Artikel von Andreas Lorenz-Meyer

Die heutige Buchungslandschaft ist unübersichtlich. Reservierungen kommen über viele Vertriebskanäle herein, etwa über die eigene Website, OTAs und Metasuchen. Da verlieren Hotels schnell den Überblick – bei starker Nachfrage kann es unbeabsichtigte Überbuchungen geben. Eine ärgerliche Sache, die sich jedoch mit passender Software vermeiden lässt (siehe Interview). 

Pro: Trois Rois, Widder und Storchen
Sie alle arbeiten mit kontrollierten Überbuchungen, um eine bessere Auslastung und höhere Einnahmen zu erreichen. Das Risiko wird durch Upgrade-Option abgefedert. Alle Zimmerkategorien sind jederzeit buchbar.

Wobei das Bewirtschaften der Onlinekanäle das eine ist, die Unberechenbarkeit vieler Gäste das andere. Eine Datenanalyse von Guestline ergab, dass 19 Prozent der OTA-Buchungen storniert werden. Céline Weckerle, Guestline-Expertin, meint dazu: «Die Gäste buchen oft mehrere Hotelzimmer für die gleiche Nacht und sagen kurzfristig wieder ab, weil die Onlinekanäle das erlauben.» 80 Prozent der Gäste würden laut Umfrage auch eine kostenlose Stornierungsoption erwarten. Für Hotels ein Problem: Sie können Einnahmeverluste erleiden, weil sich die Zimmer so schnell nicht neu belegen lassen.

Contra: Hotels by Fassbind, Tschuggen
Sie generieren keine kontrollierten Überbuchungen. Dies bringe wenig Extraertrag, sorge für verärgerte Gäste und bedeute Stress für Mitarbeitende. Kurzfristige kostenlose Stornierungen sind nicht möglich.

Eine Massnahme gegen das Stornierungsrisiko sind gezielte Überbuchungen. Das Widder Hotel in Zürich arbeitet damit. «Kontrolliert und professionell», wie Revenue & Yield Manager Andreas Fassbender betont. Er analysiert alles: Markt und Nachfrageperiode, die Gäste und deren Buchungs- und Stornierungsverhalten. Als technisches Hilfsmittel ist der Channel-Manager des Nyoner Unternehmens Tourisoft im Einsatz (siehe Kasten).

Die Software arbeitet mit 2-Wege-Schnittstellen zum Property Management System (PMS). 2-Wege-Schnittstelle bedeutet, dass Verfügbarkeiten, Preise und Buchungen in Sekunden vom Buchungsportal ins PMS gesendet werden. «So bekommen wir eine sehr zeitnahe Übersicht der aktuellen On-the-books-Daten, also der definitiven Buchungen.» Für Fassbender bildet der Channel-Manager die Basis des kontrollierten Buchens und Überbuchens, zusätzlich nutzt er den Pick-up-Tracker des Berliner Unternehmens Fairmas für die täglichen Analysen der Buchungsänderungen. Hier werden Budget, Forecast (erwartete Belegung) und Vorjahreszahlen einbezogen. Zusätzlich gibt es einen in house entwickelten Multi-Property-Pick-up-Tracker für Analysen «auf einen Blick».

Die Technik hilft dabei, die richtigen Preis- und Überbuchungsentscheide zu treffen.

Elias Roniger, Junior Revenue Manager

Das Ergebnis des kontrollierten Überbuchens: Das Widder Hotel und das Schwesterhotel Storchen, die beim Buchungsmanagement kooperieren, sind beide besser ausgelastet. Und in einem der beiden Häuser ist immer ein Zimmer verfügbar. Ähnlich gut läuft es im Grand Hotel Les Trois Rois in Basel, das bei den grössten OTAs eine durchschnittliche Stornierungsrate von knapp 38 Prozent verzeichnet. «Mit erheblichen Schwankungen in den Saisons», so Junior Revenue Manager Elias Roniger. Um die Stornierungen auszugleichen, arbeitet man seit einem Jahr mit kontrollierten Überbuchungen – und zwar so, dass alle gebuchten Gäste immer ein Zimmer erhalten. Das muss auch deshalb so sein, weil Ausquartierungen keine Option sind. Es gibt in der Nähe kein Hotel mit gleichem Standard.

Technische Hilfsmittel helfen, Überbuchungen zu steuern
Das Unternehmen Hotel-Spider aus Nyon bietet die gleichnamige cloudbasierte Online-Vertriebsplattform, die Buchungsmaske, Metasuche, zentrales Reservierungssystem, PMS-Konnektivität und Channel-Manager umfasst. Dieser Channel-Manager arbeitet mit 2-Wege-XML-Schnittstellen. «Damit lassen sich Reservationen von allen Plattformen importieren», so Operations Manager Elisha Schoppig. «Das garantiert eine schnelle und zuverlässige Synchronisation der Daten.» Die Software erlaube auch komplette Transparenz. «Das Hotel kann jede Änderung im System nachvollziehen. Das hilft zu verstehen, wie es zu einer Buchung kam.» Weiterer Pluspunkt: Anpassbarkeit an jedes Hotel, an die jeweilige Verkaufsstrategie und die relevanten OTAs. Support wird auf Deutsch, Schweizerdeutsch, Französisch, Englisch, Spanisch und Italienisch geboten. Zudem beinhaltet die Online-Vertriebsplattform feste Monatspreise ohne Erstinstallations-, Einrichtungs- oder Trainingskosten. Der Preis ist dabei von der Zimmeranzahl abhängig. Das britische Hospitality-Software-Unternehmen Guestline hat eine cloudbasierte All-in-one-Lösung, inklusive Rezlynx PMS, Channel-Manager, Direct Booking Engine, Payment Gateway ab 8 Euro pro Zimmer pro Monat im Angebot. Das «all in one» vereinfacht die Kommunikation zwischen Kunde und Provider, es gibt nur einen einzigen Support für alle Probleme. Schnittstellenprobleme treten dank «all in one» nicht auf. alm
www.guestline.com 
www.hotel-spider.com 

Bei Überbuchungen wird den Gästen ein Upgrade angeboten
Für kontrollierte Überbuchungen nimmt Roniger vor allem kleine Kategorien wie die City Rooms, «da wir hier mehr Upgrade-Möglichkeiten haben und das Risiko so minimieren können». Technische Unterstützung leistet das Revenue Management System von Ideas. «Die Technik hilft dabei, die richtigen Preis- und Überbuchungsentscheide zu treffen.» Der Erfolg ist spürbar: Alle Zimmerkategorien sind jederzeit durchgängig buchbar, die Auslastung konnte gesteigert werden. Wobei hier auch externe Faktoren eine Rolle spielten, ergänzt Roniger. Etwa der allgemeine Auslastungsanstieg im Markt.

Nicht nur die richtige Software, auch menschliches Know-how ist bei gezielten Überbuchungen gefragt. Zum Beispiel bezüglich der Raten. Es gibt die restriktiven Non-refundable-Raten, bei denen Anreisen so gut wie sicher sind, weil die Gäste ihr Zimmer schon bezahlt haben. Sollten sie trotzdem nicht kommen, entsteht kein Revenue-Verlust. Daher solle man diese Raten nicht überbuchen. Entscheidend sind die flexiblen Raten mit Stornierungsmöglichkeit.

Da ist ein sorgfältiges Studium der Statistiken nötig: Wie viele Stornierungen oder No-Shows gibt es im Schnitt in einem bestimmten Zeitraum? Damit lässt sich ausrechnen, wie viele Zimmer wann überbucht werden können. Frühbucher stornieren seltener. Genauso Familien, die mehrere Zimmer nebeneinander reserviert haben. Auch gut zu wissen: Direktbuchungen sind, im Gegensatz zu den stornierungsanfälligen OTA-Buchungen, eine ziemlich sichere Bank. Nur 0,43 Prozent werden laut Guestline-Studie storniert. Grundsätzlich niemals überbucht werden darf während grosser lokaler Events. Da gibt es kaum Stornierungen. Ähnlich ist es bei Hochzeitsgesellschaften. Auch da wäre es unklug, zu überbuchen.

Gezielte Überbuchungen sind nicht jedes Hoteliers Sache
Nicht jeder Hotelier setzt auf gezielte Überbuchungen. Eric Fassbind beispielsweise, Manager und Eigentümer der Hotels by Fassbind in Lausanne und Zürich, ist zwar für ein offensives Preismanagement, baut Überbuchungen aber nie bewusst ein. «So etwas bringt wenig Extraertrag, dafür unzufriedene Gäste und gestresste Mitarbeiter. Das ist nicht meine Art.» Natürlich passiere es auch ohne kontrollierte Überbuchungen, dass Gäste mal kein Zimmer hätten. Für Fassbind ein richtiger Albtraum, wenn die Stadt ausgebucht ist. «Aber zum Glück musste bis jetzt niemand draussen schlafen.» [IMG 3]

Auch das Tschuggen Grand Hotel Arosa arbeitet nicht mit gezielten Überbuchungen, weder in der Hoch- noch in der Nebensaison. «Das liegt daran, dass es bei uns Stornierungsfristen von 15 Tagen gibt, was kurzfristige Absagen nicht zulässt», erklärt Revenue Manager Marina Schnittker. Zudem entsprächen Überbuchungen nicht der Hotelphilosophie.


Nachgefragt mit Céline Weckerle

Céline Weckerle ist Digitalisierungsberaterin beim Hospitality-Software-Unternehmen Guestline. Sie verfügt über einen Bachelorabschluss in Hotel & Hospitality Management des Hotel Institute Montreux und war in der Schweizer Hotellerie tätig. 

Céline Weckerle, entstehen unbeabsichtigte Überbuchungen, weil Hotels zu viele Buchungskanäle pflegen?
Ja, viele Hoteliers haben Angst, Sichtbarkeit im Netz zu verlieren. Deswegen binden sie sich an immer mehr Buchungskanäle. Damit sind aber viele überfordert. Beispiel Berghotels: Diese können bei wetterabhängigen Buchungen schnell überbucht sein. Ist fürs Wochenende sonniges Wetter angesagt, wollen alle in die Berge. Die Leute suchen bis sie auf einem der Onlinekanäle ein freies Zimmer finden. Schon kommt es zu Überbuchungen. [IMG 2]

Tragen OTAs eine Mitschuld?
Natürlich wollen die grossen OTAs, dass Hotels ihre komplette Verfügbarkeit präsentieren, damit Gäste jederzeit buchen können. Früher stellten Hotels den OTAs nur eine gewisse Anzahl Zimmer zur Verfügung. Heute ist das anders. Manche OTAs dulden keine Kontingente mehr. Hoteliers, die nur Kontingente anbieten, werden sogar benachteiligt. Manche OTAs haben auch komplexe Systeme, die es Hoteliers schwer machen, ihre Verfügbarkeit upzudaten. Deswegen sind die OTAs aber nicht Verursacher unbeabsichtigter Überbuchungen. Die entstehen, wenn Hotels nicht mehr genau wissen, wo überall sie Zimmer anbieten.

Wie behalten Hotels die Übersicht?
Durch einen Channel-Manager mit Schnittstelle zum PMS. Dadurch können unbeabsichtigte Überbuchungen effektiv vermieden werden. Das PMS gibt konstant die Verfügbarkeit an den Channel-Manager weiter, der diese Information an die OTAs und an die eigene Website leitet. Nach jeder Buchung oder Stornierung bekommt die Verfügbarkeit direkt ein Update und ist somit immer live und aktuell. Überbuchungen sind dann kein Problem mehr. Wichtig ist auch, dass man sich regelmässig in Reports anschaut, welche Kanäle wirklich für Reservierungen sorgen. Es ist sinnlos, Kanäle zu pflegen, die keine Buchungen generieren.

Wenn dennoch was schiefläuft: Wie besänftigen Hoteliers überbuchte Gäste?
Hoteliers sollten ehrlich sein, eine Lösung parat haben und nicht erst danach suchen, wenn der Gast schon da ist. Allerdings ist es in der Hochsaison schwierig, ein anderes Zimmer zu organisieren, denn die Nachbarhotels sind in der Regel genauso ausgebucht. Es kann auch sein, dass kein Hotel in der gleichen Preisklasse verfügbar ist. Dann muss das Hotel für die Differenz aufkommen. Hoteliers sollten daher gute Beziehungen zu Häusern in direkter Konkurrenz pflegen. So können sie eher darauf hoffen, dass der Kollege eine Buchung übernimmt. alm