Guglielmo L. Brentel ist Präsident von Zürich Tourismus.

Der Tourismus ist hart getroffen, aber einmal wird Covid-19 Geschichte sein. Die Fragen, die uns Touristiker heute umtreiben: Wie überlebe ich bis dahin, und wie kann ich mich auf die Zeit nach Corona vorbereiten?

In den bisher geführten Diskussionen vermisse ich nachhaltige Lösungsansätze, die Wirkung zeigen und dort helfen, wo die Voraussetzungen für das langfristige Überleben gegeben sind. Ich vermisse den Blick auf das Ganze und Mut machende Visionen. Jetzt ist Leadership gefordert. Wir stehen nicht erst seit heute vollkommen anderen Herausforderungen gegenüber. Die Covid-Krise hat das nur noch akzentuiert, aber eigentlich hatten wir schon vor der Krise Handlungsbedarf. Bei Zürich Tourismus haben wir deshalb ein White Paper erstellt. Es ist eine Auslegeordnung der Situation und stellt Thesen auf, wo und wie es anzupacken gilt. Wir möchten eine breite Diskussion lancieren, die in die richtige Richtung geht: enkeltaugliche Lösungen, die uns durch diese epochale Krise bringen, und Massnahmen, die einen Weg aufzeigen, um unser Immunsystem zu optimieren und gestärkt aus dieser Kalamität zu kommen.

Dabei stehen wir alle in der Pflicht. Die Hausaufgaben der Leistungsträger sind vielfältig: Die kreativen – und genau auf die künftigen Kundenbedürfnisse eingestellten – Angebote müssen einerseits gebündelt werden. Andererseits muss die Effizienz gesteigert werden, damit die Rentabilität in unserer Branche nach der Krise steigt.

Vorab wollen wir ein Sterben gesunder Hotels verhindern. Die Eigentümer der Liegenschaften müssen gemeinsam mit den Betreibern Lösungen suchen, die über eine längere Periode betrachtet tragfähig sind. Diese Lösungen müssen für beide Parteien von Vorteil sein: Der wettbewerbsfähige und wettbewerbswillige Betrieb hat eine Perspektive, und für den Eigentümer bleibt der Wert der Liegenschaft mittelfristig erhalten.

Die Marketingorganisationen müssen primär für Nachfrage während und besonders nach der Krise sorgen und unsere wundervollen Destinationen begehrenswert und attraktiv halten. Zudem müssen sie ein Netzwerk aufrechterhalten, das beim Aufschwung rasch aktiviert werden kann. Die Politik soll die bisherigen, sehr wertvollen Instrumente wie etwa die Kurzarbeit weiterführen und sie, falls nötig, den neuen Gegebenheiten der zweiten Welle anpassen.

Hier einige konkrete Forderungen aus dem White Paper:

> Härtefälle abfedern: Statt Giesskannenprinzip sollen mehrjährige zinslose Darlehen von Bund und Vermietern finanziert werden.

> Sonntagsöffnungszeiten: Eine Belebung der Innenstädte ist dringend nötig. Eine schweizweite Liberalisierung der Öffnungszeiten wäre ein starker Impuls.

> Das Allmend-Prinzip: Jetzt braucht es Kooperationen. Gemäss dem Allmend-Prinzip profitieren viele entlang einer Wertschöpfungskette.

> Weg mit dem Speck: Abläufe im Tourismus sind komplex und teuer. Abläufe sollen vereinfacht werden, ohne die Qualität der Leistungen zu senken.

> Hafenkran reloaded: Der Hafenkran in Zürich löste weltweites Echo aus. Jetzt gilt es, mit demselben Mut kühne Projekte mit maximaler Wirkung zu erzeugen.

Gerne ermuntere ich Sie, die detaillierten Beschreibungen unserer Thesen im White Paper nachzulesen. Wünschenswert wäre es, wenn die Diskussion um nachhaltige Lösungsansätze auch ausserhalb unserer Branche fortgeführt wird. Der Tourismus geht alle etwas an. Wenn der Tourismusmotor stottert, merken das die Zulieferer, die Detailhändler, die Kulturinstitutionen, die Transportunternehmer und ja, auch die breite Öffentlichkeit. Tourismus bietet ein attraktives Umfeld nicht nur für die Besucherinnen und Besucher, sondern vor allem für die lokale Bevölkerung. Und der Tourismus bietet vielseitige Arbeitsplätze, über 24'000 alleine in Zürich. Darin enthalten sind sehr unterschiedliche Arbeitsplätze für Studierte und nicht Studierte, Vollzeit oder Teilzeit und eine Vielzahl von Ausbildungsplätzen. Touristische Arbeitsplätze mögen nicht die bestbezahlten sein, aber sicher gehören sie zu den interessantesten und zukunftsfähigsten.

Nehmen wir gemeinsam das White Paper zum Anlass, eine möglicherweise kontroverse, aber hoffentlich konstruktive Diskussion zu führen. Diese schwierigen Zeiten können wir nur gemeinsam erfolgreich überstehen. Dabei geht es nicht um Stadt gegen Berg, Mieter gegen Immobilieneigentümer oder «Der Staat solls richten». Klar ist: Jeder für sich bringt uns nicht ans Ziel. Jeder muss für sich zwar seine Hausaufgaben machen, aber nur zusammen finden wir gute und nachhaltige Lösungen.

Link zum White Paper:

zuerich.com/whitepaper