Hamburg war der Vorreiter. Als erstes Bundesland hat es das 2G-Optionsmodell eingeführt. Seitdem dürfen Gastronomen und Veranstalter entscheiden, ob sie nur Geimpfte und Genesene als Gäste empfangen (2G). Wenn sie dies tun, entfallen einige Einschränkungen wie Abstandsvorgaben, Testpflicht und Tanzverbot.

Die Betreiber müssen aber am Eingang die Gäste kontrollieren und diejenigen nach Hause schicken, die die Anforderungen nicht erfüllen. Verstossen sie gegen die Bestimmungen, drohen Bussgelder von 1000 bis zu 20'000 Euro. Wer das nicht will, kann auch weiter beim Modell 3G bleiben (Geimpft, genesen, getestet), profitiert dann aber nicht von den Lockerungen.

«Nicht nur Interessen der Ungeimpften berücksichtigen»
Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher verteidigt die Reglung. «Wir dürfen die Pandemie nicht nur aus der Interessenslage der Ungeimpften heraus beurteilen», sagte er dem TV-Sender Bild. «Die überwiegende Mehrzahl der Menschen sind geimpft, und auch die haben Rechte und nehmen sie auch wahr und klagen sie ein.»

Rolf Westermann ist Chefredaktor der Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ) mit Sitz in Frankfurt am Main.

Im Gastgewerbe ist das Modell umstritten. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fürchtet einen Jobverlust für Nicht-Geimpfte. Hotelier Kai Hollmann sagt zu der Senatsentscheidung: «Ich halte sie grundsätzlich für richtig, wenn wir wirklich diese furchtbare Krise hinter uns lassen wollen, müssen wir sie auch richtig bekämpfen und alle Möglichkeiten nutzen, um schnell wieder ein normales Leben leben zu können.»

Lockdown für Ungeimpfte?
Kaum ist das 2G-Optionsmodell im Norden eingeführt, steht im Süden Deutschlands eine weit drastischere Regelung bevor. Die Landesregierung in Baden-Württemberg plant nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) eine Ampelregelung, die weitreichende Einschränkungen für Nicht-Geimpfte vorsieht. Als Massstab soll die Zahl der Patienten auf Intensivstationen dienen. In einem «grünen Bereich» mit wenig Intensivpatienten bleibt alles wie bisher. Übersteigt sie einen kritischen Wert (im Gespräch sind 200 bis 250 belegte Intensivbetten), sollen zunächst im privaten Bereich Kontaktbeschränkungen für Nicht-Geimpfte in Kraft treten.

Ab 300 belegten Intensivbetten springt die Ampel auf Rot, dann könnte automatisch ein 2G-Pflichtmodell in Kraft treten, bei dem nur noch Geimpfte und Genesene vollständig am öffentlichen Leben teilnehmen dürfen. Angesichts der steigenden Infektionszahlen können diese Werte bald erreicht sein. «Lockdown für Ungeimpfte», lautet eine Schlagzeile dazu.

«Nicht alle in Mithaftung nehmen»
Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl begründete das Modell in der «Bild am Sonntag» wie folgt: «Wenn es auf die Intensivstationen durchschlägt, muss man handeln. Es wäre falsch, dann alle in Mithaftung zu nehmen, auch die Geimpften – deshalb wird es für Ungeimpfte andere Regeln geben als für Geimpfte.»

«Menschen müssen für ihre Entscheidungen die Verantwortung übernehmen.»

Keine Regel kann zu 100 Prozent ideal für alle sein. Auch wenn einige Bundesländer ihre Verordnungen nun ändern, gibt es derzeit keine einheitliche Lösungen. So führt Bayern auch eine Krankenhausampel ein und setzt auf 3G in Innenräumen.

Das Wirrwarr geht weiter, auch die Nachbarn diskutieren munter. So haben in Österreich Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sogar eine 1G-Regel im Herbst für Bereiche mit besonders hohem Ansteckungsrisiko wie der Nachtgastronomie ins Gespräch gebracht. Der Wiener Umweltmediziner Hans-Peter Hutter sprach sich für eine spezielle 2G-Lösung aus: «Am sichersten ist es, wenn alle, die zusammenkommen, geimpft und getestet sind. Die Betonung liegt auf und. Das ist leider der Knackpunkt, den viele nicht verstehen.»

Dehoga Rheinland-Pfalz fordert Aufhebung aller Einschränkungen
Eine Abkehr von allen Corona-Beschränkungen hat indes der regionale Branchenverband Dehoga Rheinland-Pfalz gefordert. Nach den einstimmigen Beschlüssen von Präsidium, Grossem Vorstand und Delegiertenversammlung sollten vom 11. Oktober an sogar alle Corona-Einschränkungen vollständig entfallen. Begründet wird dies mit der Einschätzung, dass bis dahin jeder eine Impfmöglichkeit wahrnehmen und einen Vollschutz erreichen könne. Danach gebe es keine Begründung mehr für allgemeine Einschränkungen, sagt Landespräsident Gereon Haumann.

Ausserdem spricht er sich für die 2-G Regelung als Option aus. Für Betriebe, die sich dafür entscheiden, sollten die Corona-bedingten Beschränkungen (Abstandsgebot, Maskenpflicht, Raumbeschränkung, Kontaktdatenerfassung) ganz entfallen.

Ist mit solchen Reglungen eine Spaltung der Gesellschaft verbunden, gibt es Sonderrechte für Geimpfte? Eher geht es um die Wiederherstellung der üblichen Rechte. Aus Sicht vieler Ethiker sind Einschränkungen für Ungeimpfte vertretbar, solange sie nicht besondere Rechte betreffen wie die Wahl zum Bundestag Ende September oder auch die Versorgung mit Lebensmitteln. Denn Menschen müssen für ihre Entscheidungen die Verantwortung übernehmen.

Dieser Artikel wurde am 1. September 2021 auf ahgz.de veröffentlicht und wurde hier mit freundlicher Genehmigung publiziert.