Massimo Boni, Lugano Region richtet sich strategisch neu aus. Warum ist das wichtig?
Jede der vier Tourismusregionen des Tessins hat ihre eigene Identität. Gäste können zwar durchaus die Brissago-Inseln besuchen und dann bei uns übernachten oder in Locarno übernachten und ein Konzert in unserem Zentrum Lugano Arte e Cultura besuchen, alles kostenlos mit dem Ticino-Ticket. Doch wir alle leben von den Kurtaxen: Wir müssen Logiernächte generieren, daran werde ich schliesslich auch gemessen.

Stehen die Tessiner Tourismusregionen in Konkurrenz zueinander?
Nein, wir versuchen, komplementär zu arbeiten. Gleichzeitig wollen wir unsere eigenen Stärken vermarkten und kommunizieren.

Digitalisierung, Gastfreundlichkeit und Nachhaltigkeit sind neu die drei strategischen Säulen. Gab es Defizite?
Zwei der Säulen, Nachhaltigkeit und Digitalisierung, sind Trends. Wenn ich meine jüngeren Cousins in Zürich frage: Habt ihr die neue Website von Lugano Region gesehen? – dann sagen sie: Nein, wir schauen nur Instagram oder sogar Tiktok. Mit unserer neuen Website haben wir aber auch umgesetzt, dass Gäste direkt auf unserer Plattform ein Package, ein Produkt buchen und kaufen können – Übernachtung, Mountainbikemiete, Museumsbesuch, Grotto-Touren und so weiter. Mit Blick auf das Swisstainable-Label von Schweiz Tourismus müssen wir unsere Leistungsträger für die Nachhaltigkeit sensibilisieren und sie dazu ermuntern, in diese Richtung zu gehen. Gleichzeitig darf es nicht bloss eine Alibiübung bleiben. Wir versuchen, Projekte zu machen, die wirklich fassbar sind. Wichtig bei der neuen Strategie ist ausserdem, dass wir von der Saisonalität wegkommen und die Auslastung übers ganze Jahr hinweg stimmt.

Bestehen denn auch Produkte für Monate wie November oder Januar?
Insbesondere im Bereich Kultur ist das Angebot ganzjährig sehr reichhaltig. Wir haben 35 Museen. Das Kulturzentrum Lugano Arte e Cultura bietet das ganze Jahr über Spektakel, nicht nur auf Italienisch – so etwa Ballett oder modernen Tanz. Wir versuchen, über zwei Pressebüros das ganze Jahr zu kommunizieren, und produzieren laufend Social-Media-Inhalte. Natürlich können wir nicht Leistungsträger involvieren, die im Winter nicht geöffnet haben. Aber: Es gibt immer etwas zu tun im Tessin!

Wichtig ist, dass wir von der Saisonalität wegkommen.

Welche Änderungen gibt es bei den Zielgruppen?
Mit unseren drei Produktsegmenten für den Freizeittourismus – Sport und Natur, Kunst und Kultur sowie Gastronomie und Wein – können wir sowohl den Bedürfnissen von Familien wie auch Gutverdienern und Paaren ohne Kinder mit doppeltem Einkommen entsprechen. Seit der Pandemie kommen immer mehr Deutsche und Deutschschweizer für Smart Working ins Tessin. Und genau hier sehen wir eine Überschneidung mit dem vierten unserer Segmente, nicht nur Freizeit-, sondern auch Geschäftsreisen: Meetings und Incentives. Das Wetter ist bei uns immer etwas besser als nördlich der Alpen. Von Zürich dauert die Fahrt mit dem Zug bis Lugano nur eine Stunde und 53 Minuten.

Inwiefern ist Lugano Region eine Destination für Gutverdienende?
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in unserer Region sechs 5-Sterne-Hotels und mehrere Gourmetrestaurants haben, von denen vier mit einem Michelin-Stern gekrönt sind. Mit der Via Nassa in der Altstadt bietet Lugano die drittgrösste Modeauswahl in der Schweiz mit Marken wie Cartier, Louis Vuitton oder Hermès. Mit dem neuen Ticino Convention Bureau wollen wir zudem die Destination auch im Bereich Meetings und Incentives noch stärker positionieren. Wir haben mehr als 400 Kilometer Mountainbike-Routen und über 900 Kilometer Wanderwege. Bei uns kann ein CEO biken, abends im Gourmetlokal essen und im LAC eine Vorstellung besuchen. Bei uns geht es nicht um Nightlife und Party, sondern eher um ein abgerundetes Programm für alle Sinne. Wir haben in den letzten Jahren insbesondere im Kulturbereich ein echtes Wachstum verzeichnet. In den vier Segmenten haben wir in den letzten drei, vier Jahren intensiv gearbeitet. Lugano galt lang als Business-Stadt und hat sich nun auch im Leisure-Bereich entwickelt.

Wie setzt Lugano Region künftig Social Media ein?
Seit ich Direktor bin, haben wir die Social-Media-Strategie komplett überarbeitet. Für Instagram produzieren wir regelmässig eigene Inhalte, insbesondere Videos. Das macht mehr als die Hälfte aus, Reposting machen wir im Umfang von 35 bis 40 Prozent. Neu arbeiten wir mit Linkedin und Tiktok. Unser Ziel ist es, pro Monat vier Videos auf Tiktok zu veröffentlichen. Ausserdem entwickeln wir den Instagram- Guide. Dieser bietet Inspiration für Touren und Orte in der Region. Pro Monat wollen wir zwei neue Guides anbieten: Familien- und Kinderangebote, Essen, Shopping. Ein Produktteam produziert für Social Media taktische Kampagnen für die Deutschschweiz, für Süddeutschland und Italien. Wir werden zudem mit Influencern zusammenarbeiten. Derzeit entwickeln wir dazu eine Strategie.

Soziale Medien wie beispielsweise Tiktok gelten als ausgesprochen jung. Sprechen Sie die Jüngsten zusätzlich zu den übrigen Zielgruppen an?
Die jungen Nutzer sind die Gäste der Zukunft. Der Vater schaut die Website an, die Mutter ist auf Instagram, die Kinder auf Tiktok. Die Entwicklung ist schnell. Ich sehe das bei meiner Verwandtschaft in Zürich. Der Jüngste ist 19. Für ihn ist Instagram schon ein Medium für die Älteren. Er sagt sich, Ligurien oder Toskana sind zu weit weg. Er will lieber Downhill-Biking im Tessin machen, eine Veranstaltung besuchen und gut essen. Das schlägt er so seiner Mutter vor. So läuft der Entscheidungsprozess. Mit Social Media können wir während 365 Tagen im Jahr die Leistungsträger unterstützen. Nicht jedes Hotel, Restaurant oder Museum hat ein eigenes Marketingteam. Wir haben eigens einen Social-Media-Kalender erstellt, damit jeder Leistungsträger abgedeckt ist, von unseren vier Bergen Monte Brè, Monte Tamaro, Monte Lema und Monte San Salvatore über Swissminiatur bis hin zum Parco Scherrer in Morcote und sämtlichen Museen.


Mehr als 15 Jahre Erfahrung

Massimo Boni (46) studierte Marketing und Kommunikation an der Università della Svizzera italiana (USI) in Lugano und Mendrisio. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Tourismussektor, auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Während fünf Jahren arbeitete er als Verkaufsleiter für Engadin Tourismus und betreute dort die Marke St. Moritz. Zudem war er als Berater für verschiedene Unternehmen in den Bereichen Tourismus und Kommunikation tätig, auch bei Schweiz Tourismus. Seit 2022 ist er Direktor des Tourismusverbands Lugano Region (Ente Turistico del Luganese).

Über Lugano Region
«Ente Turistico del Luganese» (ETL) ist die offizielle Bezeichnung der regionalen Tourismusorganisation (OTR) der Region um Lugano. Der Name «Lugano Region» dient als Markenname. Die ETL ist eine der vier regionalen OTR nebst jenen für die Regionen Mendrisiotto und Basso Ceresio, Bellinzona und Alto Ticino sowie Lago Maggiore e Valli. Die OTR arbeiten mit der Azienda Turistica Ticinese – auch bekannt als Ticino Turismo – zusammen. Die ETL fördert und vermarktet ganzjährig mit einem Team von mehr als 40 Mitarbeitenden das touristische Angebot der Region Lugano. Sie arbeitet mit allen touristischen Leistungsträgern und den anderen drei regionalen Tourismusorganisationen zusammen. Ausserdem mit Schweiz Tourismus, der Azienda Turistica Ticinese, der Ente Regionale per lo Sviluppo del Luganese und den Gemeinden der Region, den Berufsverbänden, den Partnern in der Region und den Beherbergungsbetrieben.