Knapp beheizte Mansarden und dunkle Zimmerchen mit alten Möbeln und Etagenduschen? Für heutige Fachkräfte ist das ein No-Go. Führende Betriebe locken Talente mit attraktiven Unterkünften und haben somit ein Ass im Ärmel beim Kampf um Fachkräfte. Denn insbesondere in Tourismusregionen werden bezahlbare Unterkünfte immer rarer. Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Zweitwohnungen verstärkt, die Preise klettern unaufhaltsam. Bei dieser Ausgangslage liegt es auf der Hand, dass qualifiziertes Personal eine Anstellung mit Unterkunft bevorzugt.

Das Grand Resort Bad Ragaz etwa bietet seinen Mitarbeitenden insgesamt 173 Wohneinheiten verteilt auf 12 Häuser in unmittelbarer Nähe und investiert kontinuierlich in deren Ausbau. Dazu CEO Patrick Vogler: «Personen, die nicht in der Region verwurzelt sind, kommen so einfach zu einer Unterkunft. Wir sind überzeugt, dass eine gute Infrastruktur für Mitarbeitende unsere Attraktivität als Arbeitgeber weiter steigert.»

Hotelbetriebe investieren bis zu 21 Millionen Franken
«Gäste finden wir schneller als Mitarbeitende», sagt Thomas Vogt, Gastgeber vom Valbella Resort Lenzerheide. Die Lösung sieht er, wie andere Mitbewerber auch, in einem neuen Personalhaus. Auch die Umstellung vom Saison- zum Ganzjahresbetrieb soll seine Attraktivität als Arbeitgeber steigern. So muss das alte Personalhaus einer neuen Immobilie weichen. Bis Ende Jahr entstehen 46 Wohneinheiten, darunter Einzel- und Doppelzimmer sowie 2 Wohnungen für Wohngemeinschaften. «Schön wohnen ist Mitarbeitenden heute wichtiger als ein hoher Lohn. Und das am liebsten direkt im Tourismusort», sagt Vogt. Die Investitionskosten fürs Personalhaus möchte er nicht nennen.

Der Fachkräftemangel in der Gastro- und Beherbergungsbranche hat sich während der Pandemie akut verschärft. In einer losen Artikelserie beleuchtet die htr hotel revue das Thema aus unterschiedlicher Perspektive und zeigt mögliche Lösungsansätze auf.

Hört man sich in der Branche um, erfährt man jedoch schnell, dass die Beträge vielerorts in die Millionen gehen. Das Kurhaus Bergün investierte 4,3 Millionen Franken in das 2015 eröffnete Personalhaus. Je 9 und 10 Millionen setzten das Hotel Olden in Gstaad und der «Lenkerhof» in Lenk 2016 ein. Die Belvédère-Hotel-Familie in Scuol investierte über 14 Millionen in ihre zwei Personalhäuser in den Jahren 2013 und 2017 sowie in 18 weitere Wohneinheiten im Dorf. Spitzenreiter ist das Kulm Hotel St. Moritz, das 21 Millionen für seine zwei Personalhäuser ausgibt. Das erste mit 74 Einheiten wurde auf die Wintersaison 2021/22 eröffnet, die Zahlen für das zweite Haus liegen noch nicht vor.

«Zufriedene Mitarbeitende führen zu glücklichen und treuen Gästen»
Auf die Frage, ob solch hohe Beträge nicht für Erneuerungen im Hotel fehlen, geben die Betriebe unterschiedliche Antworten. «Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben und somit beides möglich ist», lässt das Kulm Hotel St. Moritz verlauten. Auch die Belvedere-Familie verneint. Inhaber Kurt Baumgartner ist zudem überzeugt, dass «eine gute Mitarbeiterinvestition sich positiv auf die Gäste auswirkt. Zufriedene Mitarbeitende führen zu glücklichen und treuen Gästen», sagt er. «Jein», sagt Christof Steiner vom Kurhaus Bergün. «Die Investition war zwar Teil der Unternehmensstrategie. Hätten wir das Projekt jedoch nicht realisiert, hätten wir uns nicht zusätzlich verschuldet.»

Nur wenige Betriebe können so grosse Aufwände aus dem laufenden Betrieb finanzieren wie etwa das Luxushotel Kulm St. Moritz. Viele nehmen Hypotheken und Darlehen auf. Um Restlücken zu füllen, klopfen einige bei der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) an. «Ist die wirtschaftliche Nachhaltigkeit gewährleistet, ergänzen wir die Finanzierung. Wir geben aber keine A-Fonds-perdu-Beiträge», betont Giles Zollinger von der SGH. Den Bedarf an Personalhäusern spüre auch die SGH deutlich, und man sei «sehr bereit, solche Projekte zu unterstützen». Die Richtlinien sind die gleichen wie für eine Hotelinvestition. Und achtet man auf Nachhaltigkeit, gibt es günstigere Zinssätze.[RELATED]

Ausstattung und Leistungen sind nach oben offen
Gut haben es Betriebe, deren Eigentümer sich grosszügig zeigten. Dies war bei den beiden Personal-Chalets des «Lenkerhof» der Fall. Und beim Hotel Olden in Gstaad. Dessen Personalhaus ist sowieso ein besonderer Fall. Als der Platz der alten Zentralwäscherei frei wurde, bauten die Nobelhotels Olden, Palace, Alpina und Bellevue ein Haus mit 88 Personalwohnungen.

Ein gänzlich anderer Weg ist es, die Immobilie über einen Hospitality- oder Immobilienfonds zu bauen. Das «Badrutt’s Palace» in St. Moritz liess so 160 Wohneinheiten erstellen und unterschrieb im Gegenzug einen 30-jährigen Mietvertrag. Da es kaum noch bezahlbares Bauland gibt, kaufen oder mieten Hotels Wohnungen in der Nähe, renovieren sie und geben sie vergünstigt an die Mitarbeitenden weiter. Geld verdient kein Betrieb mit Personalunterkünften, die meist um die 700 bis 800 Franken kosten. Im besten Fall ist es ein Nullsummenspiel. Während einige Hoteliers ihre Studios in der Zwischensaison leer stehen lassen, versuchen andere, sie als Ferienwohnungen zu vermieten.

Auch kleinere Betriebe investieren in Personalhäuser
Anbieter von Personalwohnungen zeigen ihren Arbeitnehmenden, dass sie ihnen etwas wert sind. Diese Wertschätzung ist in der Ausstattung und bei den Zusatzleistungen nach oben offen. Moderne Küchen und Badezimmer, schnelles Internet und Flachbild-TV sind heute Standard. Hinzu kommen Angebote wie wöchentlicher Bettwäschewechsel und Putzservice, die Nutzung des hoteleigenen Fitness- und Wellnessbereichs oder sogar ein eigener Fitnessraum, Skipass-Tickets inklusive, Kitaplätze und vieles mehr.

Haben bislang vor allem Nobelhotels in attraktive Personalstudios investiert, ziehen nun auch kleinere Betriebe nach. So etwa das Boutique Hotel Bären im appenzellischen Gonten. «Qualifizierte Bewerber haben sich gegen eine Anstellung bei uns entschieden, weil wir ihnen keine Unterkunft anbieten konnten», sagt Gastgeber Johannes Sommer. Mit den fünf gemieteten und neu eingerichteten Wohneinheiten will sich der Hotelier von anderen Betrieben abheben. Der 35-Jährige fordert ferner ein Umdenken in der Branche. «Nur wenn wir jetzt handeln, werden wir als Arbeitgeber wieder attraktiv.»[DOSSIER]


Ein Blick über die Grenze

Neue internationale Benchmark

Die neue Mitarbeiterresidenz Stanglwirt könnte auch als Erweiterung des gleichnamigen 5-Sterne-Hotels in Going bei Kitzbühel im Tirol durchgehen. Sie liegt direkt neben dem Areal des Bio- und Wellnessresorts. «Der Komfort und die Ausstattung unserer Unterkünfte entsprechen der 4-Sterne-Superior-Hotelkategorie», sagt Eigentümer Balthasar Hauser. Rund 20 Millionen Euro hat die Besitzerfamilie für den energieeffizienten und mit Erdwärme betriebenen Holzbau aufgewendet und sendet damit ein starkes Signal: grosse Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden.

Für Einzelpersonen und Pärchen stehen 154 Wohneinheiten mit jeweils rund 30 Quadratmetern bereit. Sie sind hochwertig ausgestattet mit Küche, begehbarem Kleiderschrank, Holzdecke, Bad mit Regendusche, grosszügigem Boxspring-Bett, WLAN Flatscreen-TV, Balkon oder Garten und Aussicht in die Natur.

Zahlreiche Annehmlichkeiten für alle Mitarbeitenden
Die monatliche Miete für die Mitarbeitenden beträgt 200 Euro inklusive Nebenkosten. «Unsere Lehrlinge erhalten während ihrer Ausbildung einen Sonderpreis», merkt Hauser an. Die Residenz wurde im November 2021 eröffnet und war im Nu ausgebucht. «Unsere Mitarbeitenden sollen sich rundum wohlfühlen, da spielt die Unterkunft eine wesentliche Rolle.» [IMG 4]

Weitere Annehmlichkeiten sind kostenfreie Vollpension im Mitarbeiterrestaurant sowie monatliche kostenfreie Reinigung der Unterkunft. Ausserdem gibts Vergünstigungen in allen Stanglwirt-Outlets, Kinderbetreuung auf dem hoteleigenen Kinderbauernhof und die Übernahme von 50 Prozent des Mitgliederbeitrags bei heimischen Vereinen, um die Bindung zwischen Mitarbeitenden und Region zu fördern.

Neben weiteren Benefits stellt das Hotel seinem Personal zusätzlich drei bezahlte Tage im Jahr für gemeinnützige Arbeit zur Verfügung. «Wir verbessern ständig unsere Qualität als Arbeitgeber und freuen uns, wenn uns das durch langjährige Treue gedankt wird. Das Glück des Lebens ist das Glück des Gebens», sagt Hauser über seine Aufgabe als Gast- und Arbeitgeber. Der Erfolg gibt dem «Stanglwirt» und seiner Philosophie recht. god