Welches das älteste noch aktive Gasthaus der Schweiz ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Klar ist: Mehrere haben bereits über 600 Jahre auf dem Buckel und beherbergen immer noch Gäste. Doch nicht allen Hotels war es vergönnt, so alt zu werden. Einige Häuser, die ums Jahr 1892, als die htr hotel revue zum ersten Mal erschien, bis weit über die Landesgrenzen aus strahlten, gibt es heute nicht mehr. Sie sind entweder abgebrannt, wurden umgenutzt oder gesprengt. Zurück blieben schöne Bilder und spannende Geschichten.

Hotel Jungfrau am Eggishorn: Besitzer spielten mit dem Feuer

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Das Hotel Jungfrau am Eggishorn wurde 1856 von den Gebrüdern Wellig aus Fiesch mit finanzieller Unterstützung durch den Engländer John Birkbeck erbaut, weil die Gegend von zahlreichen Engländern besucht wurde, nachdem der Engländer Malkin 1840 das Eggishorn erstmals bestiegen hatte. 1871 kam das kleine Berghotel in die Hände von Emil Cathrein, der das Haus in mehreren Etappen zu einem Grossbetrieb mit über 100 Betten vergrösserte. In völliger Einsamkeit bot dieser seinen Gästen alle Annehmlichkeiten von mondänen Grand Hotels.

Bald einmal entstanden auch Projekte zur Erschliessung der Gegend mit der Schiene. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bedeutete aber ein jähes Aus für die Bahnträume. Erst in unserer Zeit kam die Gegend in den Genuss einer Bahnerschliessung. Aber die 1966 eröffnete Luftseilbahn zum Eggishorn liess das alte Hotel «links» liegen. Diese Tatsache inspirierte 1972 die damaligen Besitzer zur Liquidierung ihres alten «Kastens» mit Hilfe von Zündschnur und Feuer.

Hotel Bernerhof Bern: Heute gehts dort um Milliarden

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Jean Kraft war ein gewiefter Berner Hotelier. Als man Mitte des 19. Jahrhunderts Bern zum Regierungssitz machte und das Bundeshaus baute, ahnte er, dass schon bald viele Parlamentarier während der Sessionen einen Platz zum Schlafen brauchen werden. Und so liess Kraft im Zentrum der Macht das Nobelhotel Bernerhof mit 123 Zimmern bauen.

Das 1858 fertiggestellte Hotel galt als erstklassige Adresse in Europa, wo Berühmtheiten wie der Komponist Jacques Offenbach, der  Polarforscher Roald Amundsen sowie Kaiser und Königinnen aus aller Welt abstiegen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs blieben jedoch praktisch von einem Tag auf den anderen die Gäste aus, und nach dem Tod des Hoteliers verkaufte seine Witwe das Hotel der Eidgenossenschaft. Seit 1924 dient das ehemalige Nobelhotel dem Eidgenössischen Finanzdepartement als Sitz.

Grand Hotel Brissago: H.G. Wells hat sich um wenige Kilometer getäuscht

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Das 1906 nach einer langen Planungsphase eröffnete Grand Hotel in Brissago war vom bekannten Architekten Paolito Somazzi aus Lugano entworfen worden, dem Erbauer etlicher Luganeser Hotels. In den ersten Jahren entwickelte sich das Hotel äusserst erfreulich und es wurde zum Aufenthaltsort zahlreicher Berühmtheiten der europäischen Literatur. Thomas Mann, Ernest Hemingway, Hermann Hesse, Wladimir Nabokov und Erich Maria Remarque liessen sich von der Atmosphäre des Hauses verzaubern.

H.G. Wells, der in einem seiner Romane den Ersten Weltkrieg voraussagte, liess dessen Friedenskonferenz im Grand Hotel Brissago stattfinden. Er hatte sich nur um wenige Kilometer getäuscht: 1925 wurde der Frieden im Grand Hotel Locarno (mehr dazu weiter unten) besiegelt, doch man berichtet, die ersten Kontakte zwischen dem deutschen Reichskanzler Gustav Stresemann und dem französischen Premier Aristide Briand hätten im Grand Hotel Brissago stattgefunden.

Nach einer schwungvollen Zeit zwischen den beiden Weltkriegen diente das Hotel ab 1943 als Internierungsheim für Flüchtlinge. Dann wurde es vorübergehend geschlossen, bis es 1958 erneut als Hotel genutzt wurde. Fehlende Investitionen führten aber 1971 zur endgültigen Schliessung, als solche «alten Hotelkästen» kein Renommee mehr hatten. Der fehlende Unterhalt und zahlreiche Vandalenakte am leerstehenden Haus führten zu einem rapiden Verlust der Bausubstanz.

Ein Grossbrand im April 1983 besiegelte das Schicksal des Grand Hotel von Brissago endgültig: Im Jahre 1993 - zu einer Zeit, in der man sich andernorts in der Schweiz längst wieder an die Sanierung historischer Hotelbauten wagte - wurden die verbliebenen Brandruinen abgetragen.

Grand Hotel St. Moritz: Vom grössten Gebäude des Landes zur Poststelle

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Das Grand Hotel in St. Moritz wurde durch eine AG von Einheimischen nach mehreren Vorprojekten des Architekten Karl Koller, der beispielsweise auch das Hotel Waldhaus in Sils-Maria plante und erbaute, am Abhang über dem See von St. Moritz erstellt. Der Monumentalbau war zur Zeit seiner Eröffnung das grösste Gebäude der Schweiz und der Heimatschutz gehörte zu den vehementen Kritikern seiner architektonischen Gestaltung. Eine zeitgenössische Studie beschreibt das Grand Hotel als «zehnstöckigen Palast mit 300 Zimmer für 420 Gäste mit 3200 Glühlampen und vier Bogenlampen, sechs elektrisch betriebenen Aufzügen, einer Vacuum-Entstaubungs-Anlage etc.»

Zur Genugtuung vieler, die sich an diesem Koloss neben dem Badrutt’s Palace störten, wurde das Haus im Juni 1944 in den oberen Stockwerken total zerstört. 1947 wurden die vorhandenen Bauteile in den unteren Geschossen von der Post erworben und dort das lange Zeit funktionierende Postgebäude von St. Moritz errichtet.

Hôtel Byron Villeneuve: Vom Krieg erholte es sich nie mehr

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Das zwischen 1837 und 1841 nach Plänen des bekannten Architekten Jean Marc Junod aus Genf erbaute Hôtel Byron in Villeneuve am oberen Genfersee war das erste grosse Hotel in der freien Naturlandschaft der Schweiz. Der Baustil war dem Zeitgeist entsprechend klassizistisch. Gleich nach der Eröffnung war der berühmte und kritische Schriftsteller Rodolphe Toepffer aus Frankreich als Gast dort.

Im Haus sollte 1846 sogar ein Spielcasino nach dem Vorbild von «Baden, Wiesbaden etc.» eingerichtet werden, wie der Besitzer propagierte, was die Gemeinde aber ablehnte. 1903 wurde das abgelegene Hôtel Byron durch die erste elektrische Strassenbahn in der Schweiz mit der ganzen Region zwischen Vevey und Villeneuve verbunden. Als 1912 eine Dependance hinzukam, stand der Tourismus noch in voller Blüte.

1914 brachte der Erste Weltkrieg aber einen schweren Rückschlag für das Unternehmen. Nach Kriegsende öffnete es seine Tore nur noch sporadisch und im Januar 1933 fiel das Hotel einem Brand zum Opfer. Übrig geblieben ist nur die Dependance, die zu einem Altersheim umgebaut wurde.

Grand Hotel Baer Grindelwald: Die Bären brannten gleich reihenweise

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Hotels mit dem Namen «Bär» stehen in Grindelwald offenbar unter keinem guten Stern. Am 18. August 1892 brannte der Gasthof Bären, ein vierstöckiger, hölzerner Gebäudekomplex. Trockenheit und Föhn sorgten dafür, dass die Flammen rasch um sich griffen. Am Ende waren 116 Gebäude abgebrannt und über 400 Einheimische obdachlos. Das Unglück hielt die Betreiber des 1894 eröffneten Grand Hotels nicht davon ab, diesem ebenfalls den Namen «Baer» zu geben. Der imposante Bau war das damals grösste Hotel im Gletscherdorf und dominierte das Ortsbild.

Knapp 50 Jahre nach dem verheerenden Grossbrand von Grindelwald schrillten am 16. Januar 1941 erneut die Sirenen. Das Grand Hotel Baer, das zu dieser Zeit voll besetzt war mit Armeeangehörigen, stand in Flammen. Vermutet wird, dass ein Soldat eine Zigarette achtlos entsorgt hatte. Glücklicherweise konnten sich sämtliche Gäste in Sicherheit bringen. Das Gebäude selber konnte allerdings nicht gerattet werden. Es wurde wenig später gesprengt. An der Stelle des schmucken Grand Hotels steht heute das Sportzentrum. Wen erstaunt es, dass es in Grindelwald ‒ anders als in vielen Tourismusorten im Berner Oberland ‒ mittlerweile kein Hotel Bären mehr gibt?

Grand Hotel Waldhaus Vulpera: Ja genau, das mit der Gästekartei

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Einem breiten Publikum bekannt ist das 1896 bis 1897durch den Bündner Architekten Nikolaus Hartmann senior erbaute Grand Hotel Waldhaus Vulpera vor allem wegen seiner Gästekartei, die im 2021 erschienen Buch «Keine Ostergrüsse mehr! Die geheime Gästekartei des Grand Hotel Waldhaus in Vulpera» verewigt wurde. Abwertende und teilweise antisemitische Kommentare zu den Hotelgästen à la «Bucklige Hexe» oder «Jude, aber nett» sorgten letztes Jahr für Schlagzeilen.

Zu seiner Hoch-Zeit war das «Waldhaus Vulpera» im Unterengadin ein Kurhaus mit Strahlkraft in ganz Europa. Die Noblen und Reichen trafen sich im Hotel der Gebrüder Duri und Caspar Pinösch, um sich Gutes zu tun - unter ihnen auch gekrönte Gäste wie der russische Zar Nikolaus II. mit Familie und die niederländische Königin Wilhelmina. Später reisten Unternehmer, Politiker und Künstler ins Grand Hotel. Doch am 27. Mai 1989 nahm die glanzvolle Geschichte ein jähes Ende. Die genauen Umstände, weshalb das Grand Hotel damals Opfer von Brandstiftung wurde, konnten nie geklärt werden. Klar ist nach dem zerstörerischen Inferno nur: Ein Wiederaufbau des zuletzt von Hoteldirektor Rolf Zollinger geführten Hotels lohnt sich nicht.

Spuren des «Waldhaus» sind in Vulpera bis heute zu finden. Mehrere Hotels der ehemaligen Hotelgesellschaft Waldhaus Vulpera sind noch in Betrieb und auch das 1930 erbaute Hotelfreibad - eines der ersten Hotelfreibäder der Schweiz - existiert noch im Originalzustand.

Grand Hotel Baden: Die Armee spielte Krieg im Nobelhotel

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Das imposante Luxushotel an den Ufern der Limmat wurde von 1873 bis 1876 nach Plänen des Architekten Paul Adolphe Tièche erbaut. Mit seinen 176 Zimmern war es damals das grösste Hotel der Stadt und bekannt für seine technischen Innovationen. So war das Grand Hotel etwa das erste Gebäude in Baden, das dauerhaft mit Strom versorgt wurde. Kein Wunder, wurde das Nobelhotel gerne von Berühmtheiten wie der ehemaligen französischen Kaiserin Eugénie de Montijo, dem Schriftsteller Gottfried Keller, dem Maler Arnold Böcklin, dem Arzt Albert Schweitzer, den Forschern Marie Curie und Pierre Curie und dem Filmpionier Louis Lumière besucht.

Wie so viele Hotels stürtzte der Erste Weltkrieg auch das Grand Hotel Baden in eine tiefe Krise, aus der es sich nie mehr erholte. Die internationalen, zahlungskräften Gäste blieben aus, und dem Hotel fehlte zusehends das Geld, um die noble Infrastruktur aufrecht zu halten. Finanziell überlebt hat es nur dank eines Kredits der Schweizerischen Hotel-Treuhand-Gesellschaft. Trotz des Versuchs einer Neupositionierung im Jahr 1938 schloss das Hotel 1929, wenige Wochen nach Ausbruch des zweiten Weltkriegs, seine Tore.

Ein vom Staat in Auftrag gegebener Bericht von Architekt und FDP-Nationalrat Armin Meili kam zum Schluss, dass es in Baden keinen Bedarf für ein Grand Hotel mehr gebe. Man sah von der Sanierung ab. Stattdessen kam es 1944 zur wohl aussergwöhnlichsten Umnutzung eines ehemaligen Luxushotels. Das Gebäude wurde von der Armee und vom Zivilschutz für Übungen genutzt. So wurde beispielsweise untersucht, welche Schäden Sprengsätze und Feuer anrichten. Am 18. August 1944 wurde das Gebäude endgültig gesprengt. Heute steht an dessen Stelle das von Mario Botta entworfene, 2021 eingeweihte Thermalbad.

Grand Hotel Locarno: Wo das Filmfestival gegründet wurde

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Das Grand Hotel Locarno ist ein Spezialfall in dieser Serie: Zwar empfängt es wie alle anderen porträtierten Hotels heute keine Übernachtungsgäste mehr. Doch gibt es Pläne, dass sich das demnächst ändert. Die Artisa Group mit Sitz in Zug will dem ehemaligen Grand Hotel, das seit Jahren vor sich hin rottet, zu neuem Glanz verhelfen. Nach Plänen des Architekten Ivano Gianola soll der Komplex mit seinen 122 Zimmern und Suiten saniert und mit einem Wellnesszentrum und drei Restaurants ergänzt werden.

Sein 130-Jahr-Jubiläum verpasste das 1876 eröffnete Grand Hotel nur um Haaresbreite. Als im Dezember 2005 das Aus kam, war vom Hochglanz vergangener Tage nicht mehr viel übrig. Dabei hat alles so pompös angefangen. Das nach Plänen von Francesco Galli gebaute Hotel galt als Inbegriff des touristischen Aufschwungs im Tessin. Der südlichste Kanton lag wegen seiner isoliersten Lage lange Zeit etwas abseits der Tourismusströme. Das begann sich in den 1860er-Jahren zu ändern. Ein wesentlicher Impuls war der Bau des Gotthard-Tunnels ab 1872.[RELATED]

1925 stand das Grand Hotel Locarno im Zentrum des Weltgeschehens. Hier trafen sich Vertreter verschiedener Länder zur Friedenskonferenz von Locarno die mit den Verträgen von Locarno und einer neuen Friedens- und Sicherheitsordnung für Europa endeten. Ein weiterer Glanzpunkt in der Hotelgeschichte war 1946 die Gründung des Filmfestivals von Locarno. Der Hotelpark war damals, was die Piazza Grande heute ist: für ein paar Tage im Jahr das wohl wichtigste Freiluftkino der Welt. Die wirtschaftlichen Probleme kamen in den 90er-Jahren, als der Unterhalt kaum noch zu stemmen war und die Besitzer nur noch das Nötigste investierten.

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