäftsmodelle
Und nicht nur das: «Mittelfristiges Ziel ist es, die Pflanzen und andere Produkte rund um die Uhr verfügbar zu machen.» Wie das? Die Réception, Tag und Nacht besetzt, könnte laut Vogler als Pick-up-Station für Waren dienen, die Kunden online beim Gartencenter bestellt haben.

[DOSSIER]

Vogler und Meier denken gross: «Der wilde Gärtner» soll ein Labor für Geschäftsmodelle werden, die auf Nachhaltigkeit setzen. Bereits gut hör- und sichtbar ist das Geschäftsmodell von Wildbiene + Partner. Ihre Bienen-Nistkästen wurden Anfang Sommer an den Aussenzimmern des Hotels angebracht, um die Biodiversität in Zürich-West zu stärken. «Derzeit beherbergen wir 126 Bienenpopulationen», sagt Vogler stolz und hofft, dass die Nachkommen nächstes Jahr Pflanzen und Bäume in der ganzen Schweiz befruchten werden.

Die Kunden fragen, ob sie ihren Kompost bei uns vorbeibringen können, oder sie wollen wissen, wie man Erde selber macht.

Erwin Meier, Geschäftsführer Gartencenter Meier

«Als etablierte Hotelmarke haben wir eine gewisse Zugkraft, um Start-ups anzulocken, die hier ihre Produkte testen wollen», ist Vogler überzeugt. Das Gartencenter Meier wiederum hat das Know-how, um solche Produkte den Kunden zu erklären. Zum Beispiel den geruchlosen Komposter für zu Hause, entwickelt vom Zürcher Start-up Worm up. «Einfach die Rüstabfälle in den Komposter mit Würmern schmeissen, nach etwa vier Wochen hat man Dünger und Erde fürs Blumenbeet», erklärt Meier.

Spannender Lernprozess
Der Geschäftsführer war anfangs verblüfft, wie beliebt Kompostieren bei Städtern ist. Er dachte, in Zürich kämen vor allem Blumen und Balkonpflanzen an. «Stattdessen fragen die Kunden, ob sie ihren Kompost bei uns vorbeibringen können, oder sie wollen wissen, wie man Erde selber macht.» Vogler träumt deshalb schon von einem «Community-Kompost» beim 25 hours Hotel.

Meiers Träume gehen noch weiter: Ihm schwebt «ein Branchenforum für Innovation» vor. Etablierte Gärtnereien und «junge Wilde» sollen im «wilden Gärtner» zusammenkommen, damit sie sich besser austauschen können. Den Einwand, all diese Ideen könnten bloss Träume bleiben, quittieren die Macher mit einem Schulterzucken. «Wir wollen sehen, was überhaupt möglich ist», sagt Vogler. Meier doppelt nach: «Es ist auch für uns ein spannender Lernprozess.» Wie das Projekt finanziell aufgeteilt werde, sei ebenfalls noch unklar. «Kassensturz machen wir erst Ende Jahr.» Vogler wie Meier haben jedoch ein gutes Bauchgefühl, dass Gärtnereien und Hotellerie prima zusammenpassen.

wildergaertner.ch

#BETTERTOGETHER

Zehn Chalets und viel Tüftelei

Das Pop-up-Hotel zur Fernsicht in Heiden ist ein Erfolg. Das Projekt haben Eventorganisator Pius Angehrn und Spitzenkoch Tobias Funke auf die Beine gestellt.
Bernadette Bissig
Pius Angehrn und Tobias Funke (r.) haben das Pop-up-Hotel gemeinsam gestemmt.
Pius Angehrn und Tobias Funke (r.) haben das Pop-up-Hotel gemeinsam gestemmt. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Die Wellnesszone: Der mit Holz beheizte Hotpot.
Die Wellnesszone: Der mit Holz beheizte Hotpot. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Die Zimmer sind stilvoll eingerichtet und verströmen eine wohlige Atmosphäre.
Die Zimmer sind stilvoll eingerichtet und verströmen eine wohlige Atmosphäre. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann

Auf einer Magerwiese mit freiem Blick auf den Bodensee stehen zehn Holzchalets, davor je eine Seilbahngondel. Und in der Mitte des Grundstücks thront ein mit Holz beheizter Hotpot – die Wellnesszone. Bis Mitte September bietet Tobias Funke hier sein Pop-up-Hotel an. Jedes der frei stehenden, aus Holz gefertigten Häuschen ist mit einem Badezimmer mit Dusche und WC sowie mit Schlaf- und Sitzbereich ausgestattet. Ein Boxspringbett sorgt für einen wohligen Schlaf. Eine Kaffeemaschine und ein Marshall-Lautsprecher runden die Einrichtung ab. Von der Terrasse lässt sich die Sicht auf den Bodensee geniessen. Die Gondeln dienen den Gästen als Minirestaurant, wo sie auf Wunsch das per Roomservice gelieferte Fondue geniessen können. [DOSSIER]

Was nun als bis ins letzte Detail durchdachtes, komfortables Übernachtungskonzept daherkommt, kostete viel Tüftelei und viele schlaflose Nächte. Zu Beginn des Abenteuers Pop-up-Hotel gab es bei Eventorganisator Pius Angehrn ungenutzte Chalets und bei Gastronom Tobias Funke Bedarf an temporären Hotelzimmern. So taten sich die beiden kurzerhand zusammen.

Ein eigenes Grundstück war ebenfalls vorhanden
Die beiden Unternehmer verbindet eine langjährige Partnerschaft. Etwa aufgrund der alljährlichen Fonduechalets, die Funke jeweils über die Wintermonate zusätzlich zu einem Eisfeld auf dem Grundstück des Gasthauses zur Fernsicht in Heiden AR betreibt und von Angehrn anmietet. So auch im vergangenen Winter, bis ihm der Gastro-Lockdown einen Strich durch die Rechnung machte. Beim Abbau der Chalets Anfang Januar brachte Angehrn erstmals den Sommer zur Sprache: «Warum machen wir nicht ein Pop-up-Hotel mit den leer stehenden Holzchalets?»

«Es war uns beiden klar, dass wir mit diesem Projekt nicht das grosse Geld machen würden.»
Tobias Funke, Executive Küchenchef und Geschäftsführer im Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR

Denn bereits im Sommer 2018 und 2019 hatte Funke als Ergänzung zu den vier Gästezimmern im Haupthaus einige wenige edle Outdoorzimmer vor dem Gasthaus zur Fernsicht stehen und gute Erfahrungen damit gemacht. Für eine solch kostspielige Sache – zudem war damals ein Sponsor mit an Bord – war das Geld dieses Jahr nicht vorhanden. Trotzdem reizte Funke die Idee, ein Pop-up-Hotel auf die Beine zu stellen, denn der Sommer 2020 war sehr gut gelaufen. Viele Schweizer hatten die Region um Heiden entdeckt. Und auch dieses Jahr ist wieder mit einer ähnlichen Situation zu rechnen.

#bettertogether Ganz im Zeichen der Gemeinsamkeit steht das Jahresmotto von HotellerieSuisse. Solidarität, Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl sind wichtige Eckpfeiler, um Wege aus der aktuellen Krise zu finden. Die htr-Serie #bettertogether stellt Lösungsansätze, Best-Practice-Beispiele und Projekte aus der Branche vor, die Chancen wahrnehmen und Perspektiven aufzeigen. mehr unter htr.ch/bettertogether.

Nach dem ersten Gespräch im Januar nahm die Idee rasch Gestalt an. Denn auch der Stellplatz war bereits vorhanden. Das Gasthaus zur Fernsicht besitzt ein Grundstück ganz in der Nähe. Schnell war klar, dass dort zehn Holzchalets platziert und zu Hotelzimmern umfunktioniert werden sollten. Für Angehrn war die Hotellerie Neuland. Doch mit vereinten Kräften gingen sie das Projekt an.

«Es war uns beiden klar, dass wir mit diesem Projekt nicht das grosse Geld machen würden», sagt Funke. Dementsprechend konnte der Geschäftsführer der Fernsicht für die Miete und die Ausstattung auch keine Vorauszahlung leisten. So finanzierten sie das Projekt gemeinsam, mit Unterstützung eines Drittpartners. Und nun führen sie eine offene Buchhaltung und haben einen für alle passenden Verteilschlüssel gefunden.

«In erster Linie ging es mir darum, meine Mitarbeitenden zu beschäftigen und ein innovatives Vorzeigeprojekt auf die Beine zu stellen», sagt Funke. Dementsprechend öffnete er das Gasthaus zeitgleich mit der Fertigstellung des Pop-up-Hotels. Gerne hätte er dies bereits zu Ostern getan, doch aufgrund von Lieferverzögerungen war es erst am 19. April möglich. Mit den vier Gästezimmern im Haupthaus und den zehn temporären Hotelzimmern lohnte es sich für ihn – neben der Terrassenöffnung –, den Hotelbetrieb und auch das Restaurant Incantare wieder hochzufahren. «Seither kommen wir wieder ganz ohne Kurzarbeitsentschädigung aus», sagt Funke.

Viel Sorgfalt auf Details aufgewendet
Obwohl die Hotelzimmer nur während fünf Monaten in Betrieb sind, hatte Tobias Funke seine Ansprüche bei der Ausstattung. «Ich koche im Restaurant Incantare auf Spitzenniveau. Da muss ich meinen Gästen auch bei den Hotelzimmern etwas bieten», so der Unternehmer, dessen Gourmetrestaurant mit 2 Michelin-Sternen und 17 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet ist. So kam es, dass Funke tagsüber auf der «Baustelle» hämmerte und schraubte und abends in der Küche mit der Pinzette Filigranes anrichtete – und nachts an Details herumstudierte. Wie etwa am Spiegelschrank über dem Waschbecken, der seinen ästhetischen Anforderungen nicht genügte. Oder an den ausgefeilten Details bei der Beleuchtung.

«Ich koche im Restaurant Incantare auf Spitzenniveau. Da muss ich meinen Gästen auch bei den Hotelzimmern etwas bieten.»
Tobias Funke, Executive Küchenchef und Geschäftsführer im Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR

Parallel dazu sprach er mit den Nachbarn, um sie über das geplante temporäre Projekt zu informieren. Dementsprechend gab es keine Einsprachen. Die Baubewilligung ging ebenfalls sehr schlank über die Bühne. Am 22. März eingereicht, hatten Tobias Funke und Pius Angehrn am 23. März bereits das «Go».

Erschwerend bei der Umsetzung war das nasse und schneereiche Wetter. «Wenn eine Wiese erst mal kaputt ist, erholt sie sich über Monate nicht mehr», so Angehrn. So half nur eines. Es musste ein Kran her, um die zwei Tonnen schweren Chalets auf der Wiese zu platzieren. Dank den guten Kontakten war ein solcher Kran von einem Tag auf den anderen organisiert und der Ausbau der Chalets konnte beginnen.

Bis Mitte September können die Gäste also nun in den stilvoll ausgestatteten Zimmern logieren. Das Frühstück wird als Doggy-Bag vors Häuschen serviert. Wer will, kann gegen einen Aufpreis von 20 Franken gemeinsam mit den Hotelgästen vom Haupthaus ein ausgiebiges Frühstück geniessen. «Dank dem Pop-up-Hotel herrscht bei uns nun eine richtige Hotelatmosphäre», freut sich Spitzenkoch und Neo-Hotelier Tobias Funke.

In loser Folge berichtet die htr hotel revue über Projekte, die im Sinne von #bettertogether entstanden sind.


Gasthaus mit Grundstück
Tobias Funke führt seit sieben Jahren das Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR. Dazu gehören das Gourmetrestaurant Incantare (2 Michelin-Sterne, 17 Gault-Millau-Punkte) sowie das gutbürgerliche Swiss Alpine-Restaurant. Zudem hat der Geschäftsführer und Executive Küchenchef vier Gästezimmer zu bieten. Nun sind bis Mitte September zehn Holzchalets als Hotelzimmer im Angebot. Ermöglicht durch eine Kooperation mit Pius Angehrn.
fernsicht-heiden.ch


Eventagentur mit Chalets
Pius Angehrn ist mit seiner Bilchener GmbH auf Eventorganisation und die Vermietung von Festinventar, temporären Bauten und Holzchalets spezialisiert. Aufgrund der Pandemie standen die temporären Bauten und Holzchalets ungenutzt im Lager. Mit Tobias Funke vom Gasthaus zur Fernsicht in Heiden AR pflegt er eine langjährige Zusammenarbeit. Mit der Aktion des Pop-up-Hotels sammelte Pius Angehrn ganz neue Erfahrungen.
bilchenergmbh.ch

#bettertogether

Paddeln ist das neue Biken

Das Bodensee-Südufer soll zum Mekka für Stand-up-Paddler werden. Im Thurgau und in St. Gallen vergleicht man den Trendsport bereits mit Mountainbiking.
Patrick Timmann
Stand-up-Paddling will gelernt sein: Einführungskurse gibt es auch für spezielle Zielgruppen wie Frauen, Kinder oder Seniorinnen und Senioren.
Stand-up-Paddling will gelernt sein: Einführungskurse gibt es auch für spezielle Zielgruppen wie Frauen, Kinder oder Seniorinnen und Senioren. Bild: Thomas Staub
Bild: Thomas Staub
Bild: Thomas Staub
Bild: Thomas Staub
Zwischen Uttwil und der österreichischen Grenze sollen Freizeitsportlerinnen und -sportler bald ein durchgehendes Angebot für Stand-up-Paddling vorfinden.
Zwischen Uttwil und der österreichischen Grenze sollen Freizeitsportlerinnen und -sportler bald ein durchgehendes Angebot für Stand-up-Paddling vorfinden. Bild: Quelle: Google Maps/Grafik: htr
Bild: Quelle: Google Maps/Grafik: htr

Das südliche Bodenseeufer gilt unter Velofahrern, Genussreisenden und Kulturinteressierten als beliebte Ausflugsregion. Der See selbst bildet dagegen für die meisten touristischen Aktivitäten «nur» die Kulisse – von Badibesuchen und Schifffahrten einmal abgesehen. Dies soll sich in Zukunft ändern. Ein Projekt mit dem Arbeitstitel «Paddelland Bodensee» soll das südliche Bodenseeufer als eine der führenden Regionen beim Thema Paddeln positionieren. Im Fokus steht dabei die Trendsportart Stand-up-Paddling (SUP), bei der man sich im Stehen rudernd fortbewegt. Attraktive Angebote und Packages sollen Einheimische wie Touristen in den nächsten Jahren vermehrt auf die Bretter locken.

Rückblende: Vor zwei Jahren wurde der Prozess «Südufer Bodensee» lanciert, mit dem Ziel, das touristische Potenzial des Südufers stärker auszuschöpfen und auch Mehrwerte für die lokale Bevölkerung zu schaffen. Hinter der Initiative stehen die Regionalentwicklungsorganisation Regio Appenzell AR-St. Gallen-Bodensee sowie die beiden Tourismusorganisationen Thurgau Tourismus und St. Gallen-Bodensee Tourismus. Sie schickten ein halbes Dutzend Expertinnen und Experten zwischen Romanshorn und Altenrhein auf Spurensuche, mit der Mission, die Stärken und Schwächen der Region wahrzunehmen und daraus Ideen für eine ansprechende Inszenierung zu generieren.

#bettertogether Ganz im Zeichen der Gemeinsamkeit steht das Jahresmotto von HotellerieSuisse. Solidarität, Teamgeist und
Zusammengehörigkeitsgefühl sind wichtige Eckpfeiler, um Wege aus der aktuellen Krise zu finden. Die htr-Serie #bettertogether
stellt Lösungsansätze, Best-Practice-Beispiele und Projekte aus der Branche vor, die Chancen wahrnehmen und Perspektiven aufzeigen. Mehr unter
htr.ch/bettertogether

Eine Dienstleistungskette entlang des Seeufers
Einer dieser Kundschafter ist Tourismusberater Roland Anderegg. Zwei Tage war er im Feld unterwegs. «Ich habe viele Velofahrende am Seeufer gesehen, die sich unterwegs eine Glace kauften, aber ansonsten wenig an Wertschöpfung generierten.» Für ihn war deshalb klar: Die Region braucht nicht nur eine Inszenierung am Wasser, sondern auch auf dem Wasser.

Jetzt ist Anderegg Projektleiter von «Paddelland Bodensee». «Im Moment ist Paddeln noch ein ‹Autosport›, man muss seine Ausrüstung mit dem Auto anfahren.» Die grosse Herausforderung sei nun, Miete, Transport und Aufbewahrungsmöglichkeiten am See so zu organisieren, dass die Besucherinnen und Besucher spontan und ohne grösseren Vorlauf aufs Paddelbrett steigen könnten. Aber auch andere touristische Dienstleister entlang des Wassers sollten eingebunden werden, sagt der Thurgauer Tourismusdirektor Rolf Müller. «Die Paddelangebote müssen mit Food und Übernachtung kombiniert werden können.» Sein St. Galler Kollege Thomas Kirchhofer pflichtet ihm bei: «Das Gesamtpaket muss stimmen. Das reicht von der unkomplizierten Anreise über die Miete, die grosse Auswahl an buchbaren Erlebnissen, den Transport bis hin zur Übernachtung.»

Aktuell läuft eine Umfrage unter den Leistungsträgern, mit welchen Angeboten sie sich am Projekt beteiligen könnten. Die Touristiker hoffen auf ein breites Echo und möglichst viele interessante Vorschläge, ohne jedoch die Erwartungen zu hoch anzusetzen. «Wenn nur schon die Strandbar oder das Hotel am See Mietpaddel anböten, wäre das ein erster Schritt», sagt Anderegg.

Internationale Kooperation nicht ausgeschlossen
Das Vernetzen unterschiedlicher Leistungsträger und Interessenvertreter steht im Zentrum des Projekts. Regio Appenzell AR-St. Gallen-Bodensee versteht sich dabei als Impulsgeberin und Brückenbauerin. Was den Prozess «Südufer Bodensee» auszeichne, sei, dass er nicht an einer Gemeinde- oder Kantonsgrenze aufhöre, sagt Geschäftsleiterin Leila Hauri. «Akteure aus den verschiedensten Bereichen, Kantonen und Gemeinden setzen sich zusammen, engagieren sich und entwickeln gemeinsam Projekte für unsere Region.» So selbstverständlich dies klinge, so wenig sei es Usus, sagt Hauri.

Unter dem Dach des 2019 gestarteten Prozesses «Südufer Bodensee» soll neben dem «Paddelland Bodensee» auch ein neues Veloerlebnis entlang der Schweiz-Mobil-Routen entstehen. Ziel ist es, die Veloströme, die sich heute vor allem am Seeufer konzentrieren, gleichmässiger auf die gesamte Region zu verteilen. Mithilfe von Gamification-Elementen sollen Aussichtspunkte, Grillstellen oder Museen aufgewertet werden.
regio-stgallen.ch

Auch ökologische Anliegen und Bedürfnisse anderer Nutzergruppen gilt es zu berücksichtigen. Aktuell laufe der Austausch mit den kantonalen Ämtern für Raumentwicklung, der Seepolizei sowie Vogel- und Fischereiexperten. Einmal jährlich findet zudem das Forum Südufer Bodensee statt, zu dem alle relevanten Akteure und touristischen Leistungsträger eingeladen werden.

Der aktuelle Perimeter des «Paddellands» erstreckt sich vom st.-gallischen Rheineck an der österreichischen Grenze bis nach Uttwil TG. Das bedeute jedoch nicht, dass die Kooperation dort ende. Hauri richtet den Blick bereits den Bodensee hinunter bis nach Kreuzlingen TG. Auch für eine Zusammenarbeit mit Leistungsträgern in Deutschland und Österreich sei man offen. «Aber es gibt sehr viele Akteure. Es ist Erfolg versprechender, dort zu starten, wo man verankert ist, um den Aktionsradius danach schrittweise zu erweitern.»

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Ihre Projektpartner sehen das ähnlich. «Anstatt ein weiteres Dreivierteljahr lang Papier zu produzieren, wollen wir mit ersten Umsetzungen Erfahrungswerte in dieser Sportart sammeln. Anschliessend können wir auf die Nachbarn zugehen», sagt Anderegg.

Er sieht das Projekt als «Befähiger» des Paddelsports. Ob SUP nach Ablauf des Projekts Ende 2023 bereits ein Selbstläufer sein wird, wagt er nicht abzuschätzen. Möglicherweise brauche man noch etwas Geduld, bis Paddeln ein Breitensport sei. Er und seine Mitstreiter ziehen Parallelen zum Aufstieg des Mountainbike-Tourismus in Graubünden. Dieser habe sich noch vor gut zehn Jahren an einem ähnlichen Punkt befunden wie heute das Paddeln am Bodensee. Geht es nach den Touristikern, wird das Paddeln in der Region ebenfalls einen Nachfragesog auslösen.

In loser Folge berichtet die htr hotel revue über Projekte, die im Sinne von #bettertogether entstanden sind. [DOSSIER]


Sorge um Fische und Zugvögel

Umweltschützer reagierten skeptisch auf die Pläne rund um das «Paddelland Bodensee». Die Anliegen des Projekts seien zwar berechtigt, sagte Lukas Indermauer, Geschäftsführer des WWF St. Gallen, Anfang April gegenüber SRF. Man lese jedoch punkto Schutz der Natur zu wenig aus dem Konzept heraus. Problematisch seien insbesondere Paddelnde auf Entdeckungstour in Ufernähe, da Schilfufer Hotspots der Biodiversität sowie Rückzugsgebiete und Kinderstuben von Fischen seien. Auch Vögeln bieten sie Lebensraum. Jakob Rohrer, Co-Präsident des Thurgauer Vogelschutzes Birdlife, forderte eine eindeutige Signalisation und Mindestabstände. «Diese Schutzgebiete sind nicht nur Brutgebiete, sondern auch wichtige Rastplätze für ziehende Wasservögel. Ein einzelner Paddler kann bereits Hunderte Vögel in die Flucht treiben.»

Die Bedenken der Umweltschützer nehme man ernst, heisst es seitens der Projektverantwortlichen von «Paddelland». Entsprechend wichtig sei der Austausch mit Umweltschutzorganisationen. «Wir sind offen für Gespräche», sagt Leila Hauri.

Hauri und ihre Kollegen gehen davon aus, dass die Beliebtheit des Paddelsports so oder so zunimmt, die Koordination darum umso wichtiger wird. Projektleiter Roland Anderegg: «Die Menschen wollen ans Wasser. Ob wir was machen oder nicht, die Nachfrage wird zunehmen.» Deshalb wolle man die Paddlerströme kanalisieren, indem man Ein- und Ausstiegsstellen kennzeichne und die Menschen darauf hinweise, nicht ins Schilf zu fahren.

Ob diese Logik bei den Umweltschützern verfängt, ist offen. Vom WWF St. Gallen und dem Thurgauer Vogelschutz war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

#bettertogether

Ein zweites Leben für Hotelseifen

Die Non-Profit-Organisation Sapocycle sammelt gebrauchte Hotelseifen und recycelt sie. Die neuen Seifen werden an Menschen in Not verteilt – in der Schweiz und im Ausland.
Bernadette Bissig
Rund 55 verschiedene Seifen liefern die Hotels insgesamt an. Daraus entstehen neue Seifen.
Rund 55 verschiedene Seifen liefern die Hotels insgesamt an. Daraus entstehen neue Seifen. Bild: zvg
Bild: zvg
Dorothée Schiesser lässt auch Seifen nach Madagaskar liefern.
Dorothée Schiesser lässt auch Seifen nach Madagaskar liefern. Bild: zvg
Bild: zvg
In der Werkstatt.
In der Werkstatt. Bild: zvg
Bild: zvg

«Was passiert eigentlich mit all diesen Seifen?» Das fragte sich Dorothée Schiesser vor rund sechs Jahren bei einem Hotelaufenthalt. Aus der Frage entstand damals eine Projektidee. Und bei diesem Projekt lag der Fokus ganz auf dem sozialen Gedanken. Die Gründerin von Sapocycle, die damals im Kunstbereich tätig war, wollte etwas Sinnstiftendes tun und gründete 2015 eine Non-Profit-Organisation, um angebrauchten Hotelseifen zu einem zweiten Leben zu verhelfen. Die Initiative zog über die Landesgrenze hinaus ihre Kreise und stiess auch bei der Hotelgruppe Accor auf Interesse. So gründete Dorothée Schiesser 2017 bereits einen Ableger in Frankreich.

#bettertogether Ganz im Zeichen der Gemeinsamkeit steht das Jahresmotto von HotellerieSuisse. Solidarität, Teamgeist und
Zusammengehörigkeitsgefühl sind wichtige Eckpfeiler, um Wege aus der aktuellen Krise zu finden. Die htr-Serie #bettertogether
stellt Lösungsansätze, Best-Practice-Beispiele und Projekte aus der Branche vor, die Chancen wahrnehmen und Perspektiven aufzeigen. Mehr unter
htr.ch/bettertogether

Hotels schätzen die nachhaltige Dienstleistung
Bei den 4- bis 5-Sterne-Hotels – feste Seifen werden mittlerweile fast nur noch in der Luxushotellerie eingesetzt – stiess ihre Idee von Anfang an auf Anklang. So ist etwa das «Fairmont Le Montreux Palace» seit den Anfängen im September 2015 dabei. «Es erfüllt unser Team im Housekeeping mit Stolz, dass wir bei dieser Aktion mitmachen und dazu beitragen können, dass Menschen in Not zu Seife kommen», sagt Sandra Corviello, Executive Housekeeper.

Auch das Luxushotel Baur au Lac in Zürich ist schon lange dabei. «Wir begrüssen es sehr, dass wir die Seifen nicht mehr wegwerfen müssen und gleichzeitig etwas Gutes tun können», sagt General Manager Wilhelm Luxem. Das Seifenrecycling sei vom Team sehr gut aufgenommen worden. Er schätzt das Containersystem, das Sapocycle seinen Premium Members zur Verfügung stellt: «Die Abläufe sind dank der Unterstützung von Planzer sehr gut eingespielt. Das Unternehmen sponsert den Transport der Seifencontainer von den Hotels zur Werkstatt.»

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Die recycelten Seifen verteilt Sapocycle an Hilfswerke und Institutionen. «Wir achten darauf, dass wir 50 Prozent der Seifen in der Schweiz und in Frankreich verteilen und den Rest im Ausland», erläutert Dorothée Schiesser das Vorgehen. So etwa an die Schweizer Tafel und an Tischlein deck dich, an das Schweizerische Rote Kreuz in Bulgarien und Armenien und an den Verein «Basel hilft mit», welcher die Seifen in Flüchtlingslagern in Griechenland verteilt, sowie an die Stiftung Madagascare. Eric Voyame von der Stiftung Madagascare wurde bereits im 2015 auf Sapocycle aufmerksam und kontaktierte Dorothée Schiesser. Doch die recycelten Seifen sind bei Hilfswerken sehr begehrt, sodass sich Eric Voyame lange gedulden musste, bis er eine erste Lieferung an gespendeten Seifen erhielt. [IMG 3]

Jeder Arbeitsschritt verlangte viel Entwicklungsarbeit
Produziert werden die Seifen in zwei Recyclingwerkstätten, eine in der Schweiz und eine in Frankreich. Die Pionierarbeit im Recyclingprozess hat die Werkstatt in der Schweiz – das Wohnwerk Basel – geleistet. Ganz von Anfang an dabei ist Kunstagogin und Teamleiterin Pia Tanner. «Als wir 2015 die Zusammenarbeit mit Dorothée Schiesser starteten, wussten wir nichts über das Recycling von Seifen. Gemeinsam haben wir erste mögliche Prozesse skizziert», erzählt Tanner. Unterstützung erhielten sie auch durch die Fachhochschule Nordwestschweiz. Zwei Studierende befassten sich in ihrer Bachelorarbeit mit den chemischen Prozessen bei den Rohstoffen. Denn Seife ist nicht gleich Seife. Insgesamt sind es 55 Seifensorten, die von den verschiedenen Hotels angeliefert werden. Jede Sorte hat ihr ganz eigenes Rezept in der Verarbeitung.

Der Käsehobel – das perfekte Werkzeug
Daneben tüftelten sie an den richtigen Geräten, um die Arbeitsschritte – vom Reinigen über das Zermahlen und Granulieren bis hin zum Pressen der neuen Seifen – möglichst sicher zu gestalten. Für die Reinigung der Seifen stellte sich ein Käsehobel als das perfekte Werkzeug heraus. «Wenn wir Führungen machen, schmunzeln die Besucherinnen und Besucher immer über den Hobel, aber das Gerät hat sich bewährt», so die Teamleiterin.

Pia Tanner betreut für Sapocycle abwechselnd zwei Teams à sechs Menschen mit Beeinträchtigung. «Die Teams können einen Arbeitsprozess vom Anfang bis zum Schluss durchlaufen. Zudem ist es problemlos, wenn ein Fehler passiert. Die Seife geht dann einfach wieder zurück in die Grundmasse», so Tanner. Was die Menschen mit Beeinträchtigung laut der Kunstagogin auch sehr schätzen, ist, dass sie etwas Gutes für Menschen tun. «Diese Arbeit steigert ihr Selbstbewusstsein.»

Wird vielleicht bald auch Flüssigseife recycelt?
2019 war für Sapocycle ein sehr gutes Jahr. Rund vier Tonnen Seife konnten die beiden Recyclingwerkstätten weiterverarbeiten. Im 2020 brach die Menge um 50 Prozent ein. «Zum Glück hatten wir noch einiges an Seife an Lager. Denn die Nachfrage von Institutionen war gerade am Anfang der Pandemie riesig», erzählt Schiesser. Nun hofft die Gründerin der Non-Profit-Organisation, dass nach der Corona-Krise die Menge der Recyclingseifen wieder ansteigen wird.

Neben dem Tagesgeschäft beschäftigt sich Dorothée Schiesser aktuell mit dem Recyclingpotenzial von Flüssigseife, die vom hygienischen Standpunkt her viel heikler ist als die keimfreie feste Seife. Johnson & Johnson unterstützte sie dabei, eine mögliche Liefer- und Recyclingkette zu skizzieren. Und das Pharmaunternehmen Permamed finanziert eine Machbarkeitsstudie für das Recycling. «Vielleicht können wir nächstes Jahr bereits mit dem Sammeln beginnen.»

In loser Folge berichtet die htr hotel revue über Projekte, die im Sinne von #bettertogether entstanden sind. [DOSSIER]


Das Projekt
Die Non-Profit-Organisation Sapocycle sammelt sowohl in der Schweiz als auch in Frankreich gebrauchte Hotelseifen. Recycelt werden die gebrauchten Seifen in zwei Institutionen, die Menschen mit Beeinträchtigung eine Beschäftigung bieten. Vertriebspartner von Sapocycle liefern die Recyclingseifen an bedürftige Menschen in der Schweiz, in Frankreich und in Entwicklungsländern wie beispielsweise Madagaskar. Die Nachfrage nach den Seifen ist durch Corona noch gestiegen, der Nachschub an Seifen zurzeit jedoch stark reduziert.
sapocycle.org

Bernadette Bissig

#bettertogether

Auf den Spuren der Säumer von Brig bis Domodossola

Am Simplon wird die Via Stockalper touristisch aufgewertet. Möglich macht es die grenzübergreifende Zusammenarbeit – und ein Schuss Pragmatismus.
Patrick Timmann
Hängebrücke über die Diveria.
Hängebrücke über die Diveria. Bild: Jerun Vils
Bild: Jerun Vils
Die Vèia d’Brocc auf dem Saumweg im Val Divedro.
Die Vèia d’Brocc auf dem Saumweg im Val Divedro. Bild: Jerun Vils
Bild: Jerun Vils
Kirche von Trasquera.
Kirche von Trasquera. Bild: Jerun Vils
Bild: Jerun Vils
Die Via Stockalper zwischen Brig und Gondo ist in gutem Zustand. Der Abschnitt hinter der Grenze bis Domodossola soll bis diesen Sommer komplett begehbar werden.
Die Via Stockalper zwischen Brig und Gondo ist in gutem Zustand. Der Abschnitt hinter der Grenze bis Domodossola soll bis diesen Sommer komplett begehbar werden. Bild: Schweiz Mobil/Grafik htr
Bild: Schweiz Mobil/Grafik htr

Die Handelsroute über den Simplonpass hat eine lange Tradition. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts baute der Briger Handelsherr Kaspar Stockalper den Weg aus und bot in einer politisch unruhigen Zeit eine sichere Handelsverbindung über die Alpen an. Die Ware wurde mit Maultieren über den Pass geführt – das sogenannte Säumen. Anfang des 19. Jahrhunderts erkannte Napoleon Bonaparte die strategische Bedeutung des Passes und ordnete den Bau einer Strasse an. Seine Truppen schickte er letztendlich nie über den Pass, trotzdem entstand so die erste fahrbare Passstrasse in den Westalpen. Ein Drama in jüngerer Zeit spielte sich kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs ab: Italienische Partisanen verhinderten, unterstützt vom Schweizer Nachrichtendienst, die Sprengung des Simplon-Südportals durch die sich zurückziehende Wehrmacht.

«Der Pfad und die Region haben eine hoch spannende Geschichte», sagt Jerun Vils, Tourismusexperte bei der Zürcher Agentur Gutundgut. Doch der Stockalper-Saumpfad geriet mit der Zeit in Vergessenheit. Erst in den 1990er-Jahren reaktivierte ihn die Stiftung Ecomuseum Simplon und machte ihn zum Rückgrat ihres Freiluftmuseums. Wanderinnen und Wanderer können ein spezielles Package erwerben, das in drei Tagen von Brig bis Gondo führt. Sogar der Gepäcktransport wird für sie organisiert. «Aber leider ist das nur die Hälfte des ursprünglichen Saumwegs», sagt Silvio Burgener, Geschäftsstellenleiter bei Brig-Simplon Tourismus. Beim Grenzort Gondo ist Schluss. Die Strecke durch das verwunschene Val Divedro bis hinunter nach Crèvoladossola und weiter nach Domodossola ist nur schlecht erschlossen und teilweise gar nicht begehbar.

#bettertogether Ganz im Zeichen der Gemeinsamkeit steht das Jahresmotto von HotellerieSuisse. Solidarität, Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl sind wichtige Eckpfeiler, um Wege aus der aktuellen Krise zu finden. Die htr-Serie #bettertogether stellt Lösungsansätze, Best-Practice-Beispiele und Projekte aus der Branche vor, die Chancen wahrnehmen und Perspektiven aufzeigen.
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Teure Knacknuss: Der alte Saumpfad hinter Gondo
Ein auf drei Jahre angelegtes Interreg-Projekt ist nun dabei, dies zu ändern. Zentrales Ziel: die Via Stockalper in ihrer ganzen Länge wiederherzustellen. Federführend auf Schweizer Seite ist die Bahngesellschaft BLS, welche die Strecke bis Domodossola seit 2017 bedient. «Wir hoffen auf eine Aufwertung der Bahnhöfe als Wander-Ein- und -Ausstiegspunkte auf italienischer Seite», sagt Ilona Ott, Key-Account-Managerin Italien bei der BLS. Darüber hinaus werde die durchgehende Eröffnung des Saumpfads die Wertschöpfung in der ganzen Passregion erhöhen, glaubt Ott, die zweisprachig ist und über langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit italienischen Partnern verfügt.

Die gesamte Via Stockalper ist schon jetzt gut durch den öffentlichen Verkehr erschlossen. Nach Gondo – möglicher Ausgangspunkt für den Wegabschnitt Richtung Domodossola – fährt das Postauto. Auch mit dem Privatauto sind sämtliche Ausgangs- und Endpunkte rasch erreichbar. Wanderern steht es frei, lediglich einzelne Etappen zu begehen.

Zunächst müssen jedoch einzelne Wegabschnitte auf der italienischen Seite ausgebessert oder ganz neu angelegt werden. Der Abschnitt zwischen Varzo und Gondo stellt dabei die grösste Herausforderung dar. Der ursprüngliche Saumweg verlief im engen Talboden entlang des Flusses Diveria. Bergstürze, Hochwasser, aber auch der Bau der Verkehrsinfrastruktur haben grosse Teile des alten Weges zerstört. Diese sollen noch in diesem Frühjahr wiederhergestellt werden, bereits im Sommer soll die Strecke dann als Ganzes wieder begehbar sein.

Gänzlich neu ist die Idee indes nicht. Bereits 2012 war im Rahmen eines Interreg-Projekts eine Studie zur Wiederherstellung der Via Stockalper auf der italienischen Passseite entstanden. Mehrere neue Brücken und Galerien sowie ein Museum hätten gebaut werden sollen. Die kalkulierten Kosten betrugen rund 850 000 Euro – zu viel, wie sich im Nachhinein herausstellte. Denn während auf Schweizer Seite weiterhin in die Via Stockalper investiert wurde, verschwand das Projekt in Italien wieder in der Schublade.

Ein Durchfahrtstal wird zum touristischen Ziel aufgewertet
Was ist heute anders als vor acht Jahren? Anstatt der ursprünglich geplanten «Luxusvariante» solle die Strecke im Val Divedro nur zum Teil unten im Talboden verlaufen. Das sei einiges kostengünstiger, erklärt Ilona Ott. Doch auch diese Routenführung sei interessant, folge sie doch streckenweise einem alten Schmugglerpfad, welcher früher genutzt wurde, um den Zoll zu umgehen. Domodossola und die anderen beteiligten italienischen Gemeinden erhalten für die Weginstandsetzung 110 000 Euro aus dem Interreg-Topf. «Das Geld fliesst vollständig in das Projekt und nicht ins Management», betont Marco Volonta, der die Behörden in Domodossola berät.

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Vils und Ott sehen einen weiteren Grund, warum jenseits der Grenze plötzlich Bewegung in die Sache gekommen ist. «Mit dem Weg durchs Val Divedro wird ein klassisches Durchfahrtstal zum Wandertal aufgewertet», so Ott. Gleichzeitig habe man erkannt, welche touristische Strahlkraft sich auf Schweizer Seite entwickelt habe, glaubt Vils. «Da wurden die Italiener hellhörig.»

Die Agentur Gutundgut wurde von der BLS für die Umsetzung des Projekts beauftragt, auch im italienischen Val Divedro. «Die haben einfach mal angefangen und nicht noch mehr Papier für die Schublade produziert», sagt Silvio Burgener anerkennend. Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Projektpartnern sei dennoch «speziell». Vor allem bei Interreg gehe es ziemlich bürokratisch zu und her. Auch mit den italienischen Partnern brauche es Geduld, «da immer alles zunächst nach Turin muss».

Ilona Ott bewertet die Zusammenarbeit grundsätzlich als «sehr positiv». Doch auch sie spricht von «Herausforderungen mit den unterschiedlichen Mentalitäten und Sprachen». Dazu komme der administrative Aufwand vor allem in Italien. «Aber das gehört bei Interreg dazu. Es werden Brücken geschlagen.»

In loser Folge berichtet die htr hotel revue über Projekte, die im Sinne von #bettertogether entstanden sind. [DOSSIER]


Kulturwege Schweiz: Tourismus mit Bildungsauftrag

Die Via Stockalper gehört zum Netz der Kulturwege Schweiz, einem Projekt der Stiftung Via Storia, das Angebote aus Tourismus, Landwirtschaft, Langsamverkehr und Bildung verbindet. Die zwölf Hauptrouten führen durch die schönsten Kulturlandschaften der Schweiz. Andere Routen führen über die Landesgrenzen: Die Via Spluga, ein Saumweg von vergleichbarer Länge, verläuft von Thusis über den Splügenpass bis nach Chiavenna (IT). Deutlich länger ist die Via Cook, benannt nach dem Pauschalreise-Pionier Thomas Cook. Sie führt quer durch die Westschweiz und über die französischen Alpen südlich des Genfersees. Gar drei Länder verbindet die Via Valtellina: Von Schruns in Vorarlberg (AT) wandert man durch das Prättigau, Engadin und Puschlav bis nach Tirano im Veltlin (IT).
viastoria.ch/kulturwege-schweiz

patrick timmann

#bettertogether

Ein Hotel Garni tischt auf

Was macht ein Garni bei einem Gastro-Lockdown? Es stellt innerhalb von fünf Tagen ein eigenes Restaurant auf die Beine. So geschehen im Hotel Arnica in Scuol.
Bernadette Bissig
Die Küchencrew unter Mathias Schendel (nicht im Bild) mit Lernendem (l.) und René Peukert.
Die Küchencrew unter Mathias Schendel (nicht im Bild) mit Lernendem (l.) und René Peukert. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
(v. l.) Domenic und Martina Zogg mit Danielle Rechter.
(v. l.) Domenic und Martina Zogg mit Danielle Rechter. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann
Eine Vorspeise.
Eine Vorspeise. Bild: Corinne Glanzmann
Bild: Corinne Glanzmann

Irgendwann nach turbulenten Tagen, als der schweizweite Gastro-Lockdown durch den Bundesrat beschlossene Sache war, sassen Martina und Domenic Zogg in der Hotellobby und fragten sich: «Was nun, müssen wir unser Haus schliessen?» Für die beiden Geschwister war es bereits im Sommer zunehmend schwierig geworden, für ihre Hotelgäste einen Tisch zu finden bei einem ihrer Partnerbetriebe. Da das «Arnica» keine eigene Gastronomie betrieb, hatten Gäste die Möglichkeit, ein Dine-around-Package zu buchen, das Abendessen in täglich wechselnden Partnerrestaurants ermöglichte.

«Ab den Sommermonaten war jemand von uns praktisch den ganzen Tag damit beschäftigt, mit viel Aufwand Tische für unsere Gäste zu buchen», erzählt Martina Zogg. Aufgrund der Schutzbestimmungen wurden die Plätze in den Partnerbetrieben immer knapper. Die Partnerlokale sind ebenfalls Hotels, und so mussten diese zuerst für Plätze für ihre eigenen Gäste schauen.

#bettertogether Ganz im Zeichen der Gemeinsamkeit steht das Jahresmotto von HotellerieSuisse. Solidarität, Teamgeist und Zusammengehörigkeitsgefühl sind wichtige Eckpfeiler, um Wege aus der aktuellen Krise zu finden. Die htr-Serie #bettertogether stellt Lösungsansätze, Best-Practice-Beispiele und Projekte aus der Branche vor, die Chancen wahrnehmen und Perspektiven aufzeigen.
Mehr unter htr.ch/bettertogether

Wie aus einer Frühstücksküche eine Gastroküche wird
Bereits im Herbst hatten die Hotelinhaber mit Stammgästen über das Problem diskutiert. Gut, dass diese fest in der Gastronomie verankert sind. René Zimmermann führt in Zürich seit 25 Jahren die Wirtschaft Neumarkt, seine Tochter Anna Zimmermann wirtet mit ihrem Partner Ralf Weber im Restaurant Lotti in Zürich. Als sich die Situation im Dezember verschärfte, nahm die Idee, ein Pop-up-Restaurant auf die Beine zu stellen, schnell Gestalt an. Ein Anruf bei René Zimmermann, und die Maschinerie fing an zu laufen.

«Am Sonntag, 13. Dezember, kontaktierte mich René und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, ein temporäres Restaurant in Scuol aufzubauen und für die Wintersaison in die Berge zu ziehen. ‹Überlege es dir›, meinte er», erzählt die «Neumarkt»-Bankettleiterin Danielle Rechter. Überlegen musste sie es sich nicht lange: Bereits am darauffolgenden Montag war sie mit René Zimmermann und dem «Neumarkt»-Küchenchef Mathias Schendel in Scuol, um sich die Situation anzuschauen. Das Trio war sich rasch einig: Das ziehen wir durch. Also hiess es, an die Arbeit. Drei Tage später fuhren die Bankettleiterin und der Küchenchef mit einem Auto voll mit Pfannen, Küchenutensilien, Tellern, Gläsern und Wein von Zürich ins Unterengadin.

Und auch in Scuol ging es hoch zu und her. «Wir haben unsere Frühstücksküche in fünf Tagen zu einer improvisierten Gastroküche umgebaut», erzählt Domenic Zogg. Es brauchte Kühlschränke, Gefrieranlagen, einen Steamer, einen Holdomaten, einen Induktionsherd, ein Wärmerechaud. «Viele Geräte konnten wir in so kurzer Zeit gar nicht erwerben. Und so haben wir einiges ausgeliehen», erzählt Domenic Zogg. Zudem musste vieles improvisiert werden.
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Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten
Von diesem Kraftakt, den das Team um René Zimmermann sowie Martina und Domenic Zogg in kürzester Zeit vollbracht haben, spürt der Gast nichts mehr. Der Frühstücksraum verwandelt sich nun abends in ein Pop-up-Restaurant by Wirtschaft Neumarkt. Hier serviert Danielle Rechter zusammen mit einem rotierenden Team des «Neumarkt», darunter immer auch Lernende, jeden Abend ein 3-Gang-Menü. Die Gäste können jeweils zwischen einem Fleischhauptgang und einer vegetarischen Variante wählen. Dabei stehen frische und naturbelassene Produkte aus der Region im Vordergrund. «Die Küche des Restaurant Neumarkt passt perfekt zu unserer Philosophie. Etwas Besseres hätten wir uns nicht vorstellen können», sagt Martina Zogg.

Zudem haben René Zimmermann und Danielle Rechter für das Pop-up den passenden Wein aus dem Weinkeller der Wirtschaft Neumarkt mitgebracht. Der Fokus liegt dabei auf Schweizer Weinen und ausgewählten italienischen Tropfen. «Wir haben in der kurzen Zeit enorm viel dazugelernt, was Gastronomie und Kulinarik anbelangt», erzählt Martina Zogg. «Für uns war dieser Bereich Neuland.»

Für die beiden leidenschaftlichen Hoteliers, die den Betrieb von ihren Eltern übernommen haben, bedeutet die Gastrolösung im Haus längere Präsenzzeiten. Und ihre Belegschaft hat sich praktisch von einem Tag auf den anderen verdoppelt. «Gleichzeitig hat das Pop-up viel Dynamik ins Haus gebracht. Es ist schön, so innovative und engagierte Leute hier zu haben», freut sich Domenic Zogg. Bankettleiterin Danielle Rechter schätzt im Gegenzug die Freiheit, die ihnen Martina und Domenic Zogg gelassen haben.

Eine Inhouse-Gastrolösung über die Wintersaison hinaus?
Nun denken die Zoggs über eine Fortsetzung der Inhouse-Gastrolösung über die Wintersaison hinaus nach. Eine Situation wie im Dezember wollen sie nicht noch mal erleben. Bereits bei der Teambesetzung haben sie vorgesorgt, indem sie einen lokalen Koch einstellten. «So können wir Konstanz sichern, wenn das «Neumarkt»-Team nach dem Gastro-Lockdown wieder in die Stadt ziehen wird», sagt Domenic Zogg. Denn es ist davon auszugehen, dass auch die kommende Sommersaison von Corona tangiert sein wird. Wer weiss, vielleicht wird dann aus dem Pop-up ein permanentes Restaurant.


Hotel Arnica, Scuol: Restauration inhouse anbieten
Die Geschwister Martina und Domenic Zogg führen das 3-Sterne-Superior-Haus im Unterengadin seit Ende 2019 gemeinsam in zweiter Generation. Bereits im Sommer zeichnete sich ab, dass ihre Partnerrestaurants in Scuol abends keinen Platz mehr für ihre Gäste haben würden. Die Lösung: ein Pop-up im Haus.
arnica-scuol.ch


Wirtschaft Neumarkt, Zürich: Küche in die Berge verlegen
Wie so viele andere Gastronomen musste René Zimmermann, Pächter des traditionsreichen Restaurants im Zürcher Niederdorf, seine Mitarbeitenden zu Beginn des zweiten Gastro-Lockdown erneut ganz in Kurzarbeit schicken. Mit dem Pop-up im Hotel Arnica in Scuol verhilft der Gastronom dem Garni zu einer temporären Gastrolösung und acht Teammitgliedern zu Arbeit.
wirtschaft-neumarkt.ch

Bernadette Bissig