Sie sind in der Branche bekannt als optimistischer, humorvoller und positiv denkender Mensch. Wie schwierig ist es heute, optimistisch und humorvoll zu sein?

Natürlich ist es durch die grosse Unsicherheit und die fehlende Planungssicherheit nicht einfach, den Blick nach vorne zu richten. Ich denke aber, dass genau dies in der aktuellen Situation unbedingt wichtig ist. Ich versuche, meine Gedanken vom Negativen nicht in Besitz nehmen zu lassen, sondern jetzt meine Zukunft zu planen und das grosse Ganze zu sehen. Das gelingt mir mal mehr und mal weniger. Eine positive Ausstrahlung und ein Lächeln helfen meiner Meinung nach in jeder Lebenslage und vereinfachen vieles.

Wie geht es Ihrer Agentur im Moment?

Auch uns hat es als direkter Dienstleister der Hotellerie finanziell getroffen. Da wir jedoch vor allem mit langjährigen festen Partnern sehr intensiv und nah zusammenarbeiten, sehen unsere Kunden die Wichtigkeit, uns gerade jetzt an Bord zu haben. Wir arbeiten bereits mit einigen an der zukünftigen Ausrichtung. Es wird nach der Krise nicht so weitergehen wie davor, und hier können wir mit unserem Netzwerk und unserem Know-how unterstützen.

Julia Faulhaber, 42, ist Inhaberin der 2011 gegründeten Agentur Faulhaber Marketing Services. Aus Deutschland stammend, bildete sie sich im Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten in München zur Hotelfachfrau aus und besuchte weiter die Hochschule für Wirtschaft in Luzern (MAS in Services, Marketing and Management). Danach arbeitete sie unter anderem als Verkaufs- und Marketingleiterin im Park Hotel Vitznau und im Hotel Baur au Lac, Zürich. Zu Julia Faulhabers Kunden zählen unter anderen das Maiensässhotel Guarda Val, der Vitznauerhof, The Living Circle, das Les Trois Rois oder die Balance Familie, aber auch Starköche und Modelabels.
faulhaber-marketing.ch

Sie waren für Ihre Kunden in den sozialen Medien schon früh sehr aktiv. Wie erleben Sie das, was auf Instagram oder Facebook nach dem Corona-Schock abgeht?

Mit gemischten Gefühlen. Der publizierte Inhalt der Accounts lässt meiner Meinung nach in dieser schwierigen Phase tief blicken. Es erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl und Verantwortungsbewusstsein, den richtigen Ton zu treffen, und ich merke: Da bin ich noch kritischer geworden. Wenn mir ein Influencer derzeit jeden Tag ein anderes Produkt ins Bild hängt oder ein Hotel nur Werbebilder postet, hat mich das früher gelangweilt. Heute schockiert es mich.

Geht es den Kunden ebenso?

Sie sind jedenfalls kritischer geworden. Die Bedürfnisse der Menschen haben sich von einem Tag auf den anderen verschoben. Im Zentrum stehen jetzt Themen wie Gesundheit, Sicherheit, Arbeitsplatz und Lebensmittelversorgung. In meinem Umfeld erlebe ich zudem, dass sich die Menschen wieder vermehrt mit ihren eigentlichen Lebensinhalten auseinandersetzen. Ich empfehle den Touristikern und Hoteliers sehr, sich in ihre Kunden hineinzuver­setzen und sich zu fragen: Was brauchen diese nun?

Wie beurteilen Sie die Posts und Aktionen der Hoteliers?

Mir ist nichts negativ aufgefallen. Man hat gemerkt, dass es hauptsächlich zwei verschiedene Reaktionen auf diese Krise gab. Die einen haben bewusst geschwiegen, die anderen sind in die Offensive gegangen. Es wäre falsch zu sagen, dass die eine Reaktion besser oder schlechter war als die andere. Jeder Account hat seine eigene Zielgruppe und «Fangemeinde». Wichtig ist, diese mit der für sie passenden Strategie abzuholen.

Wer hat es gut gemacht?

Mir sind vier Beispiele im Gedächtnis geblieben. Erstens die Tschuggen Hotel Group mit ihrer «Hygge»-Kampagne, die inspirierenden Content für die Zeit zu Hause bringt. Eine ähnliche Strategie verfolgt der «Vitznauerhof». Auch hier wird das Lebensgefühl des Hotels nach Hause transportiert. Das gelingt über ein täglich wechselndes Programm mit Überraschungseffekt. Das Grandhotel Les Trois Rois wiederum stellt sein Team ins Zentrum, indem Mitarbeitende Tipps und persönliche Ratschläge geben. So baut das Hotel über die Kampagne eine persönliche Beziehung zu seinen Kunden auf. Das Art Hotel Riposo schliesslich hat einen Wettbewerb lanciert, um die Interaktion mit ehemaligen Gästen zu steigern, und lässt diese so in Ferienerinnerungen schwelgen.

Alle vier Beispiele funktionieren über Emotionen.

Ja, und sie geben uns ein gutes Gefühl. Da hat sich jemand Gedanken gemacht und bringt ein wenig Ferienstimmung nach Hause. Die Social-Media-Kanäle sind nicht nur dazu da, das «Look» zu transportieren, sondern auch das «Feel». Dadurch wecke ich das Interesse potenzieller Neukunden.

Was geht in Corona-Zeiten gar nicht in den sozialen Medien?

So weitermachen wie davor. Man sollte seine Kommunikation den gegebenen Umständen anpassen, nicht nur in den sozialen Medien. Dies gilt auch für die anderen Kanäle. Ausserdem gibt es grundsätzliche No-Gos in der Kommunikation, die jetzt genauso wie sonst eingehalten werden müssen. Dazu gehört zum Beispiel, sich über Menschen lustig zu machen.

«Dream now – travel later»: Daran hält sich die Tourismusbranche weltweit fest. Ist der Vorrat an Bildsprache und wirkungsvollen Umsetzungen nicht bald einmal erschöpft?

Es war ein guter Einstieg und hat uns träumen lassen. Um jetzt die Schweizer zur Aktion zu bewegen, braucht es meines Erachtens die sympathischen Gesichter dahinter. Schöne Landschaften gibt es an vielen Orten auf der Welt, aber es soll ja zur Solidarität gegenüber den einheimischen Dienstleistern und Produkten aufgerufen werden. Und dies differenziert sich über Emotionen und persönliche Geschichten.

Schweizer sollen in diesem Sommer ihre Ferien in der Schweiz verbringen – und das werden sie auch zahlreich. Aber wo? Uns steht wohl eine Marketingschlacht bevor.

Die aktuelle Krise betrifft ja alle Schweizer Tourismusanbieter, und man muss sich schon bewusst sein, dass sich jede Destination, jede Bergbahn und jedes Hotel derzeit Gedanken macht, wie sie/es den Schweizer Gast für sich selbst begeistern kann.