Andreas Schürer ist Geschäftsführer des Komitees Weltoffenes Zürich.

Es ist zu früh, um Bilanz zu ziehen. Vor kurzem hat der Bundesrat zwar weitere Öffnungen beschlossen. Auch Reisen wird wieder einfacher. Doch die Luftfahrtbranche und alle nachgelagerten Bereiche darben nach wie vor. Die Swiss rechnet für die Sommermonate mit einem Volumen von 50 bis 55 Prozent des Vorkrisenniveaus. Damit können tägliche Millionenverluste verhindert werden, was eine gewisse Stabilität bringt, wenn man bedenkt, dass allein die Swiss auf der Höhe der Krise zwei Millionen Franken verloren hat – pro Tag. Die Branche ist aber immer noch weit davon entfernt, Investitionskraft zu generieren. Und es ist unsicher, wie der Herbst und der Winter verlaufen.

Die Auslastung des Europaverkehrs ist im Sommer zwar ansprechend, der Interkontinentalverkehr erholt sich aber nur zaghaft. Die Regelungen für Einreisen aus Drittstaaten müssen auf europäischer Ebene dringend vereinfacht und vereinheitlicht werden. Wichtige Destinationen wie Asien und die USA sind für Schweizer nach wie vor nur schwer zugänglich. Amerikaner können zwar nun relativ einfach in die Schweiz und in den Schengen-Raum reisen, Reziprozität ist aber nicht gegeben. Es bleibt die Hoffnung auf baldige Lockerungen.

Eine andere Hoffnung betrifft unsere eigene Sicht auf die Luftfahrt. Deutlich hat die Krise gezeigt, dass Luftfahrt kein Selbstzweck ist. Notorischen Kritikern ist vor Augen geführt worden, dass sie falsch liegen, ja, dass sie zynisch argumentieren. Ganze Wirtschaftsbereiche hängen an der Luftfahrt, Tourismus, Hotellerie, internationale Organisationen. Allein am Flughafen Zürich beschäftigen rund 300 Firmen etwa 25 000 Menschen, und sie erwirtschaften eine jährliche Wertschöpfung von rund fünf Milliarden Franken. Insgesamt leben rund 100 000 Menschen direkt oder indirekt vom Flughafen Zürich. Die Wertschöpfung in den Bereichen Aussenhandel, Dienstleistung, Tourismus und Gewerbe beträgt in normalen Zeiten rund 15 Milliarden Franken. Diese Argumente sind Fakten – Tausende, die um ihren Arbeitsplatz oder um die Einkünfte ihres Betriebs bangen, bekommen es schmerzhaft zu spüren. Für uns alle ist zu hoffen, dass diese Wertschöpfung auch in Zukunft funktioniert. Und dass der Zusammenhang zwischen der Luftfahrt respektive der guten Anbindung der Schweiz an die Welt und all den nachgelagerten Bereichen in Erinnerung bleibt, wenn die Krise vorbei ist.

Aber klar: Die Luftfahrtbranche muss ihre Hausaufgaben machen. Namentlich im Klimaschutz darf sie nach dem Nein zum CO2-Gesetz ihre Hände nicht in den Schoss legen, wenn sie nationale Alleingänge wie bei der Flugticketabgabe verhindern will. Nun muss sie aufzeigen, dass bereits viele Lösungen zur Ökologisierung der Luftfahrt auf dem Tisch liegen, unter anderem nachhaltige Flugtreibstoffe. Und sie muss deutlich machen, welche Massnahmen es braucht, damit diese effizient zum Einsatz kommen.

Dass die Luftfahrt strategisch wichtig ist für die Wirtschaft und den Tourismus, ist nun bewiesen. Eindrücklich verdeutlicht wurde dies im April, als noch äusserst strikte Reiserestriktionen galten. In der historisch einmaligen breiten Allianz «Back in the Air» forderten Luftfahrtbranche, Wirtschaft, Sozialpartner, Reisebranche, Hotellerie und Tourismus geeint die Wiedererlangung der Reisefreiheit. Zu wünschen ist, dass auch dieser Blick fürs grosse Ganze Bestand haben wird.