Gemessen an den politischen Opfern, die dafür zu erbringen waren, ist die Einigkeit gross. Die Gesamtabstimmung fiel mit 114 zu 68 Stimmen bei 13 Enthaltungen aus. Der Zuschuss für die AHV war zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Die Vorlage ist nahezu bereinigt.

Einzig bei der Einschränkung des Kapitaleinlageprinzips und beim Gemeindeartikel verbleiben Differenzen zum Ständerat.

Der Schulterschluss von SP, FDP und CVP hat auch im Nationalrat gehalten. Die drei Fraktionen haben das Paket so eng geschnürt, dass für Einzelinteressen und Sonderanliegen kein Spielraum blieb. Bei einem Kompromiss gehe es nicht darum, die eigenen Interessen durchzuboxen, begründete FDP-Chefin Petra Gössi (SZ) ihre Entschlossenheit.

hotelleriesuisse und Parahotellerie Schweiz empfehlen, auf sachfremde Elemente weitgehend zu verzichten und die Lohnbeitragssätze nicht zu erhöhen.

hotelleriesuisse und Parahotellerie Schweiz: Annahme ja - aber...
hotelleriesuisse und Parahotellerie Schweiz unterstützen im Grundsatz die Steuerreform, weil sie aus gesamtwirtschaftlicher Sicht und für den Standort Schweiz von hoher Bedeutung ist. Der vom Ständerat ausgestalteten sozialen Kompensation stehen die beiden Verbände hingegen kritisch gegenüber. Der Einbezug der AHV-Finanzierung sei sachfremd und noch keinesfalls Garant für die Mehrheitsfähigkeit der Vorlage, wird argumentiert. Angesichts der knappen Zeit und der Wichtigkeit des Geschäfts empfehlen die Verbände aber, auf die Vorlage einzutreten - dabei jedoch die Belastungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu minimieren. Für die Hotellerie als personalintensive Branche, deren Erträge weit hinter denjenigen anderer Wirtschaftszweige zurückliegen, würden 0,3 Lohnprozente stark ins Gewicht fallen. Zudem würde der Spielraum für anstehende Vorsorgerevisionen (AHV, BVG) stark eingeengt und der Anreiz für nachhaltige und leistungsseitige Reformen geschwächt, halten die Verbände bei ihrer Empfehlung fest. Ausserdem befürchten die Verbände insbesondere im BVG-Bereich weitere schmerzliche Lohnkostenerhöhungen, weshalb in der SV 17 auf die Erhöhung der Lohnbeiträge verzichtet werden sollte. Die Kompensationsmassnahmen seien auf eine – im Vergleich zum Ständerat höhere –  Steigerung des AHV-Bundesbeitrages zu beschränken. Die Verbände raten von einer Teilung der Vorlage dringend ab. 

Unternehmen verunsichert
Im Zentrum der Steuervorlage steht die Abschaffung kantonaler Steuerprivilegien für internationale Unternehmen. Zu diesem Schritt ist die Schweiz unter Druck des Auslands gezwungen. Ein erster Anlauf ist im Februar 2017 beim Urnengang über die Unternehmenssteuerreform III gescheitert.

Die Schweiz droht auf einer schwarzen Liste zu landen. Das verunsichert viele Unternehmen. Diese leisteten einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand der Schweiz, rief Finanzminister Ueli Maurer dem Nationalrat in Erinnerung. Die Steuervorlage 17 würde für Rechtssicherheit sorgen.

Neue Vergünstigungen
Sie soll jene Unternehmen in der Schweiz halten, die ihre Privilegien verlieren und mit Steuererhöhungen rechnen müssen. Auf diese warten neuen Vergünstigen –  international akzeptiert diesmal, weil alle Unternehmen gleichermassen profitieren. Unter anderem erhalten die Kantone rund eine Milliarde Franken zusätzlich aus der Bundeskasse. Das ermöglicht ihnen, generell die Gewinnsteuern für Unternehmen zu senken.

In der Patentbox können Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten ermässigt versteuert werden. Für Forschung und Entwicklung im Inland dürfen Unternehmen hohe Steuerabzüge machen. Auch bei der Auflösung stiller Reserven können sie Steuern sparen. Auf der anderen Seite gibt es künftig eine einheitliche Mindestbesteuerung für Dividenden. Diese beläuft sich bei den Kantonen auf 50 Prozent, Der Bund erhebt 70 Prozent.

Sozialer Ausgleich
Soweit gleicht die Steuervorlage 17 der gescheiterten Unternehmenssteuerreform III. Nach der Abstimmung war den Verlierern jedoch klar, dass ein neuer Anlauf einen sozialen Ausgleich enthalten muss. Der Bundesrat schlug vor, die Familienzulagen zu erhöhen. Damit überzeugte er nicht, weil davon nur ein kleiner Teil der Bevölkerung profitiert hätte.

Stattdessen schlossen SP, CVP und FDP im Ständerat den AHV-Steuerdeal: Für jeden Franken, der der öffentlichen Hand wegen der Steuervorlage entgeht, soll ein Franken in die AHV fliessen. Es handelt sich um schätzungsweise zwei Milliarden Franken.

Das Konzept war im Nationalrat umstritten. SVP, GLP und BDP versuchten, die AHV-Zusatzfinanzierung aus der Vorlage zu kippen.
Sie hatten demokratiepolitische Bedenken. «Hier soll zusammenwachsen, was nicht zusammen gehört», kritisierte der Zürcher SVP-Vertreter Thomas Matter. Thomas Weibel (GLP/ZH) sprach gar von Erpressung der Stimmberechtigten.

Felsenfester Mitte-Links-Block
Die Grünen sorgten sich ebenfalls um die unverfälschte Meinungsbildung. Sie verlangten, zu AHV-Finanzierung und Steuervorlage wenigstens separate Abstimmungsfragen zu stellen. Der Mitte-Links-Block blieb jedoch unverrückbar.

An ihm brach auch die Antragsflut von links und rechts: Das Frauenrentenalter sollte angehoben, Entwicklungshilfeausgaben gesenkt oder die Patentbox eingeschränkt werden – abgelehnt. Die SVP kämpfte gegen neue Vorschriften bei der Dividendenbesteuerung. Sie musste zur Kenntnis nehmen, dass sie dabei nicht einmal von der FDP unterstützt wurde.

[IMG 2]Als weiteres Entgegenkommen an die Abstimmungssieger hatte der Ständerat gewisse Zugeständnisse beim Kapitaleinlageprinzip beschlossen. Dieses war mit der Unternehmenssteuerreform II eingeführt worden und erlaubt den Unternehmen, Milliarden steuerfrei an die Aktionäre auszuzahlen.

Börsenkotierte Unternehmen dürfen das künftig nur noch in dem Umfang tun, in dem sie auch steuerbare Dividenden auszahlen. Der Ständerat sieht gewisse Ausnahmen von dieser Regel vor, der Nationalrat hat weitere beschlossen.

Enger Zeitplan
Daneben bleibt nur eine weitere Differenz. Auf Antrag von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) beschloss der Nationalrat, dass die Kantone die Auswirkungen der Steuerreform auf die Gemeinden nicht nur berücksichtigen, sondern auch abgelten müssen. Viele Gemeinden hatten sich dem Widerstand gegen die Unternehmenssteuerreform III angeschlossen, weil sie dabei völlig übergangen worden waren.

Die Steuervorlage geht nun zurück an den Ständerat. Dieser berät am nächsten Montag darüber. Bis Ende der Session soll die Vorlage unter Dach und Fach gebracht werden. (sda)