«Wir haben eine ungelöste Asylproblematik», sagte SVP-Präsident Toni Brunner im Fernsehen. Dieses Problem werde die Schweiz auch in der kommenden Legislatur am meisten beschäftigen.

«Die Wähler haben begriffen, dass die Situation viel ernster ist als sie scheint», sagte auch der Waadtländer SVP-Nationalrat Guy Parmelin in Bezug auf die derzeitige Flüchtlingskrise in Europa. Der Wahlerfolg der SVP sei eine Bestätigung der Sorgen der Bevölkerung.

Auch die zweite Gewinnerin, die FDP, spricht sich für eine Begrenzung der Zuwanderung aus. «Wir haben aber ein anderes Rezept als die SVP», sagte Parteipräsident Philipp Müller. «Wir müssen ein Konzept finden, das beim Volk und im Parlament mehrheitsfähig ist.» Es gehe dabei nicht nur um die Migrationsfrage, sondern etwa auch darum, das inländische Potential besser zu nutzen.

Mitte muss umdenken
Die Mitte- und Linksparteien zeigen sich in ersten Reaktionen ratlos: «Ich habe das Resultat nicht erwartet», sagte GLP-Präsident Martin Bäumle. Seine Partei muss happige Sitzverluste hinnehmen. Er sagte, dass er als Parteipräsident die volle Verantwortung tragen werde für das Wahldebakel. Was dies personell heissen könnte, liess er offen.

«Wir müssen über die Bücher», sagte auch CVP-Präsident Christophe Darbellay in der Wandelhalle des Bundeshauses. Künftig müsse die Mitte zusammenarbeiten – oder sie werde verschwinden. Dann drohe der Schweiz künftig ein Zweiparteiensystem wie in den USA.

«Über die Resultate der Mitte sind wir nicht zufrieden», sagte BDP-Präsident Martin Landolt. Trotzdem sei es sicher, dass die Partei von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf auch im neuen Parlament über Fraktionsstärke verfügen werde.

Keine eigenen Themen gesetzt
Die Asylthematik hat laut SP-Vizepräsidentin Géraldine Savary den Wahlkampf dominiert. «Für die Linken und die Mitte war es schwierig, andere Terrains zu besetzen», sagte sie. Deshalb sei der Wahlerfolg für die SVP auch keine Überraschung.

«Wir wollten über reale Probleme in unserem Land diskutieren, beispielsweise über die Wohnungsnot und die geringere Kaufkraft», sagte die Waadtländer Ständerätin. Die SVP habe dagegen ihre bekannte «Angstpolitik» betrieben, die schwierig zu kontern sei.

Die GLP-Fraktionspräsidentin Tiana Moser (ZH) analysierte die ersten Resultate des Wahlsonntags ähnlich. Ihrer Partei sei es nicht gelungen, sich über die Themen zu profilieren, die mobilisieren. Die Partei habe zwar ihr Profil schärfen können, aber im Wahljahr habe das Thema Migration dominiert - und nicht Ökologie- und Wirtschaftsfragen.

Rennen um Bundesrat beginnt
«Die Angst vor der Einwanderung hat über das Mitgefühlt gesiegt», erklärte auch CVP-Vizepräsident Dominique de Buman die Stärke der SVP. «Hauptproblem ist, dass grüne Themen nicht als wichtig angesehen wurden», sagte Grünen-Co-Präsidentin Regula Rytz.

Etwas weniger dramatisch sieht es SP-Präsident Christian Levrat: «Ich denke, dass wir es geschafft haben, die Themen rüberzubringen.» Vor allem rechts sei aber mit viel Geld gekämpft worden.

Der Wahlerfolg weckt bei der SVP auch Hoffnungen auf einen zweiten Bundesratssitz: «Dass man jetzt mit taktischen Spielen aufhören sollte, sollte jetzt allen klar sein», sagte Brunner. Er erhält unter anderem Unterstützung vom Thurgauer Neo-FDP-Nationalrat Hermann Hess: «Wir brauchen einen Bundesrat mit zwei SVP-Vertretern.» (sda/18.10.2015/19:03)