Während der Sommersaison können an drei Standorten im Toggenburg Openair-Hotelbetten gebucht werden. Offeriert werden sie unter den Bezeichnungen «immobilienbefreite Hotelzimmer» oder «Zero Real Estate».

Ins Auge sticht vor allem die Inszenierung: Die Fotos auf der Homepage von Toggenburg Tourismus suggerieren Behaglichkeit in wilder Natur. Gezeigt wird etwa eine Berglandschaft in der Dämmerung, im Hintergrund ragen die Churfirsten auf. Im Zentrum des Bildes ein Doppelbett im Freien. Weiss leuchten die Daunendecken und Kissen. Zwei Leselampen verbreiten ein heimeliges Licht.

Übernachten im Motorschiff
Quer durch die Schweiz werden weitere unkonventionelle Übernachtungsangebote angeboten. Auf der Homepage von MySwitzerland finden sie etwa die Swiss Pop-up Hotels: In Bern sind das Hotelbetten in einem alten Zollhäuschen auf der Nydeggbrücke. Unter dem gleichen Label kann auch im Solothurner Krummturm oder auf dem Motorschiff MS Konstanz in Schaffhausen übernachtet werden.

Unter der Rubrik «Aussergewöhnliches Übernachten», wird ebenfalls mit einprägsamen Fotos geworben. Eines zeigt eine frostige Bergwiese, weit über der Nebeldecke. Zwischen zwei Bäumen ist ein von innen beleuchtetes grünes Zelt aufgespannt. Es berührt den Boden nicht, sondern verharrt wie ein Ufo in der Luft. Die «Tree Tents» auf dem Pilatus können bis September reserviert werden.

Start als Kunstprojekt
Was inzwischen wie ein schweizweiter Tourismus-Trend aussieht, hat in der Ostschweiz eine andere Geschichte: Die umtriebigen St. Galler Konzeptkünstler Frank und Patrik Riklin lancierten 2016 zuerst im Safiental und 2017 im Appenzellerland eine Variante ihres «Null Stern Hotels». Bereits mit Betten in Luftschutzbunkern schafften sie es in die internationalen Medien. Nun war es ein Hotelbett unter freiem Himmel samt Butler in Gummistiefeln und Sicht auf den Alpstein. Beworben wurde das Angebot mit ähnlich ikonischen Fotos, wie sie nun auf der Seite von Toggenburg Tourismus zu sehen sind. Die Nachfrage nach einem Openair-Hotelbett war so gross, dass am Schluss der Saison eine Warteliste mit über 4000 Namen übrig blieb.

Die Riklins sehen sich allerdings vor allem als Künstler - und nicht als Tourismusunternehmer. Sie setzten das Projekt aus. Über einen Artikel des Online-Magazins «Die Ostschweiz» kam es zum Kontakt mit Toggenburg Tourismus. Man einigte sich auf eine Adaption des «Null Stern Hotels»: Gleiche Idee, aber anderer Name. Als Starthilfe schrieben die Künstler die Adressen auf der letztjährigen Warteliste an und verschickten den Link zum Nachfolgeangebot. Dafür sind sie mit einem Prozentsatz am Umsatz beteiligt.

Hoffen auf Nebeneffekte
Die Übergabe funktionierte: Kurz nach dem Start waren bereits die Hälfte der möglichen Übernachtungen für je 295 Franken gebucht. Rund 80 Prozent der Gäste kämen aus der Schweiz, erklärt Roland Lichtensteiger, Leiter Marketing und Kommunikation von Toggenburg Tourismus. Er erhofft sich davon einen Nebeneffekt: Gäste, die das Toggenburg kennenlernen - und wiederkommen.

Ebenfalls auf die Idee der Riklins beruft sich der Gestalter Silvio Seiler aus Speicher (AR). Er hat ein Popup-Hotel lanciert. Das Konzept funktioniert wie ein Bausatz für ein Hotelzimmer-Modul. Es kann schnell aufgebaut und wieder abgebrochen werden und soll immer wieder neue Standorte finden.

Popup-Hotel in Heiden
Nach mehreren Anläufen ist der Prototyp nun zum ersten Mal aufgestellt worden: In Heiden (AR), neben dem Gasthaus Zur Fernsicht. Das Hotelzimmer auf Zeit bietet etwas mehr Privatsphäre als die Freiluftbetten im Toggenburg. Zur Konstruktion gehören Wände und ein Dach, es gibt eine Toilette und Dusche. Obwohl man nicht gross Werbung machen konnte, seien die Wochenenden bereits gut ausgebucht, sagt Seiler.

Bei Toggenburg Tourismus will man die Erfahrungen Ende Saison auswerten. Dabei dürfte es auch um die Frage gehen, wie nachhaltig solche Angebote sein können: Bringen sie mehr Gäste in die Region – oder bleibt es bei einem Gag, der vor allem über die perfekte Inszenierung funktioniert?

Andreas Kneubühler