«Der Schweizer Sportmarkt 2021 mit Rekord-Wachstum», titelte das Marktforschungsinstitut GFK diesen Frühling eine Mitteilung. Um 14 Prozent sei der Sportmarkt letztes Jahr gewachsen. Gerade der Outdoorbereich ist seit längerem im Hoch. Zum Beispiel das Wandern: Zwischen 2013 und 2019 hat der Anteil der Wanderer und Wanderinnen in der Schweiz laut Schweizer Wanderwege um 12,6 Prozentpunkte zugenommen. Insgesamt wandern rund 4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer regelmässig.

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Im Alter von 17 Jahren gründete Thomas Binggeli die Thömus AG unter dem Namen «Velo Service Oberried». 1998 folgte mit der Eigenmarke Thömus der Schritt vom Händler zum Fahrradentwickler. 2009 brachte Binggeli das E-Bike Stromer auf den Markt. Der von Binggeli initiierte Swiss Bike Park in Oberried BE wurde 2019 eröffnet.

Sibylle Böhler ist Direktorin im Hotel Gasthof zum Ochsen in Arlesheim. Ihre Stellvertreterin im Bike-Hotel ist Regula Hügli. Zum über 300-jährigen Familienbetrieb von Barbara und Christoph Jenzer gehört auch eine eigene Metzgerei. Er ist damit einer der letzten drei Gasthof Ochsen der Schweiz mit hauseigener Metzgerei.

Seit Februar leitet Aldo Samueli das zur Hotelgruppe Arenas The Resorts gehörende Hotel Victoria-Lauberhorn in Wengen. Davor war der ehemalige Volleyball-Profi Operations Manager im Hotel Ambassador in Zermatt VS. Lange Zeit war er zudem in verschiedenen internationalen Positionen für den Hotelkonzern Accor tätig.

Christian Wyss ist Geschäftsleiter, Verwaltungsrat und Mitinhaber der Mauchle Pool AG, die seit über 25 Jahren Edelstahlbecken für Hotels, Gemeinden und Privatpersonen baut. Die Produkte des Unternehmens aus Sursee sind Einzelanfertigungen, die nach den individuellen Kundenwünschen in den Werkhallen im Kanton Luzern entstehen.

Auch der Radsport erfreut sich grosser Beliebtheit. Wie gross diese ist, weiss Thomas Binggeli, der mit seiner Marke Thömus zu den wichtigsten Velounternehmern der Schweiz gehört. «Normalerweise verkauft die Branche 300 000 Velos pro Jahr, während Corona waren es jährlich 500 000. Dieser Nachfrage gerecht zu werden, war für uns eine riesige Herausforderung.»

Für Schweizer Sporthotels sind das alles gute Nachrichten – beispielsweise für das Bike-Hotel Gasthof zum Ochsen in Arlesheim BL. «Während der Pandemie war die Nachfrage bei uns enorm gross», freute sich Direktorin Sibylle Böhler am htr-Tischgespräch zum Thema Sporttourismus. «Wir hatten auf einmal Anfragen von ganzen Bikegruppen statt nur von Pärchen wie früher.» Gleichzeitig hat das Hotel, das schon länger auf Velofahrer fokussiert, noch eine Schippe nachgelegt: «Wir haben zum Beispiel unsere Angestellten geschult, ihnen die neusten Trails gezeigt, damit sie kompetent Auskunft geben können. Uns war wichtig, den Gästen nicht nur eine Strecke empfehlen zu können, sondern mehrere, damit sie auch mehrere Tage bleiben.»

Der Velo-Hype dürfte nicht so bald verpuffen
Dass immer mehr Destinationen und Hotels die Radfahrer umgarnen, störte Böhler nicht: «Ich denke, der Boom ist so gross und andauernd, da gibt es Potenzial für alle.» Und: Wenn die Destinationen laufend neue Touren aufbauten, halte das wiederum den Boom am Leben.

Dem pflichtete Binggeli bei: Er rechne nicht damit, dass der Velo-Hype so bald verpuffe. Allerdings sei die Sache kein Selbstläufer, und die Branche bleibe gefordert, müsse etwa Innovationen liefern. Denn ohne Innovation, ohne Gründe, ein neues Bike zu kaufen, werde es nicht gehen. Binggeli nimmt aber auch den Tourismus in die Pflicht: Nur wenn alle an einem Strick zögen – Bike-Branche, Umweltverbände, Wanderwege, Hotellerie, Destinationen –, könne ein gutes Produkt entstehen.

«Wir stellen fest, dass alle Nationalitäten sportinteressiert sind. Allerdings gibt es Unterschiede bei den Sportarten.»

Aldo Samueli
General Manager im Arenas Resort Victoria-Lauberhorn in Wengen

Sport steht im Übrigen nicht nur bei Schweizerinnen und Schweizern hoch im Kurs, wie Aldo Samueli, General Manager im Arenas Resort Victoria-Lauberhorn in Wengen BE, zu berichten wusste: «Wir stellen fest, dass alle Nationalitäten sportinteressiert sind. Allerdings gibt es Unterschiede bei den Sportarten. Schweizer Gäste sind zum Beispiel vor allem an E-Bikes und Wanderungen interessiert. Engländer und Amerikaner dagegen sind lieber im Swimmingpool oder auf dem Velo.»

Interessenkonflikte zwischen sportlichen und unsportlichen Gästen gebe es nicht, sagten die Gesprächsteilnehmenden unisono. «Radlerhose neben Anzug, das funktioniert bei uns sehr gut. Wenn ein Biker richtig verdreckt ins Hotel kommt, entstehen oft die besten Unterhaltungen», sagte Sibylle Böhler.

Welche Rolle spielen Kooperationen im Sporttourismus?

Kooperationen sind im Sporttourismus zentral, darin waren sich alle einig – ebenso darüber, dass in Sachen Zusammenarbeit noch viele Fortschritte möglich sind und grosses Potenzial brachliegt.

Grob unterteilt wurde am htr-Tischgespräch über drei Arten der Kooperation gesprochen. Erstens: In einer Destination arbeiten Geschäfte, Hotels und andere Anbieter zusammen, um Sportler anzusprechen. So geschieht es etwa in Arlesheim, wo der Gasthof zum Ochsen mit der Velowerkstatt im Ort kooperiert und Baselland Tourismus verschiedene Biketouren zusammengestellt hat.

Auch der Swiss Bike Park in Oberried pflegt diese Art der Zusammenarbeit: Die von einer Stiftung betriebene Anlage vor den Toren Berns werde etwa von verschiedenen Partner-Bikeschulen genutzt, sagte der Initiator Binggeli. Sogar die Skischule von Arosa habe dort ihre Skilehrer zu Bike Guides ausbilden lassen. Als Übernachtungspartner arbeite man mit Bike-Hotels in der Region Bern zusammen. «Für ein touristisches Resort wie den Bike Park sind Kooperationen zentral», meinte Binggeli.

«Wenn beispielsweise ein Hotel eine tolle Badelandschaft und das andere einen professionellen Fitnessbereich hat, wäre das kombinierte Angebot viel attraktiver für die Gäste beider Häuser, als wenn jedes Hotel ein bisschen Baden und ein bisschen Fitness bietet.»

Christian Wyss
Geschäftsleiter, Verwaltungsrat und Mitinhaber der Mauchle Pool AG

Zweitens: Anbieter mit unterschiedlichen Spezialitäten ergänzen sich. Hoteldirektor Samueli erklärte: «An meinem alten Arbeitsort hatten wir ein Golfhotel in der Nähe; wir dagegen verfügten über einen Fitnessraum. Also haben wir unseren Gästen gegenseitig diese Sportaktivitäten ermöglicht: Unsere Gäste konnten beim anderen Hotel Golf spielen und dessen Gäste bei uns in den Fitnessraum.»

Dieses Modell wäre auch in anderen Bereichen denkbar, fand Christian Wyss, Geschäftsleiter und Mitinhaber des Pool-Bauers Mauchle: «Wenn beispielsweise ein Hotel eine tolle Badelandschaft und das andere einen professionellen Fitnessbereich hat, wäre das kombinierte Angebot viel attraktiver für die Gäste beider Häuser, als wenn jedes Hotel ein bisschen Baden und ein bisschen Fitness bietet.» Er würde solche Kooperationen eigentlich sehr begrüssen, sagte Wyss. Seine Erfahrung zeige aber, dass im Schwimmbadbereich jedes Hotel lieber für sich schaue. Wenn Mauchle einen Hotelpool plane, heisse es oft sogar: «Aber sagt ja niemandem, was wir hier bauen werden.»

Bei der Zusammenarbeit sind Hoteliers noch ein bisschen Eigenbrötler
Bei der dritten Form der Zusammenarbeit bilden Anbieter aus der gleichen Branche, aber aus verschiedenen Destinationen ein Netzwerk. Ein mögliches Beispiel: Wäre es nicht attraktiv für den «Ochsen», wenn er gemeinsam mit anderen Bike-Hotels Velotouren anbieten könnte, bei denen die Gäste einmal hier, einmal da übernachten? «Doch, das wäre letztlich ein Gewinn für alle Beteiligten», fand Sibylle Böhler. «Das Baselbiet ist schon lange eine Bikeregion. Für die nächsten Jahre müssen wir Bike-Hotels uns besser vernetzen, etwa mit Gepäcktransport und Mehrtagestouren. Da können wir noch viel gemeinsam entwickeln.»

Binggeli pflichtete ihr bei: «Unbedingt! Auch verschiedene Routen anbieten. Technisch gibt es dafür heute viele Möglichkeiten, Plattformen wie Komoot und Strava, auf denen sich die Leute eh schon bewegen.» Auch Samueli sprach über die Vorzüge solcher Kollaborationen: «Eine solche Zusammenarbeit haben wir noch nicht. Aber es wäre durchaus sinnvoll, wenn wir zum Beispiel einem Gast, der von Wengen mit dem Bike nach Meiringen fahren möchte, am Zielort ein Partnerhotel empfehlen könnten.» Er werde das angehen, sobald die Renovationsarbeiten am Hotel abgeschlossen seien.

Auch Binggeli möchte in dieser Richtung noch weitergehen: «Unser Ziel ist es, dass die Gäste in den Bike Park kommen, vier, fünf Stunden die Technik erlernen, und dann geht es mit dem E-Bike zum Beispiel nach Gstaad, nach Wengen oder nach Arlesheim, egal wohin. In einem Tag kommt man mit dem Fahrrad so weit, das ist ja das Geniale.»

Was braucht es neben dem eigentlichen Sporterlebnis?

Dass Gäste eines Wanderhotels in der Nähe Wanderwege und Gäste eines Golfhotels einen Golfplatz erwarten, liegt auf der Hand. Auch dass ein Bike-Hotel über einen Veloraum verfügen sollte, überrascht nicht. Doch wie wichtig ist das Drumherum neben dem eigentlichen Sporterlebnis? «Das Drumherum ist enorm wichtig», hielt Binggeli fest. «Mit Hotelier Hans C. Leu haben wir vor 28 Jahren schon die Gourmet-Biketouren gemacht. Dort haben wir gelernt: Wenn man am Abend ankommt, muss man unbedingt etwas trinken – ein kühles Bier, ein Glas Wein oder auch etwas ohne Alkohol, um sich zu verwöhnen. Dazu ein kleines Plättli, noch in den verschwitzten Kleidern. Unterwegs isst du Riegel und trinkst Isostar. Daran magst du nach der Ankunft nicht mehr denken.» Solche «Magic Moments», wie Binggeli sie nennt, kosteten das Hotel nicht viel, seien für den Gast nach sechs Stunden im Sattel aber Genuss pur.

Binggeli empfahl den Hoteliers, besser auf Genusssportler zu setzen statt auf Leistungssportler. Ein Hotel, das voll auf Training und Leistungssteigerung setzen wolle, sei eine ganz eigene Kategorie. «Da braucht es Massagen, Ernährungspläne, Physio. Ein klassisches Bike-Hotel kann das nicht bieten.» Letztlich seien die Genusssportler auch deshalb attraktive Hotelgäste, weil sie eine hohe Kaufkraft besässen: «Die Fahrräder, die wir verkaufen, kosten im Durchschnitt 7000 Franken. Wer das ausgibt, hat Geld, um sich am Abend ein gutes Essen und eine gute Flasche Wein zu leisten. Wenn man ein paar Stunden auf dem Fahrrad war, gönnt man sich danach gerne etwas», ist Binggeli überzeugt.

«Sport, Wellness und gutes Essen sind bei uns ein Paket»
Im Bike-Hotel Ochsen hat man genau diese Genussmenschen im Fokus: «Wer bei uns das Bike-Package gebucht hat und nach einer Tour ins Hotel zurückkommt, dem servieren wir ein Weizenbier und ein Plättli von der Metzgerei nebenan», sagte Böhler – und erntete ein anerkennendes Nicken von Binggeli. Am Abend wollten die meisten Gäste dann ein feines Stück Fleisch mit Beilagen und ein gutes Glas Wein.

«Sport, Wellness und gutes Essen sind bei uns ein Paket.»

Aldo Samueli
General Manager Arenas The Resorts Victoria-Lauberhorn Wengen

Mauchle-Chef Wyss rät den Sporthotels eher davon ab, Schwimmbecken zu bauen, die den Ansprüchen von Leistungsschwimmern genügen. «Ob es sich für ein Hotel lohnt, eine entsprechende Anlage einzubauen, wage ich zu bezweifeln. Hotels gehen lieber eine Kooperation mit einem Hallenbad in der Nähe ein, wo die Hotelgäste trainieren können.»

Wenn er Hotelier wäre, sagte Wyss, würde er stattdessen auf Wellness setzen, weil dort die Nachfrage einfach viel grösser sei. Und, wenn es die Platzverhältnisse zuliessen, einen Bereich im Pool abtrennen, damit Gesundheitsschwimmer dort ihre 200 Meter Brustschwimmen absolvieren könnten, ohne ständig auf eine Sprudeldüse oder einen Nackenschwall zu treffen.

Zudem machte der in Wengen tätige Samueli darauf aufmerksam, wie wichtig es besonders bei schlechtem Wetter sei, dass man den Gästen neben dem Sport etwas bieten könne. Bei ihm seien dann unter anderem der Poolbereich und Massagen gefragt. «Sport, Wellness und gutes Essen sind bei uns ein Paket.»

Was bringt die Spezialisierung zum Sporthotel?

Zusätzlich zu den Sternen können sich Hotels in mehreren Kategorien um Spezialisierungen bemühen. Im Sport-Bereich sind die Spezialisierungen Bike-Hotel, Golfhotel, Schneesporthotel und Wanderhotel möglich. Derzeit gibt es in der Schweiz gut 400 Wanderhotels, je rund 300 Bike- und Schneesporthotels sowie über 60 Golfhotels, wie eine Auswertung von HotellerieSuisse zeigt.

«Für uns ist die Spezialisierung als Bike-Hotel, die wir seit einigen Jahren haben, sehr wichtig», sagte Regula Hügli, stellvertretende Geschäftsführerin im Hotel Gasthof zum Ochsen – «vor allem, um überhaupt gefunden zu werden.» Während Corona hätten viele Schweizerinnen und Schweizer zum Beispiel über die Website von Schweiz Tourismus gezielt nach Bike-Hotels gesucht. Dort müsse man präsent sein, wenn man gefunden werden wolle. Sie sei sich sicher, sagte Hügli, dass das Hotel dank der Spezialisierung zahlreiche Gäste habe gewinnen können, die das Baselbiet davor als Bike-Region nicht gekannt hätten.

Die Spezialisierung ist eine Voraussetzung, damit Schweiz Tourismus ein Hotel in die entsprechende Kampagne aufnimmt. Denn für den Vermarkter hat das Label von HotellerieSuisse den Vorteil, dass er nicht jedes Hotel prüfen muss. Allerdings muss dazu auch gesagt werden, dass nicht alle Kategorien gleich aktiv vermarktet werden. Am meisten läuft diesbezüglich derzeit im Bike-Bereich.

«Die Anforderungen an die Infrastruktur sind nicht riesig»
Aber decken die bei einer Spezialisierung geprüften Kriterien überhaupt ab, was Sportler von einem Hotel erwarten? Einer, der genau weiss, was Velofahrer von einem Bike-Hotel erwarten, ist Vollblutbiker Binggeli. «Die Anforderungen an die Infrastruktur sind nicht riesig: Es braucht einen sicheren Veloraum und eine kleine Werkstatt. Aber Biker suchen kein Hotel, das ihnen eine voll ausgerüstete Werkstatt bietet oder einen tollen Waschplatz», meinte der Unternehmer. Viel wichtiger sei ihnen, dass sie verstanden würden – «und ein Infopoint, der über die lokale Szene informiert».

Im Idealfall seien die Leute an der Réception selber Biker, die Auskunft geben und Problemchen lösen könnten, sagte Binggeli und ergänzte: «Natürlich freuen sich die Gäste auch über eine kleine Aufmerksamkeit wie eine Sitzcreme anstelle einer Bodylotion im Hotelzimmer. Optimal ist auch, wenn das Hotel einen kleinen Shop hat, in dem es zum Beispiel Schläuche zu kaufen gibt.»

«Ein Hotel allein macht noch keine Bike-Destination.»

Thomas Binggeli
CEO und Inhaber des Bike-Unternehmens Thömus

Am Ende mache ein Hotel allein aber noch keine Bike-Destination. Es brauche zusätzlich zur Unterkunft ein ganzes Ökosystem rundherum. «Es braucht Routen, es braucht Restaurants, die mitziehen, es braucht Fachgeschäfte, es braucht Guides.» Wenn dieses Ökosystem in einer Destination entstehe, dann ergebe eins plus eins auf einmal drei.