Im grosszügigen City-Bistrot am Bahnhof Bellinzona ist die Stimmung an diesem Morgen fast wie immer: Rund die Hälfte der Sitzplätze sind besetzt, die überwiegend männlichen Gäste trinken Espresso und plaudern. In der Bahnhofunterführung verteilen zwei junge Mitarbeiterinnen der SBB scherzend Desinfektionstüchlein.

Ganz oben an der Viale Stazione ist es hingegen noch ruhig kurz vor 9 Uhr: In der scheinbar aus der Zeit gefallenen, bei älteren Gästen beliebten Birreria Bavarese sitzen etwas verloren drei Gäste an zwei Tischen.

Fast schon voll ist die auf ein jüngeres Publikum ausgerichtete Wine-Bar Galleria. Hier sind sieben Tischchen besetzt, und zwar von überwiegend jüngeren Personen, die erstmals nach acht Wochen wieder auswärts ihren Kaffee trinken.

Noch ganz leer ist hingegen das Café Peverelli an der zentral gelegenen Piazza Collegiata. Hier sitzen für gewöhnlich um diese Zeit zugewanderte Deutschschweizer und Liebhaber guter Backwaren, denn keiner serviert bessere Cornetti als Peverelli. Ausserdem gab es hier früher den «Blick» zu lesen – doch das ist nun verboten.

Draussen vor dem Peverelli steht ein älterer Mann mit leuchtend grünem Regenschirm. Ob er Angst habe, ab heute wieder in der Bar seinen «caffè» zu trinken? «Angst habe ich nicht, nein. Ich bedaure aber sehr, dass man nicht mehr Zeitung lesen kann im Café.» Das Virus gehe wieder vorbei, sagt er. «Pazienza» - «Immer mit der Ruhe.»

Neue Abläufe noch nicht eingespielt
Die beliebte Café-Bar der Manor um die Ecke ist kurz nach 9 Uhr noch ziemlich leer, doch dann füllt sie sich zusehends. Es sind vor allem jüngere weibliche Gäste, die heute ihren Cappuccino hier trinken und plaudern. Normalerweise trifft man in der Manor-Bar um diese Zeit ältere Frauen, die auf ihrer Einkaufstour eine Pause einlegen.

Dass die neuen Abläufe noch etwas eingeübt werden müssen, zeigt sich bei der Bestellung des Cappuccino. Die Tablets stehen zu weit hinten, um von den Gästen entdeckt werden zu können, und für das Hinterlassen der Kontaktdaten benutzen alle Gäste denselben Kugelschreiber, der unter der Plexiglasscheibe hindurch zur Barista gereicht wird. Immerhin steht am Eingang ein grosser Desinfektionsmittel-Spender, mit dem die Hände ein zweites Mal gereinigt werden können.

Das Tessin ist von der Coronavirus-Pandemie stärker betroffen als die übrige Schweiz. Bis am Sonntagmorgen sind im Südkanton 3265 Personen positiv auf das Virus getestet worden 340 Menschen starben an den Folgen der Lungenkrankheit Covid-19. (sda)