Von vielen Menschen werde die Rückkehr des Wolfes in die Alpen und Voralpen mit Interesse und mit Sympathie verfolgt, sagte Engler. Im Gegensatz dazu stehe die Situation jener, die durch die Entwicklung geschädigt würden oder gar in ihrer Existenz bedroht seien.

Heute darf ein Wolf mit einer Ausnahmebewilligung abgeschossen werden, wenn er Schafe reisst, grosse Schäden beim Wild anrichtet oder Menschen erheblich gefährdet. «Ohne tote Schafe kann man Wölfe nicht schiessen», formulierte es Umweltministerin Doris Leuthard etwas salopp. Nach Ansicht des Ständerats ist dieses Konzept wegen der wachsenden Wolfspopulation überholt.

Erstes Rudel
Tatsächlich hat das Raubtier in den vergangenen Jahren in der Schweiz wieder Fuss gefasst. Die ersten Wölfe waren 1995 aus Italien eingewandert. Gemäss der Schweizer Raubtierforschungsstelle KORA leben derzeit 15 bis 20 Wölfe in der Schweiz. Im Kanton Graubünden brachte ein Wolfspaar 2012 und 2013 Junge zur Welt. Im November 2013 wurde auf St. Galler Kantonsgebiet erstmals ein Rudel beobachtet.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung verlangte Engler, neue Prioritäten zu setzen. Statt wie bisher den Schutz des Wolfes und der Artenvielfalt in den Vordergrund zu stellen, sollen die Interessen der Landwirtschaft, der Jagd, der öffentlichen Sicherheit und des Tourismus gleich hoch gewichtet werden.

Kontingent für Wölfe
Mit einer «abgeflachten Wachstumskurve» könne die Akzeptanz des Wolfes bei der einheimischen Bevölkerung verbessert werden, sagte Engler. Gemäss seinem Vorschlag könnte für ein bestimmtes Gebiet eine maximal tolerierbare Anzahl Wölfe festgelegt werden. Stimmt auch der Nationalrat zu, muss der Bundesrat auf dieser Basis einen Entwurf für ein neues Wolfsmanagement ausarbeiten.

Bei den betroffenen Organisationen ist der Konsens bereits weit gediehen: Schafzüchter, Jäger und Naturschützer haben sich vor zwei Jahren auf eine Lösung geeinigt. Schafzüchter und Jäger akzeptierten die Rückkehr von Wolf, Luchs und Bär, die Umweltorganisationen gaben im Gegenzug ihren grundsätzlichen Widerstand gegen die Regulation der Bestände auf.

Damit erklärten sie sich einverstanden, dass Grossraubtiere unter gewissen Bedingungen bejagt werden können. Die politische Diskussion dürfte sich darum im Wesentlichen um die Frage drehen, wie gross die Wolfspopulation in einem Gebiet sein darf.

Wolfskonzept sistiert
Der Bundesrat will den Auftrag des Ständerats entgegennehmen. Leuthard erklärte sich zudem bereit, die Arbeiten am neuen Wolfskonzept vorerst zu sistieren. «Wir haben nicht vor, das jahrelang vor uns herzuschieben», sagte sie.

Leuthard rief auch in Erinnerung, dass die Regulierung der Wolfsbestände nach Ansicht des Bundesrats vereinbar wäre mit der Berner Konvention über den Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen. Dies hatten Abklärungen des Bundesrats beim zuständigen Ausschuss der Konvention ergeben. (sda/npa)