Der Nationalrat ist auf die Vorschläge des Bundesrats stillschweigend eingetreten. Ob er weiter gehen will als der Bundesrat, wird die Detailberatung zeigen. In der grossen Kammer herrschte in einer Frage Einigkeit: Es war richtig, dass die ab 2002 schrittweise vollzogene Öffnung des Schweizer Arbeitsmarkts gegenüber der EU mit flankierenden Massnahmen abgefedert wurde. Nur so sei es möglich, das damals abgegebene Versprechen einzulösen, dass einen Schweizer Lohn erhalten soll, wer in der Schweiz arbeitet, sagte Corrado Pardini (SP/BE) im Namen der vorberatenden Wirtschaftskommission.

Lücken schliessen
Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten aber gezeigt, dass es bei diesem Sicherheitsnetz noch Lücken gebe, sagte Pardini. So drängten etwa selbständige Dienstleistungsanbieter aus dem Ausland in den Schweizer Markt, insbesondere Plattenleger, Maler, Gipser und Schreiner, die de facto gar nicht selbständig seien.

Der Bundesrat schlug deshalb vor, dass selbständige Dienstleister aus der EU in der Schweiz in Zukunft an Ort und Stelle mit Dokumenten beweisen müssen, dass sie auch tatsächlich selbständig erwerbend sind. Bleiben sie den Beweis schuldig, können sie an der Weiterarbeit gehindert werden. Werden sie als scheinselbständig identifiziert, droht ihnen eine Busse. Zur Debatte stehen auch neue Sanktionsmöglichkeiten bei Verstössen gegen zwingende Lohn- und Arbeitsbedingungen. Alle Parteien sprachen sich schon in der Eintretensdebatte für die Vorschläge des Bundesrats aus.

Umstrittene Solidarhaftung
Die Wirtschaftskommission des Nationalrats möchte jedoch die Schraube noch weiter anziehen. Sie will insbesondere eine Solidarhaftung einführen. Firmen sollen dafür haftbar gemacht werden können, wenn von ihnen engagierte Subunternehmen Schweizer Mindestanforderungen an Löhne und Arbeitsbedingungen nicht einhalten. In der Eintretensdebatte sprachen sich neben den linken Parteien SP und Grünen auch die Fraktionssprecher von CVP, FDP, BDP und GLP für dieses Anliegen der Gewerkschaften aus. Gegen die Solidarhaftung stimmen wollen die SVP sowie einzelne Vertreter anderer bürgerlicher Parteien. Der Nationalrat wird damit die Solidarhaftung voraussichtlich gutheissen. Diesem Ansinnen dürfte im Ständerat Widerstand erwachsen. Dessen vorberatende Kommission will diesen Aspekt in eine separate Vorlage auslagern, die dann in der Herbstsession beraten würde.

Für dieses Vorgehen sprach sich auch Volskswirtschaftsminister Johann Schneider- Ammann aus. Es gebe viele offene Fragen zur Solidarhaftung zu klären, etwa ob der Erstunternehmer nur für Verstösse des Subunternehmers oder für solche der gesamten Subunternehmerkette haften solle, sagte er.