«Wenn es dem ‹Palace› gut geht, geht es auch Mürren gut.» Mit diesem vollmundigen Slogan schloss Adrian Stähli, Präsident des Hoteliervereins Mürren, den Infoabend zur Zukunft des «Palace». Er spielte damit auf die teils unschöne Geschichte des Grandhotels an, das die Dorfbewohner viele Nerven gekostet hatte. 2009 ging das «Palace» Konkurs und blieb fast zehn Jahre lang geschlossen (siehe Time­line). Erst 2018 hat es die Palace Avenir AG, eine Auffanggesellschaft aus Einheimischen und Mürren-affinen Aktionären, von seinen Schulden befreit. Seither betreibt sie einige Zimmer des Hotels als Pop-up-Lodge.

«Das ‹Palace› wird das Image von Mürren prägen und dadurch neue Gäste bringen.»
Rachel Arkin, Tourismusdirektorin von Mürren

Das Dorf hat aus dem Drama um das «Palace» jedenfalls gelernt: Statt ausländischer Grossinvestoren wie in Interlaken oder Andermatt hat die Palace Avenir letzten Freitag eine durch und durch lokale Lösung präsentiert: Die Mürren Investment AG wird das Hotel sanieren, einen Neubau finanzieren und die Parkanlage umgestalten – alles für rund 25 Millionen Franken. Wie bereits die Palace Avenir ist auch die Mürren Investment fest in der Hand von Personen, die einen Bezug zur Feriendestination haben. Unter den aktuell sechs Aktionären sind Einheimische, Zweitwohnungsbesitzer, Gäste und Lieferanten von Mürren.

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Hotelsanierung, Neubau aus Holz und umgestalteter Park
«Wir haben ein Eigenkapital von rund 50 Prozent, geplant ist jedoch, den Kreis auf 15 Aktionäre zu erweitern», sagt Peter Wirth, Präsident der neu gegründeten Mürren Investment und der Palace Avenir. Neben dem ehemaligen Mikron-Sanierer Wirth sitzen im Verwaltungsrat der Mürren Investment Heinz Karrer, ehemaliger Präsident von Economiesuisse, und der Architekt Stephan Anliker – dieselben Köpfe wie bereits in der Palace Avenir AG. «Künftig wird die Palace Avenir zu einer Beteiligungsgesellschaft der Mürren Investment», erklärt Wirth die Doppelspurigkeit.

Das vorgestellte Palace-Projekt klingt vielversprechend: Einerseits wird das historische Gebäude sanft renoviert und die umliegende Parkanlage publikumsfreundlicher gestaltet, andererseits ist ein ovaler Neubau aus Holz geplant. «Wir müssen die Zimmerkapazität um rund 50 Prozent erhöhen, damit wir das Hotel rentabel betreiben können», so Wirth. Vorgesehen sind insgesamt 44 grosse Suiten und Doppelzimmer mit 130 Betten im gehobenen 4-Sterne-Bereich.

«Der Jugendstilsaal des ‹Palace› soll zum beliebten Treffpunkt für Gäste und Einheimische werden.»
Peter Wirth, VR-Präsident Mürren Investment AG

Mit 20 000 angestrebten Logiernächten pro Jahr würde sich das Logiervolumen in Mürren dank dem «Palace» um 20 Prozent erhöhen. Rachel Arkin, Tourismusdirektorin von Mürren, ist überzeugt, dass am Schluss das ganze Dorf profitiert. «Das ‹Palace› wird das Image von Mürren prägen und dadurch neue Gäste bringen.» Zielpublikum sind Familien mit Kindern, Mehrgenerationengruppen mit Grosseltern und Enkeln sowie Best Ager, die Erholung suchen.

Damit sich das neue «Palace» im Dorf besser integriert, will man den denkmalgeschützten Jugendstilsaal nicht für MICE-Anlässe nutzen, sondern zum neuen Treffpunkt für Gäste und Einheimische machen – wie es die Grandhotels früher waren. Den Projektinitianten schwebt eine «Palace Lounge» vor mit Restaurant, Bar, Kinderbereich und Showküche. «Die Leute sollen nicht nur zum Essen und Trinken kommen, es soll ein Ort zum Verweilen sein, eine Art Wohnzimmer, wo man liest, spielt und sich austauscht», schwärmt Wirth. Ebenso werde die spektakuläre Aussicht künftig besser vermarktet: Die Hotelfassade wird zurückgesetzt, dadurch entsteht eine grosse Terrasse mit freiem Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau.

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Baubewilligungsprozess sollte Mitte 2023 abgeschlossen sein
Ein heiss diskutiertes Thema bei der Ausarbeitung des Konzepts war auch  der Fachkräftemangel. Laut Wirth werden 35 Mitarbeitende den Betrieb stemmen, was nur möglich sei, wenn Küche, Service und Réception Hand in Hand arbeiteten. Gesucht wird derzeit noch ein Gastgeber oder eine Gastgeberin, der oder die das neue «Palace» führt. «Am liebsten eine Person aus der Region, der wir bei Bedarf Weiterbildungsmöglichkeiten bieten und die wir später auch finanziell beteiligen würden», so Wirth.

Bis das Hotel voraussichtlich 2024 seine Türen öffnet, muss die Gemeindeversammlung von Lauterbrunnen noch die angepasste Überbauungsordnung gutheissen. Die Projektinitianten rechnen mit der Baubewilligung bis Mitte 2023. Das könnte klappen: Am Infoabend mit rund 60 Anwesenden wurden zwar Bedenken wegen «kalten Betten» geäussert, insgesamt war die Stimmung jedoch wohlwollend. Es wurden sogar Ideen angeregt, wie man den Glanz vergangener Zeiten wieder aufleben lassen könnte: zum Beispiel mit einem jährlichen Silvesterball im geschichtsträchtigen Jugendstilsaal.
 

Die bewegte Geschichte des Palace

  • 1874: Das Grandhotel in Mürren gilt als das älteste «Palace» der Schweiz. Bis in die 1930er-Jahre beherbergt es die Reichen und Schönen aus ganz Europa. Persönlichkeiten wie der norwegische König, der deutsche Kanzler Konrad Adenauer oder General Bernhard Montgomery steigen hier ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Mürren als VIP-Hotspot von St. Moritz und Gstaad überholt.
  • 1973: Anhänger des indischen Sektenführers Maharishi Mahesh Yogi nutzen das «Palace» für ihre Sommerkurse und wollen es kaufen. Der Hotelierverein Mürren sichert sich jedoch ein Vorverkaufsrecht.
  • 1976: Der Kanton Bern erwirbt das Palace-Areal für 3,1 Millionen Franken. Der West­flügel des Hotels wird abgerissen, es werden Ferienappartements und ein Sportzentrum gebaut, das 1984 eröffnet wird.
  • 1989: René C. Jäggi, Unternehmer und Sportclubmanager, kauft das finanziell angeschlagene Hotel Palace.
  • 1998: Wegen Geldsorgen verkauft Jäggi Aktien des «Palace» an eine Timesharing-Gruppe. Diese erwirbt jeweils das Recht, während einer bestimmten Anzahl Wochen eine Ferienanlage zu nutzen. Für die Zukunft des Hotels ist das eine grosse Hypothek: Der Grundbucheintrag von 1999 der Gemeinde Lauterbrunnen gewährt der Londoner Timesharing-Gesellschaft «Palace Mürren Title Limited» ein Nutzniessungsrecht bis ins Jahr 2041. Potenzielle «Palace»-Käufer müssen diese Nutzniessung übernehmen oder die Time­sharer auszahlen. Zudem verhindert die Nutzniessung bauliche Umgestaltungen.
  • 2008: Jäggi verkauft das «Palace» an die kasachische Investorin Svetlana Kan, gemäss Spekulationen für 5 bis 7 Millionen Franken. Doch schon bald tauchen Schulden in Millionenhöhe auf, das Hotelkonto ist angeblich leer. Kan fühlt sich als «Opfer von Intrigen». Jäggi kontert den Vorwurf, Kan habe alle Verpflichtungen gekannt.
  • 2009: Das «Palace» wird geschlossen.
  • 2010 bis 2012: Es folgen Gerichtstermine und Klagen, Geschädigte wollen Svetlana Kan zur Kasse bitten. Eine Einigung scheitert.
  • 2013: Das Konkursverfahren wird eröffnet. Die Krux: das Nutzniessungsrecht der Timesharing-Partner bis 2041.
  • Juli 2018: Das Konkursamt Oberland-Ost will den «Palace»-Komplex für mindestens eine Million Franken versteigern. Es findet sich jedoch kein Käufer.
  • November 2018: Das Konkursamt verkauft das Hotel und die beiden Personalhäuser an die Palace Avenir AG, die lokale Kreise und «Freunde von Mürren» gegründet haben, darunter der ehemalige Mikron-CEO Peter Wirth, der Architekt Stephan Anliker und Thomas Baumann vom alten Tramdepot in Bern. Der Verkaufspreis – ein Schnäppchen: 351 000 Franken für die Gebäude und 45 000 Franken für das Inventar. Davor hatte die Palace Avenir bereits die Nutzniessungsrechte der englischen Timesharer für 1,7 Millionen Franken erworben. Damit ist der Weg für Umbauarbeiten und Sanierung endlich frei.
  • 2018 bis 2021: Die Palace Avenir betreibt im Hotel und im Personalhaus die Pop-up & Sport Lodge Mürren mit 45 Zimmern.
    (Quelle: BZ, «Bund»)