Die Pandemie hat es schmerzhaft aufgezeigt: Wer nur auf ein Gästesegment setzt, kann schnell ins Schleudern kommen. Gerade die Stadthotellerie wurde in den letzten Monaten massivst von der Corona-Krise getroffen. Städte wie Zürich und Genf, die stark vom internationalen Tourismus abhängen und zu einem grossen Teil vom Kongress-, Seminar- und Eventtourismus leben, hatten beim Logiserlös pro Zimmer (RevPAR) Verluste von über 70 Prozent zu verkraften, wie aus dem diesjährigen Hotelreport von Horwath HTL (vgl. Seite 4) hervorgeht. Es sind also Lösungen gefragt, wie sich die Stadthotellerie neu positionieren und vermarkten und dadurch auch für den inländischen Leisure-Tourismus sichtbar und interessant werden kann.

Eine zahlkräftige Klientel für Städte sind sicherlich lifestyle-, design- oder kulturaffine Gäste. Und gerade für dieses Segment sind im urbanen Raum vor der Pandemie viele Hotels mit neuen Konzepten entstanden, die in der Kategorie Boutiquehotel eingeordnet werden können. Sowohl von Hotelgruppen als auch von unabhängigen Betrieben.

Eine neue Spezialisierungs­kategorie für Boutiquehotels
Doch was macht denn eigentlich ein Boutiquehotel aus? Gemäss der internationalen Definition ist ein Boutiquehotel ein kleines Hotel, das persönlich geführt und individuell gestaltet ist. Um diese Art Hotels für die Gäste sichtbarer und leichter auffindbar zu machen, lanciert HotellerieSuisse Ende Mai in Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus (ST) die Spezialisierungskategorie Boutiquehotel. HotellerieSuisse ist dabei für die Entwicklung der Qualitätskriterien, den Markeneintrag sowie die Überprüfung und Anerkennung zuständig. ST promotet die Kategorie Boutiquehotel in ihrer Themenkampagne und übernimmt gegen zusätzliches Entgelt weitere Vermarktung.

«Die Idee ist aus einem Bedürfnis entstanden. Das Suchvolumen nach Boutiquehotels ist nicht nur international, sondern auch in der Schweiz in den letzten Jahren ununterbrochen gestiegen», sagt Annika Grünig, Leiterin Unterkunfts- und Gastronomiemarketing bei ST. Der Trend zur Individualisierung zeige sich nicht nur als Gästebedürfnis, sondern auch bei der Hotelière und beim Hotelier. «Mit dieser neuen Kategorie schliesst sich die Lücke zwischen Design- und Lifestylehotels und einem sehr individuell gestalteten Hotel», ist Grünig überzeugt.

Ein Haus, das sich seit dem vor rund sechs Jahren vollendeten und umfassenden Umbau als Boutiquehotel positioniert hat, ist das Marktgasse-Hotel in Zürich. Wie Rooms Division Manager Laura Hüttner bestätigt, gelangen viele ihrer Gäste über den Suchbegriff Boutiquehotel auf ihr Haus. Sie geht davon aus, dass eine solche Spezialisierungskategorie bei der Vermarktung helfen und so mehr Aufmerksamkeit und Gäste bringen könnte. Auch Buphahak Phetxomphou, Gastgeberin im Restaurant und Hotel Baseltor in Solothurn ist einer solchen Spezialisierung gegenüber positiv eingestellt.

Conrad Meier, Präsident Zentralschweiz Hotels und Luzern Hotels, erachtet die Spezialisierungskategorien ebenfalls als zielführend. «Der Gast kann sich so genau wie bei der Auswahl der Destination das für sich passende Produkt herauspicken. Gerade für Marktnischen gibt es überall eine Nachfrage» Etwas kritischer sieht es Samuel Rosenast, Leiter Kommunikation der Destination Davos Klosters. Er geht davon aus, dass die Spezialisierungskategorien von HotellerieSuisse zurzeit weder im In- noch Ausland einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind.

Wie nimmt der Gast die Positionierung wahr?
Eine Marktnische wird die neue Spezialisierungskategorie vorerst sicherlich bleiben, wie auch Daniel Beerli von HotellerieSuisse bestätigt: «Bei dieser Kategorie schätze ich das Potenzial vorerst auf rund 60 Betriebe ein.» Die Grundvoraussetzung ist wie bei allen Spezialisierungskategorien eine Klassierung als Hotel (1- bis 5-Sterne) oder als Swiss Lodge. Zudem prüfen die Auditoren von HotellerieSuisse weitere fünf Kriterien, nämlich Individualität, Raumprogramm im öffentlichen Bereich, Innenausstattung, Frühstück und persönlicher Service. Den Schlussentscheid fällt jeweils eine Jury, da die Kriterien einen gewissen Interpretationsspielraum zulassen.

Doch mit einer solchen Spezialisierung ist es natürlich nicht getan. «Entscheidend ist auch, wie der Gast ein Hotel positioniert», sagt Magdalena Rungaldier, Inhaberin der Boutiqueberatungsagentur Map. Es gilt also zu definieren, wie man sein Hotel positionieren will. Ob man dieses Ziel erreicht, entscheidet schlussendlich der Gast.


Klare Positionierung durch Spezialisierungskategorien

HotellerieSuisse bietet neben den Sterneklassifikationen auch Spezialisierungen an, die in neun Gruppen unterteilt sind. Diese richten sich nach spezifischen Gästebedürfnissen und erlauben eine klare Marktpositionierung. Insgesamt vergibt HotellerieSuisse 21 Spezialisierungen.

Architecture & Design

  • Design & Lifestyle
  • Unique
  • Boutiquehotel > neu ab Ende Mai 2021

Business & Conferences

  • Businesshotel
  • Seminarhotel
  • Kongresshotel

Familiy & Friends

  • Familienfreundliche Hotels
  • Top Familienhotel

Gastronomie & Culture

  • Ausgezeichnete Küche

Green & Sustainable

  • Green Living
  • Sustainable Living

History & Tradition

  • Historisches Hotel
  • Gasthof

Activity & Sport

  • Bikehotel
  • Golfhotel
  • Schneesporthotel
  • Wanderhotel

Wellness & Wellbeing

  • Wellness
  • Wellness & Spa
  • Medical Wellness
  • Medical Wellness & Spa

Hotel Types

  • Apart-Hotels
  • Suiten-Hotels

hotelleriesuisse.ch/spezialisierungen


Hotelklassifikation: Kein Verzicht auf Hotel-Sterne

Die Hotelsterne haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel: Die von HotellerieSuisse 1979 ins Leben gerufene Hotelklassifikation diente als Grundstein für Qualitätsentwicklung und Gästetransparenz in der Beherbergungsbranche und als Basis für die Klassifikation in anderen Ländern. 2009 wurden die Kriterien durch die «Hotelstars Union» europäisch harmonisiert. Neben den Hotelkategorien bietet HotellerieSuisse seit 2019 eine Klassifikation für den Beherbergungstyp Serviced Apartments. Die Kriterien werden regelmässig dem Markt angepasst. Auditoren überprüfen alle drei Jahre die Einhaltung der Kriterien. Seit Anfang 2020 besteht für Mitgliederhotels von HotellerieSuisse keine Klassifikationspflicht mehr. «Wir haben diese Änderung eingeführt, da die Klassifikation aus Überzeugung geschehen soll», sagt Daniel Beerli, Leiter Klassifikation bei HotellerieSuisse. Bis heute hat kein einziger der 1945 Mitgliederbetriebe auf die Klassifikation verzichtet.

Nicht nur bei den Hotels, sondern auch bei den Destinationen hat die Klassifikation einen hohen Stellenwert. So etwa in Davos Klosters: «Hotelklassifikationen sind sowohl im nationalen als auch im internationalen Umfeld wichtig», sagt Samuel Rosenast, Leiter Kommunikation & Content der Destination Davos Klosters. «Die Sterneklassifizierung ist immer noch ein sehr geschätztes Hilfsmittel bei der Hotelwahl.» Trotzdem verzichten von den insgesamt 4600 Hotels in der Schweiz 2186 auf Sterne. 469 lassen sich von Gastrosuisse klassieren. Der Verband vergibt Sterne auf der Basis von eigenen Kriterien.bbe

hotelleriesuisse.ch/de/hotelsterne

Bernadette Bissig