Malans, Jenins, Maienfeld, Fläsch – das macht sie aus, die Bündner Herrschaft mit ihren 7300 Einwohnern, rund 70 Weinbaubetrieben und einer Vielzahl gastronomischer Angebote, vom Haubenlokal bis zur Besenbeiz. Auf 350 Hektaren wird Weinbau betrieben. Der Pinot noir steht hoch im Kurs, vielen gilt er gar als der allerfeinste der Schweiz. Diese Entwicklung wurde von einer Winzergeneration eingeleitet, die ihre Betriebe vor ein paar Jahren an die nächste weitergegeben hat oder dies bald tun wird.

So richtig los ging es hier vor fünfzig Jahren. Aus den bäuerlichen Betrieben mit gemischter Landwirtschaft entwickelten sich spezialisierte Weinbaubetriebe, aus Ställen wurden Keller, und statt Milch floss Wein. Die Trauben wurden nicht mehr an Kellereien abgegeben, sondern selber verarbeitet und verkauft. Die Selbstkelterer prägten mehr und mehr das Bild, und damit setzte auch ein vermehrter Wettbewerb ein, der die allgemeine Güte der Weine stark verbesserte.

Längst nicht mehr nur Beerliwein
Es ist diese Struktur, die den Aufenthalt in der Bündner Herrschaft so attraktiv macht. In jedem Dorf stösst man auf eine Vielzahl von Winzerinnen und Winzern, die ihre Weine zur Verkostung und zum Verkauf anbieten. Und längst nicht mehr nur Beerliwein, wie der fruchtige Blauburgunder im letzten Jahrhundert hiess, heute spricht man lieber von Pinot noir und baut ihn ganz unterschiedlich aus. Im Stahltank gekeltert heisst er etwa Klassik oder Tradition, in Barriques ausgebaut wird er als Reserve oder Selektion angeboten. Mehr und mehr werden auch Lagenweine abgefüllt, diese tragen dann Namen wie Uris, Selvenen oder Herrenacker. Ein Hinweis auf die Gemeinde, in der die Trauben gereift sind, ist die Regel.

So richtig los ging es vor fünfzig Jahren. Aus den bäuerlichen Betrieben mit gemischter Landwirtschaft entwickelten sich spezialisierte Weinbaubetriebe, aus Ställen wurden Keller, und statt Milch floss Wein.

Obwohl sich Bündner Pinot gut verkauft, werden mehr und mehr Flächen mit weissen Sorten bestockt, ein Viertel sind es mittlerweile in Nordbünden. War im letzten Jahrhundert Riesling-Silvaner Platzhirsch, so sind es heute die sogenannten Burgundersorten Chardonnay, Pinot blanc und Pinot gris, und vermehrt wird auch wieder der Bündner Ursorte Completer Platz eingeräumt. 24 weisse und 27 rote Sorten sind im registrierten Anbau, und aus ihnen werden nicht nur trockene Weiss- und Rotweine gekeltert, sondern auch bemerkenswerte Schaum- und Süssweine. Diese Verästelung und Verfeinerung gab auch der Gastronomie Schub. Nichts gegen ein Bündnerplättli oder eine Gerstensuppe, zu denen ein fruchtiger, kühl servierter Blauburgunder die passende Begleitmusik ist. Die heutige Weinvielfalt aber hat die kulinarische Spielwiese vergrössert, und das ist gut so.

Keine Ochsentour

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Malans ist der südlichste Ort der Bündner Herrschaft. Eine besonders attraktive Annäherung an das Dorf beginnt am Stadtrand von Chur, Start- oder Endpunkt des ausgeschilderten Weinwanderwegs. Nach der Durchquerung eines längeren Waldstücks erreicht man Trimmis, kommt nach Zizers, geht durch Igis – auch in diesen Orten wird Weinbau betrieben –, kommt vorbei am Schloss Marschlins und erreicht nach der Überquerung der Landquart das Dorf Malans.

16 Kilometer Fussmarsch liegen dazwischen, das schafft den richtigen Appetit zur Einkehr im «Ochsen», er ist seit 1897 im Besitz der Familie Donatsch. Zum «Ochsen» gehörte schon damals auch ein Weinbaubetrieb. Die Gaststube war und ist das Schaufenster der Eigenproduktion, dazu werden seit eh und je Kleinigkeiten angeboten wie eine Gerstensuppe, mit zünftig Weisswein und geräucherten Brustspitzen, aber ohne Rahm, sie entlockte Horst Petermann 19 Punkte, oder eine Bündnerplatte, bestückt von Jörg Brügger aus Parpan. Ab 18 Uhr wird die getäferte Arvenstube mit dem blauen Kachelofen privater Wohnraum. Sie wurde 1926 gebaut, in diesem Jahr war der «Ochsen» bis auf die Grundmauern abgebrannt. Ausgeschenkt werden – wie gesagt – vor allem die eigenen Weine, heute ist dafür, in fünfter Generation, Martin Donatsch verantwortlich. Nicht wenige Gäste nutzen die Gelegenheit, in der Gaststube zu verkosten und sich dann – soweit verfügbar – gleich auch für zu Hause einzudecken.

Martin Donatschs Vater Thomas hat schon früh eine exzellent bestückte Vinothek angelegt. «Der Grossteil des Angebots stammt aus unseren drei Lieblingsregionen, alle mit Anfangsbuchstaben B: Burgund, Bordeaux, Bündner Herrschaft.» Mit Christoph Kaltenegger, vormals Chef de Service im Golf Club Bad Ragaz und Sommelier im «Weiss Kreuz» in Malans, ist sie in besten Händen. Einmal monatlich bietet er auch eine kommentierte Verkostung an.

Ort: Malans, Sternengasse 6

Betrieb: Winzerstube zum Ochsen

Besitzer: Familie Donatsch

Gastgeber: Christoph Kaltenegger

Besonderes: Weine aus eigener Produktion und Internationales, Gerstensuppe, Bündnerplatte

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 11 bis 20 Uhr, Wochenende 10 bis 18 Uhr

Kontakt: Tel. 081 322 11 17; info@donatsch-malans.ch; donatsch-malans.ch

 

Erst der Wein, dann das Essen

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Für die drei Kilometer von Malans nach Jenins bieten sich zwei Routen an – die eine beginnt unterhalb, die andere oberhalb des Dorfausgangs, beide reizvoll mit Blick auf die Wingert, wie die Rebberge in Graubünden heissen. Jenins liegt auf 635 Metern über Meer, es ist der höchstgelegene Ort der Herrschaft. Etwas ausserhalb des Dorfkerns befindet sich der «Alte Torkel». Er ist seit 1968 im Besitz des Branchenverbands Graubünden Wein, dem rund 60 Weinbaubetriebe angehören.

Im «Huus vum Bündner Wii», einem Annex, ist eine permanente Ausstellung untergebracht, es werden regelmässig Führungen und Degustationen durchgeführt. Es ist ein Raum wie ein abstrahiertes Weinfass, ganz in Eiche gehalten. 2016 wurde das Haus nach einem grossen Umbau neu eröffnet. Vier Architekturbüros waren eingeladen worden, ihre Projekte einzureichen. Das Büro des Churer Architekten Pablo Horváth erhielt den Auftrag. 2,3 Millionen Franken wurden verbaut, allein 320 000 Franken davon flossen in die Küche, sie ist im Erweiterungsbau untergebracht. Herzstück des Restaurants ist ein Torkelbaum, eine acht Meter lange Baumpresse aus dem Jahr 1722, gestiftet von Milo Pfister, dem legendären Churer «Stern»-Wirt.

Mit dem Umbau kam eine drei Meter hohe Weinwand hinzu, dezent beleuchtet, von hinten gekühlt, mit Platz für über 1000 Flaschen aus einheimischer Produktion. Seit 2020 führen Julia und Oliver Friedrich den Betrieb. «Fine Wineing» haben sie sich auf die Karte geschrieben. «Wir bieten im monatlichen Wechsel 21 Weine glasweise im Offenausschank an. Unsere Gäste wählen erst die Geschmacksrichtung, dazu empfiehlt dann Küchenchef David Esser die passenden Gerichte.» Ab zehn Personen sind auch geführte Weindegustationen buchbar, und regelmässig finden sogenannte Winzer-­Live-Talks statt.

Ort: Jenins, Jeninserstrasse 3

Betrieb: Alter Torkel

Besitzer: Branchenverband Graubünden Wein

Gastgeber: Julia und Oliver Friedrich

Besonderes: Museum, Torkelbaum, umfassendes Weinsortiment aus Graubünden, Gourmetküche

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 11.30 bis 22 Uhr, Sonntag 11.30 bis 18 Uhr

Kontakt: Tel. 081 302 36 75; genuss@alter-torkel.ch; alter-torkel.ch

 

Wein statt Milch

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Vom Aussichtspunkt des «Alten Torkel» führt der Weinwanderweg über drei Kilometer nach Maienfeld, «einem von Rebbergen umgebenen Ort am Fusse des Falknis». Traditionell wird Maienfeld mit seinen 3000 Einwohnern immer noch Stadt genannt und der zentrale Platz Städtli. Diese Namen gehen auf das 1434 erstmals dokumentierte Stadtrecht zurück. Der bekannteste Weinbaubetrieb ist Schloss Salenegg, das für sich in Anspruch nimmt, das älteste Weingut Europas zu sein.

Der erste Bau entstand um das Jahr 950; Bauherr war der Prior des Klosters Pfäfers. Man nannte es Prestenegg. Hier, auf der sonnigen Seite des Rheintals, sollten die Mönche ihre Gebresten kurieren. Zum Anwesen gehört auch ein Kuhstall, der 2017 zu einem Gasthaus umfunktioniert wurde. Treibende Kraft ist der in Maienfeld ansässige Projektentwickler Franco Jenal. Das Lokal trägt den Namen «Stall 247»: Nicht nur äusserlich hat das Gebäude Nummer 247 seinen Charakter bewahrt, auch im Innern wurde vieles so belassen, wie es ursprünglich gedacht war. Seit ein paar Monaten führen Seraina Kasper und Michael Graber das Lokal. Graber ist der Sohn von Peter und Wera Graber, ehemals «Stüvetta Veglia» in Celerina.

Ihr Angebot umfasst Taverna, Vinothek und Seminarinfrastruktur. In der Taverna finden auch immer wieder Weinpräsentationen statt, mit Bündner Winzerinnen und Winzern und deren Kollegen aus anderen Regionen, und auch Gastköche spielen auf, diesen Sommer etwa Hansjörg Ladurner und Rebecca Clopath. Die «Weinstrasse» ist Teil der Vinothek. Es handelt sich dabei um ein Gerät, das 20 richtig temperierte und konservierte Weine im Offenausschank bereithält und dem drei Portionengrössen entnommen werden können: 20 ml als Kostprobe, 50 ml oder 100 ml zum Trinken am Tisch. Diese Weine und eine repräsentative Auswahl an Herrschäftlern sind in der Vinothek auch flaschen- oder kartonweise käuflich. Die Taverna kann, wie die Arbeitsräume im Dachgeschoss des neuen Torkels von Schloss Salenegg, für Seminare oder Präsentationen gemietet werden.

Ort: Maienfeld, Spitalgasse 16

Betrieb: Stall 247

Besitzer: Schloss Salenegg

Gastgeber: Seraina Kasper und Michael Graber

Besonderes: Degustationsautomat, Vinothek, Veranstaltungen, Seminarräume

Öffnungszeiten: jeden letzten Freitag im Monat 16.30 bis 22 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr

Kontakt: Tel. 081 599 46 76; info@stall247.ch; stall247.ch

 

Das Bad blüht auf

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Eine gute Stunde Fussmarsch nimmt die Strecke vom Maienfelder Stall bis zum Grotto im Fläscher Bad in Anspruch, es liegt im äussersten Zipfel der Bündner Herrschaft am Fusse der Rebberge von Roman Hermann. Schon vor 400 Jahren wurde hier getrunken, Rebensaft und Quellwasser, dem heilende Wirkung zugesprochen wurde. Hortensia von Salis, Schwägerin des Badbesitzers Karl Gubert von Salis, berichtete in ihrem autobiografischen Roman aus dem Jahr 1696, wie sie sich mit ihren adeligen Verwandten und Freunden im Fläscher Bad traf. Während ihre Schwägerin und ihre Kinder eine Hautkrankheit ausbadeten, vertrieb sich die Gesellschaft die Zeit mit Lektüre, Jagen und Picknicks unter freiem Himmel.

200 Jahre lang blieb es dann still um das Bad, die Gemeinde hatte es vermutlich wegen zu hohen Holzverbrauchs geschlossen. Öffentliches Leben kehrte erst in den 1970er-Jahren ins Bad zurück: Roman Hermanns Grossvater richtete einen Grottobetrieb ein, musste diesen aber bereits 1983 wieder einstellen, es fehlten die Bewilligungen. 1990 erlaubte die Gemeinde, dass im Fläscher Bad Weindegustationen stattfinden durften, und mit der Einführung eines liberaleren Bündner Gastwirtschaftsgesetzes 1999 stand dem weiteren Ausbau der Aktivitäten nichts mehr im Wege.

Roman Hermann hat das Fläscher Bad aufgefrischt und für den Betrieb Marxers Kochwelt engagiert. In Fläsch startete das durch Culinarium zertifizierte Cateringunternehmen vor einem Jahr. Ein besonderes Augenmerk widmen Stela und Dario Marxer dem Käse: Maître Fromager Rolf Beeler bestückt ein 500 Jahre altes Kellergewölbe. Und jeweils am ersten Freitagabend des Monats ist am «Winzerobig» eine Winzerin oder ein Winzer im Fläscher Bad zu Gast. Hortensia von Salis würde staunen.

Ort: Fläsch, Fläscher Bad

Betrieb: Grotto Fläscher Bad

Besitzer: Familie Roman Hermann

Gastgeber: Stela und Dario Marxer

Besonderes: am Rebberg, Käsekeller, Veranstaltungen

Öffnungszeiten: Freitag 18 bis 23 Uhr, Samstag 15 bis 23 Uhr, Sonntag 10 bis 15 Uhr

Kontakt: Tel. 081 756 11 22; geniessen@das-grotto.ch; das-grotto.ch