Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» verlangt, dass schweizweit niemand sein Gesicht verhüllen darf. Das Verbot würde an allen Orten gelten, die öffentlich zugänglich sind - so zum Beispiel auf den Strassen, in Restaurants oder im Museum.

«Eine unnötige Initiative»
Dem Bundesrat geht solch ein Verhüllungsverbot zu weit. Die Initiative sei unnötig, sagte Keller-Sutter am Dienstag vor den Bundeshausmedien. Es gebe in der Schweiz nur wenige Frauen, die ihr Gesicht ganz verhüllen würden. Eine Studie der Universität Luzern komme zum Schluss, dass in der Schweiz 20 bis 30 Frauen einen Niqab tragen würden. «Eine Burka sehen wir eigentlich nie. Es gibt also keinen Grund, die Bundesverfassung zu ändern.»

Ein Verhüllungsverbot sorge auch nicht für eine bessere Integration, zeigte sich Keller-Sutter überzeugt. Bei den verschleierten Frauen handle es sich meistens um Touristinnen, die sich nicht integrieren müssten.

Anders als die Initianten geht der Bundesrat auch nicht davon aus, dass sich die Sicherheit mit einem Verhüllungsverbot erhöhen würde.
Gegen den Terrorismus brauche es andere Massnahmen. Auch das viel zitierte Argument, ein Verhüllungsverbot würde die Stellung der Frauen stärken, lehnt der Bundesrat ab. Ein Kleiderverbot sei der falsche Weg. Die Untersuchung der Universität Luzern zeige auch, dass Frauen, die in der Schweiz einen Niqab tragen, dies meist freiwillig tun würden.

Werde eine Frau gezwungen, einen Niqab zu tragen, könne sie sich schon heute mit einer Anzeige wegen Nötigung wehren. «Radikalisierung erfolgt nicht über den Gesichtsschleier», erklärte Keller-Sutter. Es gebe konvertierte Schweizerinnen, die einen Schleier tragen. Aber das seien, wie die Studie zeige, sehr wenige.

Kantone entscheiden über Verhüllung
Zudem liege die Frage, welche Gesichtsverhüllungen in welchen Situationen erlaubt oder verboten sind, in der Kompetenz der Kantone. Dies sei auch richtig so, weil die Kantone die Bedürfnisse der Bevölkerung am besten kennen würden, sagte Keller-Sutter. Auch die Bedürfnisse der Tourismusregionen könnten so berücksichtigt werden.

Die Initiative sieht zwar Ausnahmen für einen Schal gegen Kälte oder den Motorradhelm vor, nicht aber für Touristinnen. «Gerade Kantonen, die viele Touristinnen aus arabischen Staaten haben, könnte dies finanziell schaden», meinte die Justizministerin. Heute kennen einzig die Kantone Tessin und St. Gallen ein Verhüllungsverbot. In 15 Kantonen gibt es ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen. Neun Kantone haben keine Regeln zur Verhüllung.

Mit Gegenvorschlag Gesetzeslücke schliessen
Keller-Sutter räumte aber ein, dass die Gesichtsverhüllung in Einzelfällen zu Problemen führen kann. Der Bundesrat unterstützt deshalb einen indirekten Gegenvorschlag, der in Kraft tritt, falls die Volksinitiative abgelehnt wird. Der Gegenvorschlag verlangt, dass Personen gegenüber den Behörden ihr Gesicht zeigen müssen, wenn es zur Identifizierung notwendig ist – beispielsweise bei Ämtern oder im öffentlichen Verkehr.

Wer sich weigert, soll mit eine Busse bestraft werden. In der Praxis werde sich dieses Gesetz vor allem so auswirken, dass Personen, die ihr Gesicht nicht zeigen, bestimmte Leistungen nicht erhalten, erklärte die Justizministerin. Wenn zum Beispiel ein GA gelöst werden wolle.

Mit diesem Gegenvorschlag werde eine Lücke im Bundesrecht geschlossen und die Sicherheit gezielt verbessert. Ausserdem sieht der Gegenvorschlag vor, dass mit einem Programm die Rechte der Frauen gefördert werden.

Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» wurde im September 2017 vom sogenannten Egerkinger Komitee eingereicht. Das Komitee hatte bereits die Anti-Minarett-Initiative lanciert und durchgebracht. Volk und Stände stimmen am 7. März über die sogenannte Burka-Initiative ab.

Hoteliers für eine offene und gastfreundliche Schweiz
Getragen wir die Meinung des Bundesrates auch in der Beherbergungsbranche. Der Branchverband HotellerieSuisse macht sich für den Gegenvorschlag stark und lehnt die Volksinitiative klar ab. Der indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates, wird dem Bild einer offenen und gastfreundlichen Schweiz gerecht, schreibt der Verband in seinen «Politische Schlüsselthemen 2021».

Als Gastland müsse die Schweiz anderen Kulturen aufgeschlossen begegnen, argumentieren die Hoteliers. In der Rolle des Gastgebers würde die Beherbergung seine Gäste nicht nach Merkmalen wie Geschlecht, Religion, Behinderungen, Alter, sexuelle Ausrichtung oder ethnischer Herkunft beurteilen, so der Verband  (sda/htr/npa)