Die Initiative bewirtschafte ein Scheinproblem auf, ignoriere bestehende Regeln und schüre gesellschaftliche Spannungen. Es brauche keine staatlichen Kleidervorschriften. Solche Vorschriften hätten in der Verfassung nichts verloren, machte das parlamentarische Komitee «Nein zu staatlichen Kleidervorschriften» am Dienstag vor den Medien geltend. Sie seien ein Eingriff in die persönliche Freiheit und würden der liberalen Gesellschaftsordnung widersprechen.

Die Initiative ziele «in Wahrheit» direkt auf Menschen islamischen Glaubens. Statt zum Zusammenleben beizutragen, spalte sie die Gesellschaft. Zielführend sei das Volksbegehren ebenfalls nicht, da sie kein reales Problem löse.

In der Schweiz gibt es gemäss den Gegnern und Studien keine Burka-Trägerinnen, also Frauen mit einem Sichtgitter im Schleier. Nikab-Trägerinnen gibt es 20 bis 30. Diese sind im Westen sozialisiert, überdurchschnittlich gebildet und tragen den Schleier ohne Sichtgitter aus eigener Überzeugung. Keineswegs stellten sie eine «Speerspitze des Islam» dar. Die Zahl ist in den letzten Jahren konstant.

Populistische Initiative
Von den 8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz bekennen sich etwa 400'000 zum Islam. Keiner wirklich unterdrückten Frau wäre durch die Initiative geholfen. Das sei auch den Befürwortern klar; sie wollten einzig Ängste schüren und daraus politisches Kapital schlagen. Die Initiative sei populistisch, teilte das Komitee mit. 

Grundsätzlich geht es den Staat nichts an, wie sich jemand kleidet. Auch wenn das einige störe, müsse doch der Grundsatz «Leben und Lebenlassen» gelten. Zudem würde sogar Halloween verboten, da dieser Anlass kein «einheimisches Brauchtum» sei. Brauchtum ist nach dem Willen der Initianten von dem Verbot ausgenommen. Aber auch den verkleideten Werbemaskottchen würde es an den Kragen gehen. [RELATED]

Initiative als Touristenschreck
Ohnehin existieren bereits griffige Regeln. So fällt etwa der Zwang zum Tragen einer Burka oder eines Nikab unter den Tatbestand der Nötigung. An Flughäfen, auf Behörden und ähnlichen Einrichtungen besteht eine Identifikationspflicht. Im weiteren regle der indirekte Gegenvorschlag Problemfälle. Auch das Sicherheitsargument lassen die Gegner nicht gelten.

Die anvisierten vollverschleierten Frauen sind ausschliesslich Touristinnen, wie das Komitee weiter festhält. Die zahlungskräftigen und wichtige Gästen aus den Golfstaaten fernzuhalten, wäre kontraproduktiv für die Erholung des von der Covid-19-Pandemie gebeutelten Tourismussektors.

Dem Komitee gehören Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller Couleur an. Als Co-Präsident fungiert unter anderen der ehemalige SVP-Nationalrat Claudio Zanetti (ZH).

Bundesrat und Parlament empfehlen, das Volksbegehren am 7. März an der Urne abzulehnen. Sie legen jedoch einen indirekten Gegenvorschlag vor. Wer sich in der Schweiz vor Behörden oder im öffentlichen Verkehr identifizieren muss, soll demnach gesetzlich verpflichtet sein, das Gesicht zu zeigen. Damit soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden. (sda og)