«Das ist ein riesiger Treiber. Wenn eine neue Hitzewelle angekündigt wird, spüren wir das bei den Buchungen», sagt Thomas Walther vom Hotel Walther in Pontresina.

Die Mailänder würden schon seit anfangs Juni aus ihrer heissen Stadt in die Engadiner Berge fliehen, sagt Heinz Hunkeler vom Kulm Hotel in St. Moritz: Im Oberengadin sei dafür das Wetter sehr gut: «Ich habe noch nie so viele schöne Tage und tolle Temperaturen erlebt wie dieses Jahr.»

«Bei uns ist alles grün, während bei den Mailändern schon alles braun und verbrannt ist. Hier kühlen sich die Nächte ab. Man kann mit offenem Fenster ohne Klimaanlage schlafen», sagt der Direktor des Fünf-Stern-Hauses Kulm.

Ausländische Touristen kommen wieder zahlreicher
Noch stärker ins Gewicht fällt allerdings die Öffnung der Grenzen nach zwei Jahren Coronabeschränkungen. Die internationale Nachfrage habe markant angezogen, sagen alle befragten Hotelchefs unisono. Insbesondere die Amerikaner kommen wieder viel zahlreicher, die während der Krise weitgehend ausgeblieben waren.

Auch die Deutschen als traditionell zweitwichtigste Gästegruppe nach den Schweizern würden häufiger anreisen als im Vorjahr. Das habe man so nicht erwartet, sagt Jan Steiner von Engadin St. Moritz Tourismus: «Das Bedürfnis der Deutschen, im Engadin Ferien zu machen, ist ungebrochen.» Auch bei den Engländern und Italienern gebe es einen deutlichen Anstieg.

Die einzelnen Hotels profitieren davon in unterschiedlichem Ausmass, je nach dem, wie sie sich positioniert haben. Während das eine Hotel sich «very british» gibt, sind in anderen Luxusherbergen die Amerikaner in den Top-3. Die Gäste aus Asien fehlen überall noch.

Nicht mehr so viele Schweizer
Allen Hotels gemeinsam ist, dass die Schweizer als wichtigste Gästegruppe in diesem Jahr nicht mehr ganz so zahlreich buchen wie im Rekordjahr 2021. In den beiden Pandemiejahren waren die Inländer die starke Stütze der einheimischen Hotellerie gewesen waren.

So sei der Anteil der Schweizer von 90 Prozent der Gäste auf 65 Prozent gesunken, sagt Marc Eichenberger vom Grand Hotel Kronenhof. Allerdings sei der Anteil der Schweizer in seinem Haus immer noch höher als vor der Krise (gut 50 Prozent).

Den Rückgang bei den Schweizern führen die Oberengadiner Touristiker allerdings nicht auf den Badeferienboom am Mittelmehr zurück: «Das hat keinen Einfluss», sagt Jan Steiner von ESTM. Die, die jetzt ans Mittelmeer fahren würden, wären nicht hierher gekommen. Das sei finanziell eine andere Kategorie. Das Oberengadin stehe eher in Konkurrenz zu weiter entfernten Reisezielen.

Auch das aktuelle Flugchaos spielt nur vereinzelt eine Rolle, wie die Hoteliers übereinstimmend sagen.

Steile Erholung in St. Moritz
St. Moritz konnte dabei stärker von der Rückkehr der ausländischen Gäste profitieren als der Rest des Oberengadins und damit den Knick bei den Schweizern überkompensieren. Während der Nobelferienort die Übernachtungszahlen im Mai und Juni weit mehr als verdoppelte, sanken sie im restlichen Engadin um 7 Prozent, wie aus der Hotelleriestatistik hervorgeht. Allerdings war der Einbruch in St.Moritz durch die Coronarestriktionen in den vergangenen beiden Jahren viel grösser gewesen als im restlichen Oberengadin.

«Wir hatten die zwei stärksten Juni-Juli-Monate in der Geschichte des Hotels Kulm», sagt Direktor Heinz Hunkeler. Die Buchungen lägen derzeit um 30 Prozent über dem Rekord des vergangenen Jahres und auch höher als im Vor-Coronajahr 2019. «Wir wussten, dass etwas weniger Schweizer kommen werden. Auf das hatten wir uns eingestellt. Aber dafür kamen die Amerikaner viel zahlreicher, als wir gedacht hatten - oder sogar wie zu besten Zeiten.»

Ähnlich klingt es bei Peter Egli, dem Direktor des Fünf-Sterne-Luxushotels Suvretta House: Der aktuelle Geschäftsgang im Juli und August übertreffe die Vorjahresperiode um 30 Prozent und das Niveau von 2019 um circa 10 Prozent.

Kein Ausnahmesommer mehr
In Pontresina, das stärker auf Schweizer Touristen ausgerichtet ist, präsentiert sich die Lage etwas anders: Der Juli sei schwächer als 2021 gewesen, das aber auch ein absolutes Ausnahmejahr gewesen sei, sagt Marc Eichenberger vom Grand Hotel Kronenhof. Die Schweizer wollten jetzt wieder ins Ausland. «Das konnten wir nicht wettmachen.» Aber man liege über dem guten Sommer 2020.

Er sei zufrieden, sagte Eichenberger: «Der letzte Sommer war der beste Sommer aller Zeiten. Es sieht momentan so aus, wie wenn dieses Jahr das zweitbeste Jahr werden würde.»

Gleiches sagt Thomas Walther vom Hotel Walther in Pontresina: «Wir liegen zwischen den Jahren 2020 und 2021. Im Moment sind auf Kurs zum zweitbesten Jahr.»

Für das gesamte Oberengadin rechnet Jan Steiner von Engadin St.Moritz Tourismus mit einem guten Sommer: «Es wird aber nicht mehr den Hammersommer der letzten zwei Jahre geben.» Aber auch bei einem Minus von 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr läge man immer noch über dem Vor-Coronaniveau von 2019.

Zuversicht für Herbst und Winter
Zuversichtlich zeigen sich alle befragten Hoteliers auch beim Ausblick: Die Buchungslage für Herbst und Winter sei gut. Es würden zudem wieder Hochzeiten und Firmenanlässe gebucht, die in den vergangenen zwei Jahren ausgefallen seien.

«Corona hat im Herbst bei uns einen wahnsinnigen Boom ausgelöst», sagt Thomas Walther. In den Bergen habe man keine Probleme mit dem Abstand. «Dazu kommt, Bergferien sind in. Die ganze Outdoorindustrie ist sehr sexy geworden.» Die Mammutjacke trägt man auch sonst im Alltag. Die Welt werde immer urbaner. «Da wollen die Leute aus den Städten raus und die Natur in den Bergen erleben.» (awp sda)