Seit dem Ausbruch des Coronavirus in Europa und der Schweiz kämpfen viele Betriebe im Tourismus mit massiven Umsatzeinbrüchen. In Zusammenarbeit mit HotellerieSuisse und Schweiz Tourismus führte das Institut für Tourismus der HES-SO Valais-Wallis am 23. und 24. März 2020 eine Online-Befragung bei Akteuren des Schweizer Tourismus durch. Im Fokus standen vor allem die Leistungsträger der Tourismusbranche, darunter die Hotellerie, Parahotellerie, Bergbahnen und Restaurants. 

Ziel der Befragung war eine Evaluation der Auswirkungen durch die Coronavirus-Krise auf die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Unternehmungen wie Umsatz und Auslastung bei Hotels, sowie eine Einschätzung des Konkursrisikos. Der Bericht basiert auf den Antworten von 2056 Betrieben, wobei Hotels mit 41 Prozent die grösste Gruppe in der Stichprobe darstellen, gefolgt von Betrieben aus der Parahotellerie mit 25 Prozent.

Massive Umsatzeinbussen in den nächsten Monaten
Die Umfrage bestätigt die Vermutungen und zeigt alarmierende Umsatzeinbrüche in der Branche auf: Die voraussichtlichen monatlichen Umsatzeinbussen bei den Schweizer Hotels für die Monate März, April und Mai sind mit 69 Prozent, 90 Prozent und 73 Prozent massiv. Auch bei den Betrieben der anderen Tourismus Sektoren rechnet man mit hohen Einbussen (März: 58 Prozent, April: 78 Prozent, Mai: 62 Prozent). 

Gemäss dem Branchenmonitoring treffen die Einbussen das Tessin und die Städte, welche unter dem völligen Einbruch des Geschäfts- und Kongresstourismus leiden, noch deutlich stärker als andere Regionen. Strukturelle Faktoren wie zum Beispiel die Grösse der Betriebe haben gemäss der Umfrage einen untergeordneten Einfluss. Die Krise scheint kleine und grosse Betriebe ähnlich stark zu treffen. Zur Zeit der Umfrage waren 57 Prozent der befragten Betriebe wegen der Coronavirus-Krise geschlossen und 21 Prozent teilweise geschlossen. 

Konkursrisiko nicht überall gleich hoch geschätzt
Die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses wird bei den befragten Betrieben im Schnitt auf 19 Prozent geschätzt, wobei es hier grosse Unterschiede in einzelnen Segmenten gibt. Es sind vor allem Betrieb aus der Gastronomie (27 Prozent) und der Hotellerie (23 Prozent), welche des Konkursrisiko deutlich höher einschätzen als Betriebe anderer Sektoren (Parahotellerie 9 Prozent, Bergbahnen 13 Prozent).

Das Risiko wird im Tessin auf 36 Prozent geschätzt, und im Kanton Waadt auf 29 Prozent, Genf 28 Prozent und Zürich 24 Prozent. In den klassischen Ferienregionen wird das Risiko momentan noch kleiner eingestuft (Graubünden 14 Prozent, Wallis 17 Prozent). Dies hat wahrscheinlich damit zu tun, dass die meisten Betriebe im April den Betrieb nach Ende der Wintersaison sowieso geschlossen hätten.

Interessant ist ausserdem, dass ganz kleine Betriebe mit Jahresumsätzen von weniger als 250‘00 Franken mit 9 Prozent und ganz grosse Betriebe mit Umsatzzahlen von mehr als 10 Millionen Franken mit 11 Prozent das Risiko kleiner einschätzen als Betriebe mit Umsätzen zwischen 250‘000 bis 1 Million Franken, wo die mittleren Wahrscheinlichkeiten zwischen 26 Prozent und 30 Prozent liegen.

Umsatzverluste in Milliardenhöhe
Im Durchschnitt verliert jedes Hotel in der Stichprobe für März bis Mai zwischen 260‘000 und 280‘000 Franken pro Monat, das heisst rund Dreiviertelmillion Franken für die Periode.  Die geschätzten kumulierten Verluste für die über 2000 Tourismusbetriebe in der Stichprobe für März bis April belaufen sich auf rund 640 Millionen Franken und diejenigen für die Hotels auf 627 Millionen, so dass alleine für die befragten Tourismusbetriebe der Umfrage ein Umsatzverlust von knapp 1.3 Milliarden Franken geschätzt werden kann. 

Eine Hochrechnung für die Hotellerie alleine auf nationaler Ebene ergibt mit einem Bottom-Up Ansatz die folgenden Umsatzeinbussen für März bis Mai: 1.3 bis 1.9 Milliarden Franken (je nach Methode). Eine Top-Down Hochrechnung ausgehend vom geschätzten jährlichen Gesamtumsatz der Hotel-Branche von 10.2 Milliarden kommt auf einen Umsatzverlust von 2 Milliarden Franken. Auf die ganze Tourismusbranche hochgerechnet, muss man von Umsatzverlusten in der Höhe von 6.4 Milliarden ausgehen.

Tessin, Genf und Luzern besonders viele Stornierungen
Für März und April 2020 wurden im Schnitt bei den befragten Hotels 81 Prozent der Reservationen storniert. Es fällt auf, dass die Stornierungsraten vor allem im Tessin (90 Prozent), in Genf (86 Prozent) und in Luzern (86 Prozent) überdurchschnittlich hoch sind, während in den Bergregionen diese Raten (Graubünden mit 73 Prozent) etwas tiefer sind.

Diese sehr hohen Anteile an Annullierungen führen zu einem historischen Tiefstand bei den Auslastungen in der Hotellerie zwischen März und Mai. Im April wird schweizweit gerade noch mit einer Belegung von 13 Prozent gerechnet, das Ostergeschäft hat sich in Luft aufgelöst.

Im Mai wird die Auslastung voraussichtlich nur geringfügig höher sein (21 Prozent). Das kann sich jedoch noch ändern, wenn die Beschränkungen im In- und Ausland über den 19. April hinaus gehen. Dasselbe gilt für die erwarteten Umsatzeinbussen. Ausserdem sei der psychologische Effekt nicht zu unterschätzen, wird in der Präsentation der Studie festgehalten. (htr/og)


Nachgefragt mit Claude Meier, Direktor HotellerieSuisse

Claude Meier, was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus der Umfrage?
Die Umfrage bestätigt, was ich im täglichen Austausch mit unseren Mitgliedern und Regionalverbänden mitbekomme. Die Auswirkungen auf unsere Branche sind nicht nur drastisch, sondern auch längerfristig. Mit einem prognostizierten Umsatzverlust von 1.5 Milliarden Franken allein bis Ende Mai sprechen wir von der grössten Krise, welche unsere Branche jemals erlebt hat. [IMG 2] 

Was bereitet Ihnen die grössten Sorgen?
Es sind zwei Dinge, die aktuell für die Branche zu grosser Sorge anregen. Einerseits rechnen rund 50 Prozent unserer Betriebe mit grösseren Zahlungsschwierigkeiten bereits per Ende April. Hier hat der Bundesrat zwar erste, konstruktive und unbürokratische Massnahmen beschlossen, um diesen Effekt etwas abzufedern. Was mich zur zweiten, weitaus grösseren Sorge bringt. Der Tourismus und insbesondere die Hotellerie werden sich nicht so schnell erholen, wie dies allenfalls in anderen Branchen der Fall sein wird. Heisst, in den nächsten Wochen und Monaten müssen wir hier sowohl innerhalb der Branche als auch gemeinsam mit den Behörden weiterführende Massnahmen definieren.

Was sind derzeit die grössten Herausforderungen für den Verband HotellerieSuisse?
Fast täglich gibt es neue Informationen seitens der Behörden. Unsere Mitglieder sind mit zahlreichen Fragestellungen konfrontiert: Finanzierungsmöglichkeiten, Kurzarbeit, Umgang mit Lernenden und Mitarbeitenden, etc. Unsere oberste Priorität ist es, diese Informationen so aufzuarbeiten, dass wir sie unseren Mitgliedern rasch und unkompliziert zugänglich machen können. In den letzten vier Wochen hatten wir auf unserer Rechtsberatung bis zu 200 Anfragen täglich zu bearbeiten. Dies zeigt, wie hoch der Informationsbedarf ist. Daneben gilt es, sich in der gesamten Tourismusbranche so abzustimmen, dass die Forderungen unserer Mitglieder breit abgestützt sind und entsprechend Gewicht auf dem politischen Parkett erhalten. All dies leisten auch wir unter ungewohnten Umständen. Nämlich ausschliesslich im Home Office. Dies erfordert Flexibilität, Kreativität und kurze Entscheidungswege.

Der Bundesrat hat einigen Forderungen aus der Tourismusbranche mit seinem Soforthilfe-Paket bereits entsprochen. Was gibt es sonst noch für Massnahmen, welche die Branche von der Politik nun fordert?
Die Schulden in der Branche werden durch die Nothilfen des Bundes massiv ansteigen, was negative Auswirkungen auf die Investitionsvolumen hat. Dies schadet unserer Wettbewerbsfähigkeit. Wir werden uns die Frage stellen müssen, wie wir die Betriebe hier entlasten können. Parallel müssen Investition vereinfacht werden, sprich die Förderinstrumente müssen besser ausgestaltet werden. Weiter gilt es nach der Krise die Aufbauarbeit zu unterstützen. Heisst, die Marketingmaschinerie muss schnell angeworfen werden können. Dazu braucht es massive Investitionen ins Landesmarketing, damit auch ausländischen Gästen – gerade in den Fernmärkten – wieder klar wird: Die Schweiz ist sicher, attraktiv und mehr als nur eine Reise wert!

Welche Vorbereitungen haben Sie bereits getroffen für die Zeit nach der Krise?
Momentan befinden wir uns noch im Krisenmodus und versuchen, unseren Mitglieder hier so gut wie möglich zur Seite zu stehen. Unsere politischen Forderungen zielen aber bereits klar auch auf die Zeit nach der Krise ab, in welcher der Tourismus in der Schweiz in eine Aufbauphase kommt. Zudem versuchen wir, unsere Mitglieder mit digitalen Weiterbildungsangeboten, welche wir in den nächsten Tagen und Wochen lancieren, Inspiration und Ideen für die Zeit nach der Krise mitzugeben. (og)