Wer an ein Serviced Apartment denkt, stellt sich einen White-Collar-Angestellten vor, der temporär in einer Stadt tätig ist. In der Nähe der Firma bewohnt er eine Wohnung, die vollständig eingerichtet ist, in der er kochen kann und die sporadisch geputzt wird.

In der Stadt oder in der Nähe von grossen internationalen Firmen boomen die Serviced Apartments in der Tat. Aber auch in den Bergen haben sie Potenzial. Bestes Beispiel ist das vor zehn Monaten eröffnete Apart Hotel Adelboden im gleichnamigen Kurort.

Die Auslastung bei «Berg und Bett» ist auf 60 Prozent gestiegen und liegt 18 Prozent über dem Durchschnitt.

Feriengäste, Familien und Kleingruppen buchen am häufigsten. Der Neubau mit 24 Wohnungen zu je sechs Betten ist zu 75 Prozent ausgelastet. Damit ist Gastgeberin Anke Reindl zufrieden. Luft nach oben gebe es allerdings in Schlechtwetter-Perioden. Weil das Haus keinen eigenen Wellnessbereich hat, sehen die Gäste dann von Buchungen ab.

In den Tourismusorten steckt viel Potenzial
In eine Spezialkategorie der Serviced Apartments gehören professionell bewirtschaftete Zweit- und Ferienwohnungen. Warme Betten generieren statistisch gesehen mehr Wertschöpfung als kalte. Ihr Anteil in Land- und Tourismusregionen ist hoch und eine gute Auslastung dort besonders wichtig. Exemplarisch ist das mit dem Milestone ausgezeichnete Beispiel «Berg und Bett» in Toggenburg. Die Firma vermietet dort 40 Apartments, die früher nur von den Eigentümern genutzt wurden. Seither ist die Auslastung auf 60 Prozent gestiegen und liegt somit 18 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt.

Im internationalen Vergleich hat die Schweiz Luft nach oben
Der Schweizer Markt für Serviced Apartments steckt im globalen Vergleich noch in den Kinderschuhen. In den USA, dem global führenden Markt, wo das Geschäftsmodell seit Jahrzehnten Alltag ist, sind gemäss Schätzungen der Immobiliengesellschaft JLL bereits 8 Prozent der Zimmerkapazität Serviced Apartments. Für die Schweiz fehlen entsprechende Zahlen. Führend in Europa ist London, wo dieses Jahr rund 3000 neue Einheiten entstehen und einige Analysten vor einer Blase warnen. Zum Vergleich: In Zürich sind dieses Jahr rund 300 neue Einheiten geplant. (stü)

Auf der Riederalp ist das Gegenteil der Fall. Die Art-Furrer-Hotels wurden ab 2019 im Stockwerkeigentum verkauft und werden heute als Ferien- oder Zweitwohnung genutzt. Da viele nicht mehr professionell bewirtschaftet werden und die Besitzer im Schnitt nur 50 Tage pro Jahr anwesend sind, sind die Logiernächte um 40 Prozent eingebrochen. «Für die Aletsch Arena eine schwierige Situation», sagt deren Geschäftsführer Philippe Sproll.

Erste Auswirkungen sind bereits spürbar. Geschäfte und Restaurants haben die Öffnungszeiten verkürzt. Um dem entgegenzuwirken, werden Lösungen gesucht. Die Besitzer der total 2000 nicht bewirtschafteten Ferienwohnungen in der Region Aletsch Arena werden dafür sensibilisiert, die Wohnungen zu vermieten. Zudem sollen Wohnungen für Workation-Angebote aufgerüstet werden – mit ergonomischen Stühlen, Internet und einer Kaffeemaschine.

Obwohl Serviced Apartments die Wertschöpfung ankurbeln und Regionen beleben, scheuen sich noch viele Besitzer davor, ihre Wohnungen zu vermieten, aus Sorge, die Gäste würden nicht vernünftig damit umgehen. Philippe Sproll beruhigt, es sei selten, dass etwas kaputtgehe.

Er stellt denn auch fest, dass die Sorgen abnehmen. «Die neue Generation ist auf die Einkünfte aus der Vermietung angewiesen, weil sie damit Unkosten und Hypotheken bezahlt», sagt er. Zudem verbringen viele Personen, die in der Pandemie eine Ferienwohnung gekauft haben, nicht so viel Zeit dort, wie sie erst dachten, und vermieten ihre Wohnung deshalb.

Noch besetzen Serviced Apartments in der Schweiz eine Nische, aber die Zahl steigt, wie Daniel Beerli sagt. Er ist bei HotellerieSuisse zuständig für die Klassifikation. Klassische Serviced Apartments in Stadtnähe bilden noch immer die Mehrheit. Beispielsweise die Gruppe Anstatthotel mit fünf Serviced-Apartment-Häusern und 300 Wohneinheiten in den Kantonen Luzern, Zug und Aargau. Deren Auslastung lag zwischen Mai und Mitte Oktober bei 95 Prozent. «Viele denken, das ist einfach verdientes Geld», sagt Inhaber Joe Hegglin. Dem sei nicht so. Dahinter stecke harte Arbeit.

Innerhalb der Schweizer Beherbergungsindustrie sind Bewegungen im Gange. Einerseits drängen immer mehr neue Hotelketten auf den Schweizer Markt und andererseits entstehen alternativ dazu neue Beherbergungskonzepte. Der Verband HotellerieSuisse hat eine neue Klassifikation für die Serviced Apartment Konzepte entwickelt.

Differenzierung durch die Klassifikation Serviced Apartment

 

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Blanca Burri