Den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates nahm der Nationalrat am Donnerstag mit 104 zu 67 Stimmen bei 21 Enthaltungen an. Die Nein-Stimmen kamen von den Grünen und Mitgliedern der SVP-Fraktion, die Enthaltungen fast durchwegs aus der SVP. Mit 99 zu 89 Stimmen und bei vier Enthaltungen beschloss der Rat seine Stimmempfehlung: ein Ja zum Gegenvorschlag, ein Nein zur Initiative.

Gegen Verbot von fossilen Energieträgern
Die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» verlangt eine klimaneutrale Schweiz ab 2050. Ab 2050 sollen auch keine fossilen Brenn- und Treibstoffe wie Öl, Gas, Benzin, Diesel und Kohle mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn keine andere technische Variante zur Verfügung steht.

Grüne, SP und GLP stellten sich hinter das Volksbegehren. Die GLP wolle mit der Initiative ein Pfand in der Hand behalten und sie unterstützen, bis ein Gegenvorschlag vorliege, der diesen Namen verdiene, sagte Sprecher Martin Bäumle (ZH).

Mitte, FDP, aber ebenso SP und GLP unterstützten den weniger scharf formulierten direkten Gegenvorschlag des Bundesrates. Peter Schilliger (FDP/LU) forderte, auf die Innovationskraft der Schweiz zu bauen und auf Verbote zu verzichten. Anders die Grünen: Ihnen geht dieser Vorschlag zu wenig weit.

Zwar will auch die Regierung das «Netto Null-Ziel 2050» in die Verfassung schreiben. Fossile Brenn- und Treibstoffe will sie dabei aber nicht verbieten, sondern den Verbrauch vermindern, soweit dies technisch machbar, für die Wirtschaft tragbar und mit der Sicherheit des Landes vereinbar ist.

SVP-Vertreterinnen und -Vertreter äusserten sich gegen die Initiative – sie wecke die Illusion, dass Gletscher gerettet werden könnten – und den Gegenvorschlag. «Sie alle nutzen fossile Energiequellen», sagte Albert Rösti (SVP/BE) zum Kollegium. Wolle man aus den «Fossilen» aussteigen, brauche es zuerst Alternativen.

Gegenvorschlag angepasst
Den vom Bundesrat verfassten Gegenvorschlag passte der Nationalrat in mehreren Punkten an. Umstritten war zunächst, ob ein linearer Absenkpfad für Treibhausgasemissionen vorgegeben werden soll. So beantragte es der Bundesrat. Der Mehrheit der Umweltkommission (Urek-N) war dies aber zu wenig differenziert. Sie wollte das Wort «linear» streichen mit Blick auf die technische Entwicklung und unterschiedliche Voraussetzungen einzelner Branchen. Eine Minderheit hätte zunächst vorgehen wollen wie der Bundesrat.

Sie zog aber ihren Antrag zurück zugunsten einer von Marco Romano (Mitte/TI) vorgeschlagenen verbindlicheren Formulierung mit Zwischenzielen und einer «über die Zeit gleichmässigen Reduktion der Emissionen». Der Rat stimmte Romano fast einhellig zu.

Eine zweite Minderheit hätte «Netto Null» bereits 2040 und spätestens 2050 erreichen wollen. Die Zahl 2040 statt 2050 zu setzen, sei nicht kosmetisch, sondern dringend nötig, sagte Sprecherin Delphine Klopfenstein Broggini (Grüne/GE) dazu. Die Minderheit unterlag jedoch.

Erfolg hatte weiter ein Antrag von Jon Pult (SP/GR), der für die Berggebiete spezifische Hilfe bei der Dekarbonisierung forderte. Auf die Berg- und Randregionen Rücksicht nehmen will indes auch der direkte Gegenvorschlag des Bundesrates.

Roger Nordmann (SP/VD) hätte spätestens sechs Monate nach einem Ja zum Verfassungsartikel ein Programm für den Ersatz von Gas-, Öl- und Elektrowiderstand-Heizungen gewollt. 500 Millionen Franken pro Jahr hätten zur Verfügung stehen und das Programm über sieben Jahre laufen sollen. Sein Antrag wurde knapp abgelehnt.

Unbekannte im Raum
Etliche Ratsmitglieder bekannten indes, aus taktischen Gründen für die vom Bundesrat beantragten Verfassungsbestimmungen zu stimmen. Sie wollten damit Zeit gewinnen für einen indirekten Gegenvorschlag. An einem solchen arbeitet zurzeit die Umweltkommission des Nationalrates (Urek-N), und er war sozusagen die Unbekannte im Raum.

Auf dem Gesetzesweg will die Urek-N rascher zum «Netto Null»-Ziel kommen als mit dem Umweg über die Verfassung. Dazu äussern kann sich der Rat allerdings erst im Sommer 2022. Stillschweigend verlängerte er auf Antrag der Urek-N die Behandlungsfrist für die Initiative bis Anfang August 2023.

Das Parlament wolle lieber einen indirekten Gegenvorschlag, stellte Umweltministerin Simonetta Sommaruga am Schluss der Debatte fest. Der Bundesrat könne sich anschliessen, denn es sei wichtig, Ziele und Massnahmen für deren Erreichung festzulegen. «Ob Gesetz oder Verfassung – wichtig ist, dass wir es tun», sagte Sommaruga.

Die Vorlage geht an den Ständerat. (sda/nde)