Der Jahreswechsel ist zugleich der Auftakt in ein neues Politjahr. Wie in den Jahren zuvor stehen für die Tourismusbranche auch 2020 wieder wichtige Weichenstellungen an. Die htr nimmt den Zeitpunkt zum Anlass, bei Branchen- und Wirtschaftsvertretern den Puls zu fühlen. Welches sind aus Sicht der Verbände die Schlüsselthemen für das Jahr 2020?

Faire Preise und Paritätsklauseln: Nur langsame Fortschritte
HotellerieSuisse und Parahotellerie Schweiz gaben dazu wie gewohnt bereits im Dezember ein eigenes Booklet heraus. Für die Beherbergungsbetriebe stehen im neuen Jahr vier Themen im Vordergrund. Wirklich neu ist davon keines. Für die Fair-Preis-Initiative – von den Initianten, darunter auch HotellerieSuisse, vor mehr als zwei Jahren offiziell eingereicht – gibt es noch kein Abstimmungsdatum. Die Initiative sowie ein Gegenvorschlag sind noch in Bearbeitung bei der vorberatenden politischen Kommission. Das Plenum des Nationalrats wird das Geschäft voraussichtlich in der Frühjahrssession behandeln. Eine Abstimmungsempfehlung soll spätestens im Juni erfolgen, ein Gegenvorschlag könnte den Meinungsfindungsprozess hingegen bis in den Sommer 2021 hinauszögern.

Wenig Bewegung gibt es auch bei einem anderen hotelleriespezifischen Dauersorgenthema, den Paritätsklauseln der Online-Buchungsplattformen (OTAs). «Die Preissetzungsfreiheit ist für uns Hoteliers im digitalen Zeitalter sicherzustellen. Nur so können wir als Unternehmer die besten Preise anbieten und Abhängigkeiten gegenüber den Buchungsplattformen reduzieren», fasst Thomas Kübli vom Hotel Ambassador Bern das Anliegen vieler seiner Kolleginnen und Kollegen zusammen. Eine entsprechende Motion von CVP-Ständerat Pirmin Bischof für ein Verbot von «Knebelverträgen» wurde zwar bereits im September 2017 vom Parlament mit grosser Mehrheit angenommen, der Bundesrat ist bis heute jedoch dem Auftrag nicht nachgekommen, einen Gesetzesvorschlag zu formulieren. Branchenvertreter erwarten einen Gesetzesentwurf mit Vernehmlassung in diesem Frühjahr. Erst anschliessend läge der Ball beim Parlament. Immerhin: Aktuelle Umfragewerte aus der Bevölkerung zeigen eine hohe Zustimmung für die Initiative, und auch im Nationalrat trifft sie parteiübergreifend auf Sympathie (siehe Statements der neu gewählten Nationalrätinnen und -räte unten). Da geht also vielleicht etwas.

Ja zu einem Rahmenabkommen, Nein zur «Kündigungsinitiative»
Unterstützung weit über die Beherbergungsbranche hinaus geniesst ein weiteres zentrales Anliegen des Tourismus: die guten Beziehungen zur EU. Verbände unterschiedlicher Couleur sehen diese gleich durch zwei bevorstehende Geschäfte bedroht: Einerseits durch ein Scheitern des Rahmenabkommens, andererseits durch die Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung» der SVP. Was die Initiative betrifft, sind die Fronten verhärtet. Das widerspiegelt sich nicht zuletzt in der Wortwahl der Kritiker: «Die wirtschaftlich schädliche ‹Kündigungsinitiative› ist klar abzulehnen. Angesichts des grossen Fachkräftemangels ist die Beherbergungsbranche auf den Zugang an europäischen Fachkräften dringend angewiesen», sagt etwa der Waadtländer Hotelier Pierre-André Michoud. Auch beim Schweizer Tourismus-Verband (STV), dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) und beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ist man auf die Initiative schlecht zu sprechen. Gastrosuisse fürchtet im Falle einer Annahme um den bilateralen Weg. Ebenso die Seilbahnen: «Aufgrund der Guillotineklausel besteht die grosse Gefahr, dass durch eine Annahme der Kündigungsinitiative auch die übrigen bilateralen Verträge mit der EU dahinfallen», erklärt Nico Lalli von Seilbahnen Schweiz. Ein Wegfallen der bilateralen Verträge hätte vielfältige negative Auswirkungen für den Schweizer Tourismus und die Seil- und Bergbahnen, so der Dossierverantwortliche. «Ohne Schengenabkommen und Personenfreizügigkeit gibt es zwischen der Schweiz und den europäischen Ländern wieder Grenzkontrollen und Wartezeiten. Die Schweiz verliert an Attraktivität für europäische Touristen.» Aber auch ausländische Gäste aus Drittländern brauchten für die Einreise in die Schweiz ohne Schengenabkommen ein zusätzliches Visum. «Es besteht die Gefahr, dass Reisende diesen Zusatzaufwand nicht mehr auf sich nehmen und die Schweiz auf ihrer Europareise nicht mehr besuchen», führt Lalli aus.

Hinsichtlich des Rahmenabkommens fürchtet Economiesuisse eine «schleichende Erosion der bilateralen Abkommen. Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) fordert: «Die bilateralen Verträge mit der EU sind – unter Wahrung des in den flankierenden Massnahmen geregelten Arbeitnehmerschutzes – zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Europapolitik muss sich auf ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU abstützen.»

Die Begrenzungsinitiative dürfte am 17. Mai der Schweizer Stimmbevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden. Beim Rahmenabkommen muss der Bundesrat mit der Europäischen Union zuerst Nachverhandlungen starten und dem Vertrag anschliessend zustimmen. Danach ist das Parlament am Zug. Stimmt es dem Abkommen zu, wird auch hier das Volk das letzte Wort haben. Der endgültige Entscheid werde aus heutiger Sicht wohl erst im Jahr 2021 fallen, glaubt man beim Branchenverband HotellerieSuisse.

Ringen um einen allgemein­verbindlichen L-GAV
Auf Verbündete darf die Beherbergungsbranche auch bei der Regulierung des Arbeitsmarkts hoffen. Zwar erlitt die Motion Baumann «Stärkung der Sozialpartnerschaft bei allgemeinverbindlich erklärten Landes-Gesamtarbeitsverträgen» im Dezem-ber im Ständerat Schiffbruch. Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern werden 2020 trotzdem weitergehen. Seitens Gastrosuisse heisst es dazu: «Wir werden zusammen mit den Allianzpartnern das weitere Vorgehen besprechen. Gastrosuisse wird sich auch im 2020 für eine Stärkung der Sozialpartnerschaft einsetzen.» Der Luzerner Hotelier und Mitglied der Verbandsleitung von HotellerieSuisse, Patrick Hauser, sagt: «Zur Stärkung der Sozialpartnerschaft als bedeutende Errungenschaft sollten L-GAV-Regelungen kantonalen Bestimmungen vorgehen.»

Nachbesserungen sind im neuen Jahr auch bei der bei Unternehmen unbeliebten Stellenmeldepflicht zu erwarten. So soll unter anderem die fünftägige Publikationssperrfrist für Stellenausschreibungen früher enden, wenn keine passenden Dossiers von Stellensuchenden vorhanden sind. Eine entsprechende Motion soll vom Parlament – sobald traktandiert – an den Bundesrat überwiesen werden, fordert HotellerieSuisse.


Zwei Fragen, sechs Köpfe: Was denken die Neuen im Nationalrat zur Fair-Preis- und Begrenzungsinitiative?

1. Bis im Juni 2020 muss das Parlament eine Abstimmungsempfehlung zur Volksinitiative «Stop der Hochpreisinsel – für faire Preise» beschliessen. Dürfen die Initianten auf Ihre Unterstützung zählen?

2. Die Begrenzungsinitiative (Kritiker: «Kündigungsinitiative») kommt voraussichtlich am 17. Mai zur Abstimmung vor das Volk. Wie schätzen Sie die Bedeutung der bilateralen Verträge für die Tourismusbranche ein?

1. Ich habe noch keine abschliessende Meinung zur Initiative. Bisher waren die Grünen eher dagegen, aber ich habe eine etwas andere Meinung, und ich denke, wir müssen das noch einmal diskutieren. Die Preise der offiziellen Importeure sind oft viel zu hoch, während die Tourismusbetriebe im Vergleich zum nahen Ausland bereits hohe Produktionskosten haben. [IMG 2]

2. Diese Initiative muss eindeutig abgelehnt werden. Die Aufrechterhaltung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union ist für die Schweizer Tourismusbranche sehr wichtig. Ohne die Personenfreizügigkeit würde der Schweizer Tourismus einfach nicht genügend Arbeitskräfte finden, um funktionieren zu können.


1. Ich unterstütze die Initiative. Es geht nicht an, dass Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz für identische Produkte mehr zahlen als im Ausland. Dieser «Schweiz-Zuschlag» ist unsozial. Gerade als Vertreterin eines Bergkantons weiss ich, wie wichtig faire Preise für den Tourismus sind. Die heutige Situation ist ein Wettbewerbsnachteil für unseren Tourismus. [IMG 3]

2. Es ist im ureigensten Interesse der Schweiz, mit der EU enge Beziehungen zu unterhalten. Für den Tourismus gilt das noch mehr, da diese für das Berggebiet zentrale Branche auf die offene Schweiz angewiesen ist. Die «Kündigungsinitiative» will nun genau dieses Geschäftsmodell angreifen: gegen die offene und soziale Schweiz. Dazu sage ich Nein.


1. Es braucht die gute Balance zwischen der Entfaltung des freien Markts und der Durchsetzung von rechtlichen Rahmenbedingungen. Wir Grünliberale setzen uns für ein griffiges Wettbewerbs- und Kartellrecht ein. Der Schweizer Markt darf nicht zulasten der KMU und der Konsumentinnen und Konsumenten abgeschottet werden. [IMG 4]

2. Der bilaterale Weg und die starke Verknüpfung mit dem Ausland sind eine Erfolgsgeschichte für die Schweiz in verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen, auch für den Tourismus. Die «Kündigungsinitiative» will das Ende der bilateralen Verträge, was wir Grünliberale klar ablehnen. Die resultierende Rechtsunsicherheit belastet sämtliche Sektoren.


1. Die Absicht, dass Schweizer Unternehmen Produkte von internationalen Konzernen bei deren Schweizer Ablegern nicht mehr zu überhöhten Preisen einkaufen müssen, unterstütze ich voll und ganz. In der Vergangenheit gingen durch «Schweiz-Zuschläge» auch im Tourismus Arbeitsplätze verloren. Das muss verhindert werden – die Initiative unterstütze ich deshalb. [IMG 5]

2. Der Schweizer Tourismus profitiert unter dem Strich von den bilateralen Verträgen sowie der Personenfreizügigkeit. Der Fachkräftemangel ist im Touris-mus eine grosse Herausforderung und würde bei einem Ja noch weiter verschärft. Auch wenn der Tourismus nicht der am meisten betroffene Bereich der Bilateralen ist, haben die Verträge eine grosse Bedeutung.


1. Eine Unterstützung der Initiative kommt für mich nicht infrage, da sie mehr Probleme schafft als löst. Abgesehen davon, dass eine grenzüberschreitende Preispolitik kaum umsetzbar ist, führt die unklare Definition von relativer Marktmacht zu Rechtsunsicherheit. Zudem ist die vorgeschlagene Beweislastumkehr bei Preis-differenzen ein schwerer Eingriff in den freien Wettbewerb. [IMG 6]

2. Die «Kündigungsinitiative» führt zu einer politischen und wirtschaftlichen Abschottung der Schweiz. Diesen erneuten Angriff auf den stark vernetzten Werk- und Forschungsplatz Schweiz müssen wir abwehren! Insbesondere, weil die Fortführung des bilateralen Wegs mit der Europäischen Union für die Beherbergungs-und Tourismusbranche wichtig ist.


1. Staatliche Eingriffe und zentralistische Preiskontrollen führen nicht zwingend zu tieferen Einstands- oder Verkaufspreisen. Wo der Staat eingreift, wird es erfahrungsgemäss bürokratischer und komplizierter. Tiefere Preise sind über Wettbewerbs- und Wirtschaftsfreiheit zu erzielen, nicht über Regulierungen und Zwänge. Im Gegenteil, solche sind massiv zu reduzieren. [IMG 7]

2. Zuwanderung ist wichtig. Aber bitte massvoll und klug dosiert. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir sie selber steuern. Auch der Tourismus würde davon profitieren. Die negativen Folgen unbegrenzter Zuwanderung haben sich in den letzten Jahren massiv akzentuiert: Sozialwerke in Not, Lohndruck, überlastete Infrastruktur, Zubetonierung der Schweiz, Integrationsprobleme.