Kurz und Knapp

1 An der Journey beteiligte Software muss mit anderen Systemen im Betrieb harmonieren: das Reservationstool mit der Kasse, die Kasse mit der Bestell- und Bezahl-App. Umwege oder doppeltes Erfassen vermeiden.

2 Die Software sollte die gerade besonders benötigte Flexibilität unterstützen. Anpassungen müssen direkt im Restaurant durchführbar sein. Das ermöglicht schnelle Reaktionen.

3 Es ist wichtig, die digitale Journey als Ganzes zu betrachten. Nicht nur den Betrieb selbst, sondern auch die Aussenwahrnehmung. Mitarbeitende müssen die Journey kennen und verstehen.

4 Gäste, die sich ausserhalb des Digitalen bewegen, unbedingt berücksichtigen und die Tools entsprechend einstellen. Übergänge zwischen Digitalem und Analogem beachten. Beispiel: Social-Media-Beiträge auch in Gästezeitung abdrucken.

5 Bestell- und Bezahl-App sollten Rechnungssplitting- und Trinkgeld-Funktion haben. Und eine Feedback-Funktion. App muss genau aufs jeweilige Konzept zugeschnitten sein.

6 Die digitale Speisekarte verfügt idealerweise über Animationen und Zusatzinformationen. Auch Zusatzverkäufe. Ziel: Profitsteigerung. Sinnvoll ist Menu Engineering, das erhöht die Rentabilität pro Gast.

7 Bei grösseren Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Betrieben bedarf es einer zentralen Steuerung für betriebsübergreifende Prozesse. Diese sollte aber genug Freiraum für Individualität lassen.

Auch jetzt, nach der kompletten Öffnung, wissen Gastronomen oft nicht genau, woran sie sind. Um auf das Kommende flexibel reagieren zu können, braucht es passende Tools. Die Online-Reservierungssoftware etwa muss so aufgestellt sein, dass sich Anpassungen direkt im Restaurant durchführen lassen – dies ermöglicht schnelles Reagieren.

Im Restaurant Vierte Wand, das zum Konzert Theater Bern gehört, wurde das Reopening der Terrasse mit 64 Plätzen gefeiert, nun die Öffnung der Innenräume. Technisch sei die Vierte Wand auf jede mögliche Veränderung gut vorbereitet, sagt Gastronomieleiterin Julia Wiebelt. «Wir haben in unserem Aleno-Reservierungstool die entsprechenden Kontingente hinterlegt und abrufbereit im Backoffice erfasst.» Dazu gehören Vergrösserungen, Schutzmassnahmen und Contact-Tracing in den Innenräumen sowie Events für die Zeit nach Corona.

Die Gästereise beginnt weit vor dem Besuch
Die Onlinereservierung ist einer von vielen Berührungspunkten, die zusammen die digitale Journey bilden. Jeder Baustein hat da bestimmte Aufgaben: Social Media liefert Inspiration, digitale Speisekarten bieten Zusatzinfos, Websites geben Corona-Updates. Die letzten Monate hätten eine Menge Veränderungen gebracht, sagt Gastronomieberater Moritz Kuhnel: «Durch die Pandemie wurden einige Touchpoints auf ein neues Level gehoben. Nehmen wir die elektronische Bezahlung. Jetzt merken viele Betriebe, dass ein Terminal nicht mehr ausreicht. Selbst den Kaffee auf der Terrasse zahlen die Leute mit Karte.» Auch digitale Speisekarten sind wegen Corona angesagt.

Bei den Tibits-Restaurants kamen die Bereiche Delivery und Click & Collect als Baustein dazu. Besonders bei schlechtem Wetter brummt das Geschäft: Viele bestellen Gerichte nach Hause oder holen sie im Restaurant ab. Auch hier kommt es auf Tools an, die Flexibilität unterstützen. CEO und Mitgründer Daniel Frei: «Die Teams vor Ort müssen damit selbstständig arbeiten und sofort auf Veränderungen reagieren können.»

Mit der Schweizer Webapp Yoordi, die bei Delivery und Click & Collect im Einsatz ist, geht das gut: Ist ein Menü ausverkauft, können die Mitarbeitenden es sofort löschen. Das Reservierungstool Foratable ermöglicht ähnlich eigenständiges Arbeiten: Telefonisch oder persönlich entgegengenommene Reservierungen trägt das Personal online gleich selbst ein. Solch schnelles Reagieren setzt technisches Know-how voraus.

Frei erwartet aber noch mehr: «Die Teams müssen die digitale Journey kennen, um die Sichtweise der Gäste besser zu verstehen. So entsteht auch ein Bewusstsein dafür, dass die Gästereise weit vor dem Besuch beginnt: bei der Google-Suche, beim Scrollen durch Instagram.»

Vielfalt macht die Journey kompliziert
Aufwendig wird es, wenn verschiedene Betriebstypen zu lenken sind. Wie bei der schweizweit tätigen ZFV-Gruppe. Da gibt es die Lilly-Jo-Betriebe, die Restaurants in den Sorell-Hotels, die Betriebskantinen.

Verschmelzen digitaler und analoger Touchpoints

Für Gastronomieberater Moritz Kuhnel gibt es einen Knackpunkt bei der Gästereise: die Verschmelzung digitaler und analoger Touchpoints. Das Digitale sei kein abgeschlossener Bereich, es gebe immer Übergänge zum Analogen. Beispiel: Gäste werden via Social Media aufs Restaurant aufmerksam und reservieren über diesen Kanal. Beim Betreten des Restaurants folgen die analogen Touchpoints, und digital wird es wieder nach dem Besuch: bei der Bitte um ein Review. Wie lassen sich die zwei Welten verbinden? Die Tibits-Restaurants versuchen es so: Social-Media-Posts werden auch für die Printzeitung, die in den Restaurants aufliegt, mitaufbereitet.

Die Vielfalt macht die Journey-Koordination zu einer komplizierten Angelegenheit, wie Patrik Scheidegger, COO Gastronomie, erklärt. Diesem Anspruch genügen zum Beispiel die Feedback-Tablets, die bei ZFV-Betrieben zur Journey gehören. Nach dem Essen können Gäste dort ihre Bewertung eingeben. Die Schweizer Software Opiniooon, über die das läuft, lässt sich zentral lenken. Jeder Betrieb kann einen individuellen Fragebogen aufsetzen. Auch die Websites der öffentlichen Restaurants sind individuell gestaltet und zentral steuerbar.

Über die Website, aber auch via Newsletter, Blog und Social Media fliessen die Informationen innerhalb der Journey. Der Bedarf sei durch Corona grösser geworden, stellt Daniel Frei fest. Die Gäste erkundigen sich häufiger nach Schutzmassnahmen oder aktuellen Öffnungszeiten. Darin liegen Umsatzchancen, denn bei der Informationsbeschaffung stossen die Gäste automatisch auf Angebote. «Sie erfahren von unserem Abholservice und nutzen ihn vielleicht bei nächster Gelegenheit.»

Speziell bei Social Media geht der Informationsfluss auch nicht nur in Richtung Gäste. «Facebook und Trip Advisor verraten uns, wie die Gäste den Besuch erleben und was wir noch verbessern können», so Frei.


«Digitale Speisekarten sollten Animationen oder Zusatzinformationen haben»

Moritz Kuhnel, Inhaber der Basler Gastroberatungsfirma foodcult, empfiehlt den Rundumblick.

Herr Kuhnel, wie sollten Gastronomen die digitale Gästereise angehen?

Es geht immer um etwas Zusammenhängendes. Wer die Journey ganzheitlich bearbeitet, punktet bei den Gästen. Ich erlebe immer wieder, dass etwas übersehen wird. Gastronomen setzen einzelne Touchpoints hervorragend um, vernachlässigen aber unbewusst andere. Viele machen sich zu wenig Gedanken, wie ihr Betrieb aussen und online wahrgenommen wird - vor Ort kennen sie sich viel besser aus. Die Zahnräder müssen aber ineinandergreifen. Vergessen Gastronomen, ein Rad zu ölen, beginnt es zu quietschen. Dieses Geräusch mag kein Gast.

Eine Lösung, die alle Phasen der digitalen Journey abdeckt, gibt es nicht. Würde die die Sache leichter machen?


Nein, sie könnte ganz eigene Risiken mitbringen. Zum Beispiel, wenn dieser Allrounder zu starr aufgestellt wäre. Dann liessen sich andere Programme im Betrieb nicht damit verknüpfen.

Schauen wir auf die Software für den Vort-Ort-Service. Wie sieht es bei den Bestell- und Bezahl-Apps aus? Setzen die sich langsam durch?

Direkt im Restaurant sind sie noch selten. Wenn, tauchen sie vor allem im Take-Away-Geschäft auf. Wer damit anfängt, sollte auf genug Spielraum für Zusatzwünsche oder Lebensmittelunverträglichkeiten achten. Schlüsselfunktionen beim Bezahlen sind Rechnungssplitting und Trinkgeld-Funktion. Direktes Feedback ist dagegen eher schmückes Beiwerk. Am wichtigsten: Die Systeme müssen auf das Restaurant-Konzept zugeschnitten werden können.  Diese Individualisierbarkeit ist ein zentrales Element. [IMG 2]

Digitale Speisekarten sind präsenter. Worauf kommt es da an?

Die Tools sollten Animationen oder Zusatzinformationen haben - das unterstützt die Präsentation der Speisen. Auch Zusatzverkäufe müssen sich gut steuern lassen. Das oberste Ziel lautet: Profitsteigerung. Da können Elemente des Menu Engineerings helfen. Auf jeder Speisekarte finden sich ja Gerichte mit höherer und tieferer Marge.  Gastronomen analysieren zuerst Rentabilität und Beliebtheit. Danach lenken sie die Aufmerksamkeit auf die Speisen, die sie verkaufen wollen - und führen die Gäste gleichzeitig weg von Gerichten, die weniger einbringen. Diese Methode führt nicht dazu, dass plötzlich alle das Gleiche bestellen, aber sie erhöht die Rentabilität pro Gast.