Bruno Schöpfer, sind Sie vorbereitet auf die Masse an Reisebloggern, die den «Bürgenstock» in den kommenden Monaten stürmen werden?
Sie sind schon da. Ich gab soeben einem amerikanischen Blogger mit 1,2 Millionen Followers ein Interview über Hotelarchitektur. Natürlich wollen wir Social Media für unser Marketing nutzen, setzen aber weiterhin auch auf die klassischen Kanäle. Deshalb haben wir an Hotspots wie New York, London, Dubai und Schanghai PR- und Sales-Büros eröffnet.

Ist die Strahlkraft der Neuen Medien Grund für die gestiegene Erwartungshaltung? Lange sprachen Sie von 100 000 Tagesgästen im Jahr, nun sollen es 150'000 werden.
Die Zahl von 100'000 Tagesgästen wurde vor ein paar Jahren vom BAK Basel ermittelt. Wir selbst waren immer der Meinung, dass es mehr sein werden. Optimistisch sind wir auch deshalb, weil wir ab Mai 2018 einen Shuttle einsetzen können, der von morgens 6 Uhr bis Mitternacht stündlich die Bürgenstock-Bahn bedienen wird. Zusammen mit unseren 700 Parkplätzen und dem offiziellen Postauto ist das ein ausreichendes Angebot.

Schon während der mehrjährigen Bauzeit wimmelte es hier von Medienleuten und privaten Besuchern. Hat Sie das enorme Interesse überrascht?
Nein. Wir haben von Anfang an breit informiert und mittlerweile über 30'000 Leute durch die Baustellen geführt. Aber entscheidend ist etwas anderes. Ich habe viel gesehen in der Welt und wirkte von Hawaii über Vietnam bis Koh Samui bei tollen Hotelresorts mit, aber hier haben wir eine Kombination von Tourismusaspekten, die schlicht einmalig ist. Denken Sie nur an diese Lage! Ich komme nun seit neun Jahren regelmässig hierher und bin noch immer so fasziniert, dass ich zu fotografieren beginne.

Sie haben eine Sonnenaufgang-Sammlung?
Nein, eine Sammlung von Nebelmeeren. Einmalig ist aber auch der Mythos Bürgenstock, die Geschichte mit all den illustren Gästen. Nehru Gandhi war hier, er spricht noch heute die Inder an; so wie Audrey Hepburn die Amerikaner oder Konrad Adenauer die Deutschen.

Interessant ist das Konzept. Sie realisieren ein Luxusresort, das gleichzeitig ein für alle offener Berg sein wird. Wir würden Sie es nennen: Experiment, Wunschdenken, notwendiges Übel?
It is the only way! Nur so ist es ökonomisch sinnvoll. Wir unterhalten und pflegen unter anderem 60 Hektaren Umschwung, eine Bergbahn, einen Aussenlift, 1,4 Kilometer Strasse und 30 Gebäude. Allein für Blumen geben wir alljährlich 200 000 Franken aus.

Das wird den Luxusgast erfreuen. Freut er sich auch über die Masse von Tagestouristen?
Nicht jeder gut betuchte Gast will sich komplett abschotten! Er wird die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen. Aber er kann sich auch unter die Menge mischen, wenn er will. Im Übrigen kann ein Hotelbetrieb nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn er regional verankert ist. Das gilt auch für Luxushotels – weltweit. Und in der urdemokratischen Schweiz erst recht.

Mit dem offenen Luxusresort sammeln Sie nun Erfahrungen. Wie flexibel sind Sie aufgestellt, um noch Optimierungen vornehmen zu können?
Wir werden unsere Erfahrungen machen, sind aber gut vorbereitet. Ich habe vom ersten Tag an darüber nachgedacht, wie man Tages- und Hotelgast ohne Probleme aneinander vorbei schleust. Bereits eingeplant ist auch die Option, für eine exklusive Grossveranstaltung das gesamte Resort zu schliessen. Tagungen wie Friedenskonferenzen oder die Bilderberg-Konferenzen hat es auf dem Bürgenstock schon früher gegeben.

Hat sich Klaus Schwab vom WEF bereits bei Ihnen gemeldet?
Nein. Unsere Devise ist, proaktiv auf wichtige Entscheidungsträger, Firmen und Verbände zuzugehen. So haben wir unter anderen auch das WEF kontaktiert. Aber als Ganzes wäre diese Veranstaltung für uns zu gross. Wir werden sicherlich viele andere international bedeutende Anlässe durchführen. Wie gesagt, das gehört hier oben zur Tradition.

Haben sich die Erwartungen der Besitzerschaft im Verlauf der langen Bauzeit geändert?
Das Problem war, dass wir in dieser Zeit drei Besitzerwechsel innerhalb der QIA hatten. Zuerst war es «Barwa», dann «QDHP» und schliesslich «Katara Hospitality». Natürlich bestellte jede neue Firma wieder neue Aufsichtsräte, die einiges hinter-fragten. Wir waren in diesen Jahren ständig damit beschäftigt, den Traum am Leben zu erhalten.

Was wurde hinterfragt?
Das Projekt als Ganzes. Es war auch für die Katarer eine Riesensache.

Viel Zeit mussten Sie zudem investieren, um den Auftraggebern in Doha die Schweiz mit ihrem demokratisch legitimierten Baubewilligungsverfahren zu erklären.
Ja, das war auch nicht immer einfach. Dabei hatten wir nur eine einzige strittige Sache mit einem Nachbarn zu lösen und brachten zwei Zonenplanänderungen, zwei Gestaltungspläne sowie 147 Baubewilligungen ohne Einsprachen durch. Das war nur möglich, weil wir Nachbarn, NGOs und Behörden gründlich und offen informierten. Und es war für uns von Vorteil, dass sich hier oben während vieler Jahre nichts mehr bewegt hatte. Alle wünschten sich im Grunde, dass etwas geht.

Wie haben Sie das so bravourös geschafft? Mit diplomatischem Geschick?
(lacht) Das wäre mir jetzt neu, dass ich ein Diplomat bin.

Was war es dann?
Ich kann begeistern, und Hotels sind meine Leidenschaft. Das kann ich Investoren vermitteln, aber auch Verhandlungspartnern und den Mitarbeitern. Meine Begeisterung ist offenbar ansteckend.

Sie wirken heute versöhnlich gestimmt. Ich habe Sie auch ziemlich aufgebracht erlebt. Gab es Momente, in denen Sie dachten, das Bürgenstock Resort sei ein zu grosses Investment für die Schweiz und den Schweizer Tourismus?
Das nicht. Aber es gab Momente, wo ich das Gefühl hatte, es gehe nicht mehr weiter. Das Medical-Projekt zum Beispiel war zweimal klinisch tot. Einer meiner temporären Vorgesetzten, ein Amerikaner, der ausschliesslich in Hotels investierte, sagte mir: Lieben Sie Prozesse? Mit Medical werden Sie nur Prozesse mit Amerikanern führen.

Medical ist für Sie wirtschaftlich gesehen ein Must?
Zu dieser Einsicht war ich gekommen nach vier Jahren Konzeptarbeit, Benchmark und der Beratung durch einen von mir gebildeten Ärztestab. Wenn ich heute unser Angebot im neuen Waldhotel betrachte, bin ich überzeugt: Es wird erfolgreich sein.

Ende August beginnt auf dem Bürgenstock der Eröffnungsreigen. Für eine abschliessende Bilanz ist es also zu früh. Wie viel hat das Resort wirklich gekostet?
550 Millionen Franken. Wie wir kommuniziert haben.

Sie sind Managing Director der Bürgenstock Selection, die nun zusammen mit dem Schweizerhof Bern und dem Royal Savoy in Lausanne sechs Hotels umfasst. Soll und wird sie weiterwachsen?
Das bezweifle ich. Die Rahmenbedingungen in der Schweiz sind bekanntlich nicht mehr so toll. Leider ist der Tourismus ein Stiefkind der Politik. Wir haben zu wenig Gewicht, kein einziger National- oder Ständerat ist ein Vollbluttouristiker. So müssen wir bei jedem Entscheid vor der Türe warten. Wenn ich denke, dass Katara Hospitality in der Schweiz 1100 Stellen schafft, während man täglich von Firmenschliessungen und dem Abwandern ins Ausland liest – und für die Tourismuspromotion stehen nur gerade 220 Millionen Franken zur Verfügung! Das ist unglaublich kurzsichtig. Von jedem Franken, den wir hier oben verdienen, gehen 40 Rappen in die Zulieferindustrie.

Die ausländischen Investoren verlieren die Lust?
Eindeutig. Seit zwei Jahren steht das Montreux Palace zum Verkauf, Swissôtel in Basel und Zürich ebenso. Vor zehn Jahren wären diese Objekte nicht lange auf dem Markt gewesen. Die Rahmenbedingungen sind unbefriedigend. Für eine Industrie, die nicht einen einzigen Mitarbeiter ins Ausland verlagern kann, ist die Währungssituation fatal. Dazu kommen die massiven und ständig zahlreicheren Auflagen, gegen die ich täglich ankämpfen muss.

Jetzt sind Sie doch noch aufgebracht.
Das wird mich immer aufregen, das ändert sich nie. Bei den Brandauflagen zum Beispiel wird es immer extremer. So wollte man, dass wir nachträglich auch in den Toiletten Sprinkleranlagen installieren. Grund: Das Toilettenpapier könnte sich entzünden. Solche Auflagen kann ich nicht nachvollziehen.

Die Bürgenstock Selection wächst also nicht.
Jetzt müssen wir erst einmal zum Erfolg bringen, was wir in Bern, Lausanne und hier oben aufgebaut haben. Trotz toller Hotels spüren auch wir die schwierigen Rahmenbedingungen, das Geschäft mit MICE und Corporate ist unter Druck, gerade Bern ist ein schwieriger Markt. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir noch mehr Leisure-Gäste in die Schweiz bringen müssen, in Kombination mit Paris, wo wir ebenfalls Hotels besitzen. Und natürlich wollen wir die Vorteile nutzen, die eine Grösse von sechs Hotels mit insgesamt 700 Zimmern etwa beim Einkauf mit sich bringt.

Und so nebenbei eröffnen Sie diesen September in Zürich-Oerlikon auch noch Ihr eigenes Hotel Acasa.
Wo ich aber nicht operativ tätig sein werde. Das Konzept steht schon lange.

Wie lautet es?
Wir haben 141 Units, ein Aparthotel mit 80 Studios und Apartments sowie 60 Hotelzimmern. Das erlaubt uns als Hybrid, uns in beiden Märkten zu bewegen, was in einer Stadt, wo es für Unternehmer so schwierig ist, für temporär Beschäftigte eine Unterkunft zu finden, attraktiv ist. Wir rechnen mit 16 Mitarbeitern und werden möglichst viel outsourcen.

Eine so grosse «Kiste» wie der Bürgenstock reizt Sie nicht mehr?
Ich bin jetzt 62 Jahre alt. Aber – never say no. Wenn die Strapazen einmal vorbei sind, denkt der Mensch nicht mehr gross daran. Es sind die guten Erinnerungen, die bleiben. Ja, ich würde es wieder machen.


 

Manager Schöpfer: Innerschweizer mit Welterfahrung
Bruno H. Schöpfer, 62, aufgewachsen im Entlebuch, ausgebildet an der Hotelfachschule Luzern, tätig unter anderem für Mövenpick Hotels & Resorts, Mövenpick Holding und Mandarin Oriental Hotel Group, ist Managing Director der Bürgenstock Selection – Katara Hospitality Switzerland AG. Zur Gruppe gehören neben den vier Hotels auf dem Bürgenstock der Schweizerhof Bern sowie das Royal Savoy in Lausanne. Schöpfer ist verheiratet und Vater dreier Kinder.

htr-Abonnenten lesen mehr dazu im Themenschwerpunkt «Das Bürgenstock Resort vor der Eröffnung» in der htr hotel revue vom 10. August 2017

Zum Kommentar von Gery Nievergelt: «Der Hürdenmarathon Man»