Trennwände sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Plexiglas separiert nicht nur die Angestellten an der Réception von den Hotelgästen und die Verkäufer an der Kasse von den Kunden, auch in der Gastronomie gehört es seit der Pandemie zum Interieur. Überall im Restaurant, wo der Platz nicht ausreicht für genügend Abstand zwischen den Gästen, muss eine Trennwand her – so will es das Schutzkonzept der Branche.[RELATED]

Doch nun sorgen neue Studien aus den USA und aus Grossbritannien für Wirbel. Forscherinnen und Forscher kamen nämlich zum Schluss: Trennwände sind nicht immer eine sinnvolle Lösung. In manchen Situationen können sie die Gefahr einer Ansteckung sogar erhöhen.

Trennwände schützen vor Tröpfchen
Einen möglichen Zusammenhang zwischen Trennwänden in Schulen und dem erhöhten Risiko einer Erkrankung fanden jüngst etwa Forscher der Johns-Hopkins-Universität. Andere Massnahmen wie Masken und Abstandhalten dagegen haben sich laut der Studie bewährt.

Warum das eher überraschende Ergebnis bei den Trennwänden? Die «New York Times», die letzte Woche ausführlich über das Thema berichtet hat, zitiert eine britische Studie, die den Grund für den überraschenden Befund erklärt: Simulationen haben gezeigt, dass Trennwände dann gut schützen, wenn eine Person niest. Die dabei ausgestossenen Tröpfchen sind relativ gross und werden von der Plexiglaswand zuverlässig aufgehalten – wie beim Spuckschutz an der Salatbar.

«Aerosole schweben über die Trennwände und vermischen sich innert fünf Minuten mit der Raumluft.»

Catherine Noakes

Professorin für Umwelttechnik für Gebäude an der Universität von Leeds

Stösst jemand handkehrum beim Sprechen, Lachen oder Atmen winzige Teilchen aus, dann umschweben diese sogenannten Aerosole ganz einfach die Schutzwand. «Wir haben bewiesen, dass feine Aerosole über die Trennwände schweben und sich innert fünf Minuten mit der Raumluft vermischen», so Catherine Noakes, Professorin für Umwelttechnik für Gebäude an der Universität von Leeds. Und genau diese Aerosole, so lautet eine Erkenntnis aus der Pandemie, sind ein wesentlicher Faktor bei der Verbreitung des Coronavirus – speziell bei Superspreader-Events.

Je mehr Trennwände desto grösser das Risiko
Besonders heikel: Schutzwände können unter Umständen die Lüftungseffizienz stören. So entstehen Bereiche, die nur ungenügend mit frischer Luft versorgt werden. Laut Noakes ist das Risiko solcher sogenannten toten Zonen dann besonders hoch, wenn in einem Raum viele Trennwände stehen. Unter dem Strich kann so die Aerosol-Konzentration nicht nur in den toten Zonen, sondern im Raum insgesamt ansteigen.

In der Regel wird beim Aufstellen der Trennwände nicht berücksichtigt, wie die Luft im Raum zirkuliert. Einen generellen Ratschlag, wie die Plexiglasscheiben im Raum zu verteilen sind, gibt es nicht. Denn jeder Raum ist anders, und der Luftstrom hängt von vielen Faktoren wie der Lüftung, dem Grundriss, der Raumhöhe, aber auch dem Mobiliar ab.

Auch ohne Trennwände könne es in grossen Räumen Bereiche geben, die nur halb so viel Frischluft erhielten wie der Durchschnitt, sagt Michael Riediker. Der promovierte Fachmann für Luftschadstoffe und Geschäftsführer des Schweizerischen Zentrums für Arbeits- und Umweltgesundheit rät: Um zu sehen, wie sich die Aerosole in einem Raum konkret verteilten, könne man zu einer einfachen Nebelmaschine greifen. So könne jeder und jede überprüfen, wie sich die Luftzirkulation je nach Raumgestaltung verändere.

So sind Wirtinnen und Wirte auf der sicheren Seite
Was heisst das alles nun für Hoteliers und Wirtinnen? Müssen die Plexiglaswände von der Réception verschwinden und die Tische im Restaurant ohne Trenner, dafür mit mehr Abstand platziert werden? Nicht zwingend, meint Riediker und erklärt: «An einer Réception, wo die Luft vor und hinter der Trennwand frei zirkulieren kann, ist eine Trennwand als zusätzliche Schutzmassnahme beispielsweise nützlich.» Zudem tragen sowohl Personal als auch Gäste Masken und stehen sich in der Regel nur relativ kurz gegenüber.

Die Trennwände seien vor allem dort ein Problem, wo sich die Leute über längere Zeit aufhielten, so Noakes gegenüber der «New York Times». Beispielsweise in Restaurants also, wo die Gäste im Sitzen keine Maske tragen.

Trennwände auf den Tischen statt am Boden
Für Wirtinnen und Wirte hat Riediker ein paar generelle Tipps auf Lager: Trennwände auf den Tischen hätten den Vorteil, dass die frische Luft im Fussbereich frei zirkulieren und von dort aus hochsteigen könne. Mit Trennwänden, die bis auf dem Boden reichten, sei das nicht gewährleistet. So könne es zu toten Zonen kommen.

Er habe in praktischen Tests zudem zeigen können, dass die Lüftungseffizienz «deutlich verbessert» werde, wenn die frische Luft auf Bodenhöhe in den Raum gelange und an der Decke abgesaugt werde. «Mit einem Flexschlauch bringt es ein Handwerker für ein paar 100 Franken hin, dass die Luft bodeneben in den Raum strömt. Das sollte es einem wert sein, um zu verhindern, dass das Restaurant nicht plötzlich als Super-Spreader-Ort in den Medien steht.» Je nach Situation lohne es sich, die bestehende Lüftungsleistung durch zusätzliche Massnahmen wie eine temporäre Absaugung zu unterstützen, fügt Riediker an.

Gastrosuisse: Schutzkonzept hat sich bewährt
Das Schutzkonzept des Gastgewerbes habe sich bewährt, teilt der Branchenverband Gastrosuisse mit. Nur ein kleiner Bruchteil der Corona-Ansteckungen habe bisher auf Gastronomie und Hotellerie zurückgeführt werden können. Welchen Effekt Plexiglasscheiben unter dem Strich hätten, lasse sich zurzeit nicht umfassend beurteilen. Es brauche dazu weitere Studien.