Per Notrecht hatte er im März ein Betreibungsverbot verhängt und die Gerichtsferien in Zivil- und Verwaltungsverfahren um zwei Wochen vorgezogen. «Die Verschnaufpause für die Justiz wurde gut genutzt», sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter am Donnerstag vor den Bundeshausmedien. Viele Justizbehörden hätten in der Zeit Lösungen gefunden, um den Betrieb weiterzuführen. «Das ist für den Rechtsstaat in einer Krise zentral.»

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat entschieden, die Massnahmen nicht zu verlängern. Diese laufen am 19. April aus. «Es ist zentral, dass der Rechtsstaat weiter funktioniert, auch in der Krise», sagte Keller-Sutter. Auch Forderungen sollten wieder durchgesetzt werden können, sonst sinke die Zahlungsmoral. Das bringe das Wirtschaftssystem ins Stocken, erklärte die Justizministerin mit Verweis auf ungute Erfahrungen im Jahr 1914.

Kein Schuldenerlass
Der Bundesrat will die Unternehmen in der Krise trotzdem nicht ganz sich selber respektive ihren Gläubigern überlassen. Die flächendeckenden Massnahmen sollen aber durch gezielte Erleichterungen abgelöst werden, um volkswirtschaftliche Schäden aufgrund der Coronavirus-Pandemie zu vermeiden. «Ziel des Bundesrats ist es, Konkurse und Entlassungen so weit als möglich zu vermeiden», sagte Keller-Sutter.

Ein Schuldenerlass ist nicht vorgesehen. Um coronabedingte Konkurse zu vermeiden, plant der Bundesrat vielmehr, das Kapitalschutz- sowie das Sanierungs- und Stundungsrecht anzupassen. Die jüngsten Wirtschaftsprognosen des Bundes haben gezeigt, dass eine Konkurswelle die Konjunktur gemäss den jüngsten Prognosen nachhaltig beeinträchtigen und eine Erholung der Wirtschaft stark verzögern würde.

Positives Echo
Der Bundesrat hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, bis nächste Woche geeignete Massnahmen vorzuschlagen. Die Eckwerte wurden bereits in eine Blitz-Anhörung geschickt und sind auf positives Echo gestossen.

Geprüft wird unter anderem eine vorübergehende Regelung, wonach Unternehmen bei drohender coronabedingter Überschuldung mit der Konkursanmeldung zuwarten können. Heute muss der Verwaltungsrat eine drohende Überschuldung sofort dem Richter melden.

Das führe in der Regel zum sofortigen Konkurs, weil zu Liquidationswerten bilanziert werden müsse, sagte Keller-Sutter.
«Die Unternehmen sollen Zeit haben, sich zu reorganisieren.» Voraussetzung ist, dass das Unternehmen per Ende 2019 eine gesunde Bilanz aufwies und Aussicht besteht, dass die Überschuldung nach der Krise behoben werden kann.

Covid-19-Stundung
Spielraum sieht der Bundesrat auch bei den Nachlassverfahren. Diese dienen grösseren Unternehmen dazu, Lösungen mit ihren Gläubigern zu finden. Das aufwendige Verfahren soll nun auf die Bedürfnisse von KMU zugeschnitten werden. Konkrete Massnahmen nannte Keller-Sutter noch nicht.

Für kleinere Unternehmen, die allein wegen der Corona-Pandemie in finanzielle Nöte geraten sind, will der Bundesrat zudem eine befristete Stundung einführen. Die sogenannte Covid-19-Stundung soll ausreichend unbürokratisch gehandhabt werden, dass sie tauglich für ein Massenverfahren ist.

Die Massnahme soll auch weniger weit gehen als die ordentliche Nachlassstundung: Prozesse sollen nicht sistiert werden, Lohn- und Unterhaltsforderungen sind weiterhin geschuldet. Um Missbrauch zu verhindern, soll die Covid-19-Stundung publiziert werden.

Keine Notstundung
Weil er die flächendeckenden Massnahmen nicht weiterführen will, verzichtet der Bundesrat darauf, die Notstundung zur Anwendung zu bringen. Diese ist im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht vorgesehen für «ausserordentliche Verhältnisse, insbesondere im Falle einer andauernden wirtschaftlichen Krise». Sie würde den Schuldnern die Möglichkeit geben, eine Stundung von bis zu sechs Monaten zu verlangen.

Für Zivilverfahren werden zur Entlastung der Gerichte vorübergehende Spezialregelungen geprüft. Von den Gerichten wurde angeregt, den Einsatz von Video- oder Telefonkonferenzen zu ermöglichen, wie dies in Verwaltungsverfahren bereits möglich ist. (sda)